Kinder weltweit

Moona (44): „Mein Herz schlägt in Deutschland“


von Christine Kahmann

Nachdem zwei ihrer Kinder in Syrien entführt wurden, entschlossen sich die Eltern zu einer verzweifelten Flucht. Doch einen richtigen Neuanfang kann die Familie auch zwei Jahre später noch nicht machen: Der Vater und fünf Kinder sind in Deutschland, die Mutter und drei Kinder sitzen in Griechenland fest. Das Warten auf die Familienzusammenführung ist eine Zerreißprobe.

Moona ist aus Aleppo geflohen und wartet darauf, ihre Familie wiederzusehen.

Gemeinsam mit ihren Kindern ist Moona wegen des Bürgerkriegs aus Aleppo geflohen. Seit mehr als zwei Jahren leben sie getrennt voneinander: eine Zerreißprobe für die gesamte Familie.

© UNICEF/Siokou-Siova

Verzögerter Familiennachzug als Zerreißprobe für die Familie

Tränen steigen in die Augen der syrischen Mutter Moona (44), als wir berichten, dass wir aus Deutschland kommen. Bewegt greift sie ihr Telefon und zeigt uns ein Foto. Wir blicken in die fröhlichen Gesichter einer syrischen Familie: Moona, ihr Ehemann und ihre 8 Kinder stehen auf einer Anhöhe. Dahinter zeichnet sich die Silhouette der syrischen Stadt Aleppo ab. „Mein Mann und fünf unserer Kinder leben in Deutschland“, sagt Moona. „Ich vermisse sie so sehr. Wie lange soll ich noch warten, bis ich sie wiedersehen kann?“

Wir unterhalten uns in einem von UNICEF unterstützten Zentrum für geflüchtete Kinder und Familien in Athen. Gemeinsam mit meinem Kollegen Sebastian Sedlmayr bin ich hier, um mich über die Situation von Kindern und Familien zu informieren, die von ihren Angehörigen getrennt wurden und auf die Zusammenführung ihrer Familien in Deutschland warten.

Durch die Tür dringt ausgelassenes Kinderlachen. Omar, Moonas jüngster Sohn, kommt herein, um seiner Mutter sein Spielzeug zu zeigen. Der Junge strahlt vor Begeisterung, als Moona ihm erzählt, woher wir kommen. Dann gesellt er sich wieder zu seinen Spielkameraden.

Im UNICEF Zentrum für Geflüchtete in Athen malt ein Kind.

Ein Kind malt in einem Zentrum für Kinder und Familien in Athen. Hier können Familien sich ausruhen und Kinder spielen. Täglich besuchen rund 100 Mütter und Kinder das von UNICEF unterstützte Zentrum.

© UNICEF/UN030628/Gripiotis

Vom Krieg auseinandergerissen

„Uns ging es gut in Aleppo“, erzählt Moona. „Wir hatten ein Geschäft und ein schönes Haus. Die Kinder sind in die Schule gegangen und meine älteste Tochter hat Medizin studiert.“ Aber dann begann der Krieg und zwei ihrer Kinder wurden entführt. Die Familie wird erpresst und bedroht; schließlich werden die Kinder irgendwo im Niemandsland in der Umgebung von Aleppo ausgesetzt. Verzweifelt macht sich Moona mitten in der Nacht auf die Suche nach ihren Kindern. Als sie die beiden findet, bleibt der Familie keine Wahl als die Flucht, denn das Lösegeld von €40,000 können sie nicht aufbringen und die Entführer drohen täglich, die Kinder erneut zu entführen.

Moonas Ehemann und fünf ihrer Kinder flohen zuerst über die Türkei nach Griechenland. Vor einem Jahr kamen sie dann in einem Ort in der Nähe von Köln an. Dort gehen die Kinder nun zur Schule. Inzwischen hat Moona von ihrer ältesten Tochter eine kleine Enkelin bekommen. Sie hofft, ihr Enkelkind bald persönlich kennenzulernen.

Stolz zeigt uns Moona das Foto ihres 10-jährigen Sohnes Mohamed, der auch in der Nähe von Köln lebt. „Mohamed lernt fleißig und spricht schon fließend Deutsch.“

Moona wollte rasch nachkommen, doch sie wurde in Aleppo von Kugeln getroffen. Ein Jahr verbrachten sie, Omar und zwei seiner Geschwister in Angst und Schrecken in Syrien. Moona musste zwei Operationen überstehen und warten, bis ihre Verletzungen geheilt waren. Noch immer bereitet ihr das Laufen große Schmerzen. In Syrien und auf der Flucht fürchtete Moona jede Sekunde um das Leben ihrer Kinder – noch in der Türkei wurde sie erpresst und bedroht.

