Fotoreportagen

In der Not geboren


von Tim Rohde

Mehr als 16 Millionen Babys kommen in einer Krisenregion auf die Welt

16 Millionen – das sind fast so viele Menschen, wie in Nordrhein-Westfalen leben. Oder die gesamte Bevölkerung der Niederlande.

Mehr als 16 Millionen Babys haben 2015 das Licht der Welt in einer Krisen- oder Kriegsregion erblickt. In Syrien beispielsweise oder in einem Flüchtlingscamp der Nachbarländer, im Jemen, Südsudan oder auf der Flucht durch Europa. 16 Millionen Geburten – jede achte weltweit – inmitten von Gewalt, Flucht, Hunger, Unsicherheit. Das ist die Bilanz des vergangenen Jahres.

Eine syrische Familie auf der Flucht durch Mazedonien
© UNICEF/UN02843/Gilbertson VII Photo

Auch dieses Jahr werden Millionen von Kindern, die in Krisenregionen auf die Welt kommen, ihr Leben mit den denkbar schlechtesten Startbedingungen beginnen: bedroht von Gewalt oder Naturkatastrophen, auf der Flucht und ohne sichere Unterkunft, meist ohne ausreichend Nahrung oder medizinische Versorgung.

Und meist sind die Eltern gezwungen, große Entfernungen zurückzulegen und beträchtliche Risiken einzugehen, um die Neugeborenen zu schützen oder überhaupt die sichere Geburt zu gewährleisten.

In der Not geboren: So sieht es aus, wenn Babys in einer Krisenregion auf die Welt kommen. Hier einige Momentaufnahmen aus dem vergangenen Jahr, aus Mazedonien, Syrien, Somalia, Südsudan, Jemen und Libanon.

Mazedonien, im November 2015

Jamal Majati trägt seinen Sohn Youssef über ein matschiges Feld in Mazedonien.
© UNICEF/UN02838/Gilbertson VII Photo

Jamal Majati trägt seinen einen Monat alten Sohn Youssef über ein matschiges Feld in der Nähe des mazedonischen Ortes Tabanovce. Im Hintergrund: seine Frau Nour und - nur halb zu sehen - der elfjährige Sohn Mohammad. Jamal sind die Strapazen der Flucht ins Gesicht geschrieben. Die Familie musste aus ihrer Heimatstadt Aleppo in Syrien flüchten, weil Bombenangriffe ihr Leben bedrohten. Ihr Ziel ist Mitteleuropa, Schweden.

Besonders schlimm ist die Situation für die Mutter Nour: Kurz vor der Flucht kam ihr Kind per Kaiserschnitt zur Welt. Die Wunden konnten nie ganz verheilen, auf der Flucht hat sie große Schmerzen – und doch muss sie sich um das Neugeborene kümmern, es stillen. „Wir hoffen, dass wir in Europa etwas Ruhe, Sicherheit und medizinische Behandlung finden – und vor allem Bildungsmöglichkeiten für unsere Kinder", sagt Nour. "Die Hilfe, die wir auf unserer Reise bekommen haben, gibt mir Hoffnung, dass es doch noch Menschlichkeit gibt.“

Syrien, im November 2015

Eine Großfamilie im syrischen Bürgerkrieg: zwölf Personen in einem kleinen Raum.
© UNICEF/UN02855/Sanadiki

Ein schreiendes Baby, das von seiner Mutter getröstet wird, im Hintergrund weitere Mütter mit ihren Kindern – eine Momentaufnahme aus der Mitte des syrischen Bürgerkrieges. Die syrische Großfamilie lebt zu diesem Zeitpunkt gemeinsam in einem unfertigen, unbewohnten Gebäude in der Nähe von Damaskus. Es sind zwölf Personen, zusammengepfercht in einem kleinen Raum.

Die Familie stammt aus Aleppo, rund 350 Kilometer weiter nördlich – doch der anhaltende Bürgerkrieg hat sie aus ihrer Heimat vertrieben. Seither mussten sie bereits zehn Mal weiterziehen, immer auf der Flucht vor den Kämpfen, den Bomben und Schüssen. Und kurz vor dem Winter drohte zusätzlich die Kälte: UNICEF und seine Partner haben daher dafür gesorgt, insbesondere die Kinder vor Ort mit passender Winterkleidung und Decken auszustatten.

Somalia, im November 2015

In Somalia mangelt es vielerorts an sauberem Wasser, Hygiene, sanitären Anlagen, Unterkünften.
© UNICEF/UN05912/Rich

Eine Mutter sitzt mit ihrem Baby vor einer notdürftig zusammengebauten Unterkunft – ein ausrangierter Autoreifen dient als Sitz. Hier ins Salamey Idale-Flüchtlingscamp in Baidoa im südlichen Somalia sind sie, wie viele andere, vor Konflikten, Dürre und Hunger geflüchtet.

