Fotoreportagen

Vorsicht ist oberstes Gebot


von Beate Jung

Einweisung durch den UN-Sicherheitsbeauftragten

„Sie waren noch nie im in einem Projektland im Einsatz???“

Der Sicherheitsbeauftragte für UN-Angestellte lehnt sich mit skeptischem Blick zurück und öffnet eine Präsentation. Anhand dieser erklärt er mir sorgfältig die besonderen Sicherheitsrisiken in Sri Lanka – speziell für Frauen, speziell für UN-Angehörige, speziell für ehemaliges Kriegsgebiet. Er gibt Ratschläge, Tipps, Anweisungen und führt durch eine ziemlich lange Liste der Dinge, die man nicht tun sollte.

Sri Lanka: UN-Sicherheitsbeauftragter Lalith Gunasiri Kiriella

Lalith Gunasiri Kiriella, Sicherheitsbeauftragter für UN-Angestellte in Sri Lanka

© UNICEF DT/Beate Jung

Hauptgrund für die Instruktionen ist die anstehende Reise in den Norden in die Provinz Kilinochchi. Ich werde hier eine Gemeinde aufsuchen, in der in den letzten drei Jahren mit finanzieller Unterstützung durch UNICEF Deutschland Projekte zur Reduzierung von Unfällen durch Landminen durchgeführt wurden.

Allein in der kleinen Gemeinde Mullaittivu an der Nordostküste, in die ich gemeinsam mit einem Kollegen fahren werde, sind noch immer 13,7 Quadratkilometer nicht komplett von Minen befreit worden. Das ist eine Fläche, die ungefähr so groß ist wie die Kölner Innenstadt, so recherchiere ich einen Vergleich für mich. Und auch dort werden ja – selbst 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs – noch Bomben gefunden und unter hohem Sicherheitsaufwand entschärft.

Neuer Anfang in alter Heimat

In den Bürgerkriegsjahren sind viele Tausende aus den Kriegsgebieten im Norden und Nordosten geflohen. Allein in den letzten beiden Kriegsjahren verloren 300.000 Menschen ihre Unterkunft, ihren Boden und ihre Einkommensgrundlagen. Sie wurden in Lager zwangsumgesiedelt.

Diese sogenannten "internen Vertriebenen" kehren nun seit einigen Jahren zurück, denn die Auffanglager werden geschlossen. Sie haben aber so gut wie keine finanziellen Mittel und häufig auch keine Ausbildung, um sich eine neue Existenz aufzubauen. Oft sind die Väter im Krieg geblieben oder verletzt zurückgekommen, so dass die Hauptlast auf den Schultern der Frauen ruht. Die schlechte Versorgungssituation und Armut sind große Probleme der Region. Dazu kommt die noch immer andauernde Gefahr durch Minen und explosive Altlasten, die durch den Bau von neuen Behausungen, durch Landwirtschaft, durch das Baggern von Sand oder Sammeln von Metallschrott oder auch nur durch unbedachtes Spielen zu Tage kommen und ausgelöst werden. Noch immer leben knapp 300.000 Menschen sehr nahe an minenverseuchtem Gelände. Viele Landstriche sind noch gar nicht entsprechend durch Räumkommandos untersucht worden. Diese benötigen in Ergänzung ihrer eigenen Arbeit dringend Hinweise aus der Bevölkerung über Funde von explosiven Waffen.

Aktiv und engagiert zum Schutz der Bevölkerung vor Landminen

UNICEF Sri Lanka arbeitet gemeinsam mit anderen Organisationen an einer Verbesserung der Lage der Kriegsrückkehrer. Wie dies mit guten Erfolgen praktiziert wird, erfahre ich bei meinem Treffen mit dem örtlichen Minenaktionskomitee.

Sri Lanka: Minenaktionskomitee

Treffen mit den Mitgliedern des örtlichen Minenaktionskomitees

© UNICEF DT/Beate Jung

Diese Village Mine Action Committees – es gibt in der gesamten Nordprovinz ca. 120 – sind eingerichtet worden, um in den Dörfern und Gegenden, die wieder besiedelt werden, ein geschärftes Risikobewusstein unter der Bevölkerung zu entwickeln. Einzelne Personen werden ausgebildet, um in Schulen und Vereinen zu erklären, wie man Landminen und andere Explosives erkennt, wie man eine Explosion vermeidet und wohin man den Fund meldet. Und dass man ihn den offiziellen Behörden meldet! Denn häufig vermeiden beispielsweise Bauern, die beim Pflügen eine Mine entdecken, das Melden, damit ihr Boden nicht für weitere Demining-Maßnahmen gesperrt wird und sie für Monate kein Einkommen daraus erzielen können.