Die Erinnerung an diese Zeit verschlägt Moona die Sprache: „Das ist zu schrecklich.“

Zwei Kinder machen zusammen Dehnübungen und freuen sich.

UNICEF unterstützt Kinder- und Familienzentren, die Kindern und Müttern einen Zufluchtsort bieten.

© UNICEF/AAAA94847/Karahalis

Ein Leben in der Warteschleife

Seit September 2016 sind Moona und drei ihrer Kinder in Griechenland und kommen nicht weiter. Erst saßen sie auf Lesbos fest und konnten nicht zu ihrer Familie, die zu dem Zeitpunkt noch in Athen wartete. Und nun harren sie in Athen aus, gefangen zwischen zwei Welten: dem Schwebezustand der Ungewissheit in Griechenland und der Hoffnung, ihre Kinder in Deutschland endlich wieder in ihre Arme schließen zu können.

Der Familiennachzug für syrische Flüchtlinge von Griechenland nach Deutschland läuft schleppend. Gemäß der Dublin-Verordnung müssen Ehepartner und Kinder von geflüchteten Menschen, die sich in Deutschland aufhalten, aus anderen europäischen Staaten innerhalb von sechs Monaten nach Annahme ihres Antrags überstellt werden. Diese Frist wird aber oftmals nicht eingehalten. Trotz offizieller Zusage wartet auch Moona schon seit über sechs Monaten darauf, zu ihrer Familie in Deutschland weiterreisen zu dürfen.

„2017 haben wir die Zusage erhalten, aber wir warten schon seit Monaten auf die Einreise nach Deutschland. Mir wurde gesagt, dass nach der Zusage alles schnell gehen würde, da wir ein “besonderer Fall“ seien, aber die Frist ist schon seit langem verstrichen.“ Moona ist die Ohnmacht und Verzweiflung anzusehen – nur der Gedanke an die Zusammenführung der Familie gibt ihr Kraft. „Mein Herz schlägt in Deutschland. Ich wünsche mir so sehr, dass meine Familie wieder zusammen sein kann, dass meine Kinder zur Schule gehen und einen guten Beruf ausüben können“.

Für einen Moment wieder Kind sein

Kinder spielen im Zentrum für Geflüchtete in Athen mit Bausteinen.

Endlich wieder spielen: im Kinderzentrum haben geflüchtete Kinder die Möglichkeit, wieder Kind zu sein und den Krieg und die Flucht für einen Moment zu vergessen.

© UNICEF/UN030634/Gripiotis

In Athen können Omar und seine Geschwister nicht zur Schule gehen – eine gefühlte Ewigkeit für die Kinder, die sich nur schwer wieder aufholen lässt.

Das Zentrum für geflüchtete Kinder und Familien im Herzen von Athen bietet ihnen einen Zufluchtsort und Unterstützung wie Spielmöglichkeiten und Beratung in Asylfragen. Moona und Omar nehmen zudem an einem Deutschkurs teil. Denn Deutschland ist so nah, und doch so fern.

Aber noch viel lieber als den Deutschkurs mag Omar in dem Zentrum mit den anderen Kindern spielen: Hier kann er endlich für einen Moment Kind sein.

Serie: „Kinderrechte sind grenzenlos”

InfoSerie

Flüchtlinge? Asylbewerber? Migranten? Falsche Frage!

Jedes Kind ist in erster Linie ein Kind, ganz gleich woher es kommt und wo es sich aufhält. Wir setzen uns dafür ein, dass die Mädchen und Jungen über Grenzen hinweg geschützt und gefördert werden – an ihrem Herkunftsort, im Transitland und in einer möglicherweise neuen Heimat. Denn Kinderrechte sind grenzenlos!

Lesen sie mehr dazu in unser Blog-Serie „Kinderrechte sind grenzenlos”.

Mitarbeiterfoto: Christine Kahmann, UNICEF Deutschland
Autor*in Christine Kahmann

Christine Kahmann berichtet aus der Pressestelle über aktuelle UNICEF-Themen.