Nach der großen Hungersnot von 2011 ist die Krise in Somalia fast in Vergessenheit geraten, doch immer noch sind unzählige Familien in Not. Auch hier im Camp mangelt es an elementaren Dingen: sauberem Wasser, Hygiene, sanitären Anlagen, Unterkünften. Kinder, insbesondere Babys und Kleinkinder, sind häufig unterernährt und von gefährlichen Durchfallerkrankungen bedroht – ebenso Mütter und schwangere Frauen.

Südsudan, im Oktober 2015

Die siebzehnjährige Julie aus Südsudan hat ihr erstes Kind zur Welt gebracht.
© UNICEF/UN02930/Rich

Die siebzehnjährige Julie hat ihr erstes Kind zur Welt gebracht – in einer von UNICEF unterstützten Notklinik. Es ist ein gesunder Junge, rund drei Kilogramm schwer. Nach der Geburt lernt sie, wie man stillt und ein kleines Baby versorgt.

Julie musste gemeinsam mit ihrer Mutter vor dem Bürgerkrieg und dem Hunger fliehen – sie haben im Flüchtlingscamp in Malakal Zuflucht gefunden. „Ich bin so froh, dass ich meinen Sohn in der Klinik zur Welt bringen konnte. Hier wird er geimpft, und ich lerne, für ihn zu sorgen. Mein Mann ist noch in unserer Heimatstadt, ich weiß nicht, wann ich ihn wiedersehe. Doch zumindest für uns ist es hier sicherer – ich hoffe, dass es bald Frieden gibt und wir wieder sicher nach Hause gehen können.“

Jemen, im Juni 2015

Ein Vater hält sein Baby im Arm – überglücklich, dass es überlebt hat und weitgehend wohlauf ist.
© UNICEF/UNI187337/Abdulbaki

Ein Vater hält sein Baby im Arm – überglücklich, dass es überlebt hat und weitgehend wohlauf ist. In einer Schule haben er, seine Frau und das Baby Aisha Unterschlupf und medizinische Betreuung gefunden. Noch kurze Zeit vorher musste er um das Leben seiner Familie bangen.

Denn eine neue Welle der Gewalt hatte die ohnehin prekäre Lage im Land noch verschlimmert. „Vor etwa acht Wochen wurde der Bombenhagel in unserer Heimatstadt immer schlimmer, und ich musste meine Familie in Sicherheit bringen. Im Auto eines Nachbarn sind wir geflohen, hier in diese Schule. Meine Frau war zu dem Zeitpunkt im achten Monat schwanger, und die Wehen setzten bereits ein. Ich danke Gott dafür, dass sie unser Kind sicher zur Welt bringen konnte. Immer wieder sehe ich meinem Kind Aisha in die Augen und denke: Möge deine Ankunft uns Frieden bringen!“

Libanon, im Mai 2015

Amina aus Syrien ist erst 14. Und doch ist sie auch Mutter.
© UNICEF/UNI198614/Aggio Caldon

Amina ist erst 14, selbst noch ein Kind. Und doch ist sie auch Mutter. Sie hält ihren Sohn auf dem Arm – hinter ihr eine provisorische Unterkunft. Sie stammt aus Syrien und musste vor dem anhaltenden Konflikt flüchten. Hier in der libanesischen Bekaa-Ebene ist sie in einem Lager untergekommen, und hier muss sie nun ihr Baby großziehen, in einem Zelt, zwischen Schutt und Geröll, ohne echte medizinische Betreuung.

Zwei Jahre zuvor wurde Amina verheiratet – gegen ihren Willen. Eigentlich wollte sie gerne weiter zur Schule gehen und etwas lernen. Nun ist dieser Traum in weite Ferne gerückt - niemand weiß, wann sie in ihre Heimat zurückkehren kann.

"Born into Danger": Wie sähe es bei uns aus?

Was haben diese Menschen und ihre Kinder durchgemacht? Wie ergeht es täglich den vielen Millionen in Krisenregionen weltweit? Und wie wäre es wohl, wenn wir unsere Babys inmitten von Krieg, Konflikten und Unsicherheit zur Welt bringen müssten?

Dieses Video hilft dabei, sich ein solches Szenario vorzustellen:

UNICEF unterstützt Kinder und Familien in Krisenregionen und auf der Flucht, zum Beispiel durch geschützte Orte für Mütter und Kinder in Flüchtlingscamps und an den Grenzübergängen der Balkan-Route.

Die Kinder in Kriegs- und Krisenregionen weltweit und ihre Eltern benötigen unsere Unterstützung! Helfen Sie mit! UNICEF-Nothilfe: für Kinder im Einsatz

Tim Rohde
Autor*in Tim Rohde

Tim Rohde berichtet aus der Pressestelle über alle aktuellen UNICEF-Themen.