Der Empfang bei der Mine Action Group in der kleinen Gemeinde Kaiveli ist überwältigend. Eine Gruppe von ca. 20 Männern und Frauen ist gekommen, viele haben ihre kleinen Kinder mitgebracht (die Älteren sind in der Schule, erfahre ich). Sie nutzen das Gebäude einer Vorschule, um sich einmal im Monat zu treffen.

Sri Lanka: Begrüßung in Kaiveli

Herzliche Begrüßung in der kleinen Gemeinde Kaiveli

© UNICEF DT/Beate Jung

Nachdem 650 Familien im September 2012 in dieses ehemalige Kampfgebiet zurückgesiedelt wurden, haben sie das Komitee gegründet. Zu ihren Aufgaben zählen die Aufklärung der Bevölkerung über die Plätze, die immer noch nicht geräumt wurden, über die Markierung dieser Stellen und das unterschiedliche Aussehen verschiedener Minen- und Bombenarten.

Dazu haben sie mit ganz einfachen Mitteln eine große Landkarte erstellt, in der die Gefahrenzonen mit rot gefärbten Kokosnusskrümeln gekennzeichnet sind. Die Wege und Grundstücksgrenzen sind mit verschiedenfarbigem Sand dargestellt, die Häuser aus Blättern und Steinen. Die größeren Gebäude sind aus Verpackungsresten gebaut und liebevoll bemalt.

Sri Lanka: Komiteemitglieder erklären die Minenkarte
Bild 1 von 3 © UNICEF DT/Beate Jung
Sri Lanka: Landkarte mit Gefahrenzonen
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Sri Lanka: Großes Interesse für die Minenkarte
Bild 3 von 3 © UNICEF DT/Beate Jung

Die Karte haben die 13 Komiteemitglieder ganz bewusst zusammen mit den Anwohnern erstellt. Sie müssen ihre Häuser selbst markieren, damit sie ein Gefühl für ihre Lage und für ihre eigene Verantwortung bekommen. Ich bin fasziniert über den Einfallsreichtum und die Begeisterung, mit der alle um diese gemeinsam erstellte Karte stehen und mir Details erklären.

Ich frage die Mütter, wie es sich anfühlt, so nah an einer Gefahrenzone zu wohnen und wie sie ihren Kindern beibringen, diese nicht zu betreten. Sie erklären den Kindern von kleinauf, so antworten sie wort- und gestenreich, wo sie auf keinen Fall hingehen dürfen. Diese Gebiete sind auch mit Totenköpfen gekennzeichnet. Schnell holt man ein rotes Schild mit Totenkopf, um mir ein Beispiel zu zeigen.

Sri Lanka: Minenplakat zur Aufklärung

Infoplakate zur Aufklärung der Bevölkerung

© UNICEF DT/Beate Jung

Außerdem veranstalten die Mitglieder der Aktionsgruppe Straßentheatervorführungen, um zu erklären, wie im Falle eines Minenfunds oder nach einer Explosion zu reagieren ist. Sie betreiben auch Aufklärung von Tür zu Tür. Und schließlich ist es auch gemeinsam mit UNICEF gelungen, dass das Thema Minenaufklärung Bestandteil des Grundschulunterrichts geworden ist, zumindest in der nördlichen und in der westlichen Provinz.

Minenrisikoerziehung bleibt weiterhin überlebenswichtig

Dank der Minenrisikoerziehung, die in den vergangenen drei Jahren auch mit Unterstützung von UNICEF Deutschland in den betroffenen Provinzen ausgeweitet werden konnte und ca. 250.000 Menschen, davon 150.000 Kinder erreicht, konnte eine gute allgemeine Aufklärung der Bevölkerung erzielt werden. Die Gruppe, die mir mit Feuereifer über ihre Aktivitäten berichtet, ist stolz auf ihre Erfolge. Und dennoch ist das Problem noch nicht gelöst. Aktuell verstärkt es sich sogar noch durch das Ansteigen des Tourismus in dieser Region und des wachsenden Zuzugs von Menschen aus dem Süden. Aufklärung ist daher weiterhin überlebensnotwendig.

Fakt ist, dass es auch allein im Jahr 2014 wieder zu sieben Unfällen mit 13 Verletzten allein im Bezirk Mullaitivu gekommen ist. Mit zwei Minenopfern werde ich im Verlauf meiner Reise zusammentreffen und mit eigenen Augen sehen können, wie sich ihr Leben von jetzt auf gleich verändert hat.

Lesen Sie alle Blogbeiträge unserer Kollegin Beate Jung aus Sri Lanka.

Beate Jung, UNICEF Deutschland
Autor*in Beate Jung

Beate Jung ist Mitarbeiterin bei UNICEF Deutschland und berichtet von der Arbeit im UNICEF Country Office in Sri Lanka.