Pressemitteilung

UNICEF-Bericht „Zur Situation der Kinder in der Welt 2012“

Köln

Fast jedes zweite Kind wächst heute in einer Stadt auf

Soziale Gegensätze verschärfen sich / Millionen Kinder bleiben ausgeschlossen

Nach Schätzungen von UNICEF wachsen weltweit mittlerweile rund eine Milliarde Kinder und Jugendliche in Städten auf – das ist fast die Hälfte aller Kinder. Jedes Dritte von ihnen lebt in einem überbevölkerten Armenviertel. Diese Kinder haben meist keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen, Elektrizität, Gesundheitsversorgung oder Schulen. 30 bis 50 Prozent aller Neugeborenen in den rasch wachsenden Städten und Metropolen der Entwicklungs- und Schwellenländer werden nach der Geburt nicht einmal registriert. Dies ist Ergebnis des UNICEF-Berichts „Zur Situation der Kinder in der Welt 2012“.

„Städte werden für immer mehr Kinder zu Orten der Armut“, erklärte Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland. „Nur wenn Millionen Kinder in Armenvierteln und heruntergekommenen Vierteln nicht länger ausgeschlossen werden, können sich Städte sozial und wirtschaftlich gerecht entwickeln.“

Irak Mädchen UNICEF-Bericht

Bild 1 von 7 | Ein Mädchen in Kirkuk / Irak schleift ein Stück Blech hinter sich her – zum Ausbauen der Unterkunft ihrer Familie. Sie leben in einer mit Vorhängen abgeschotteten Ecke eines alten Fußballstadion – ohne Heizung und Wasser.

© UNICEF/NYHQ2007-2316/Kamber
Brasilien Kinder Straße

Bild 2 von 7 | Aufwachsen in den Städten bedeutet für einen großen Teil der Kinder Armut, Ausschluss und Unsicherheit. Häufig müssen Kinder arbeiten, um die Familie mit zu versorgen – wie diese Jungen in Salvador in Brasilien, die mit kleinen Kunststücken auf der Straße versuchen, Geld zu verdienen.

© UNICEF/NYHQ2006-1335/Versiani
Bangladesch Armenviertel

Bild 3 von 7 | Der Anteil fehl- oder unterernährter Kinder in den Städten wächst. Rupa Begum und ihre 1-jährige Tochter Nupur leben in einem Armenviertel in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Sozialarbeiter verteilen Zusatznahrung an die Haushalte, um Mangelernährung bei den Kindern vorzubeugen.

© UNICEF/NYHQ2009-0609/Noorani
Kolumbien Kinder Straße

Bild 4 von 7 | Für die Kinder in Moravia, einem Armenviertel in der Millionenstadt Medellin in Kolumbien, ist die Straße der Spielplatz. In den Städten gibt es zwar mehr und bessere Bildungsangebote für Kinder als in ländlichen Gebieten. Aber Kinder aus armen Verhältnissen sind hiervon häufig ausgeschlossen.

© UNICEF/NYHQ2009-1786/Markisz
Angola Armenviertel

Bild 5 von 7 | In den Randbezirken von Luanda, der Hauptstadt Angolas, fehlt es an sanitären Einrichtungen, Zugang zu sauberem Wasser und Müllentsorgung. Dieser Kanal – voll mit Unrat und Abwässern – überschwemmt in der Regenzeit das umliegende Gelände.

© UNICEF/NYHQ2011-0140/Williams
Indien Community Mapping

Bild 6 von 7 | Salim Shekh (13) lebt in einem Slum in Kalkutta/ Indien. Zusammen mit anderen Freiwilligen beteiligt er sich an dem Projekt „Community Mapping“ und hilft, eine Karte des Viertels anzulegen und wichtige Daten zusammenzutragen – von Fotos der Hütten und Wege, über die Lage von Wasserstellen und Laternen bis hin zu den Bedürfnissen der 9.000 Bewohner.

© UNICEF/INDA2011-00105/Crouch
Pakistan Überschwemmungen

Bild 7 von 7 | Naturkatastrophen verschärfen zunehmend die Situation von Kindern und Jugendlichen in den Städten – wie hier in Hyderabad. Von den starken Regenfällen und Überschwemmungen in Pakistan im vergangenen Jahr waren über 5 Millionen Menschen betroffen, die Hälfte davon Kinder. Hunderttausende Familien leben in behelfsmäßigen Unterkünften ohne sanitäre Einrichtungen oder Zugang zu sauberem Wasser.

© UNICEF/NYHQ2011-1402/Page

Während die Städte in den Entwicklungs- und Schwellenländern weiter wachsen, werden nach Einschätzung von UNICEF die Bedürfnisse und Rechte der dort lebenden Kinder systematisch übersehen und spielen bei der Stadtentwicklung kaum eine Rolle. Die Folgen für die Kinder sind gravierend:

Unterernährung und Krankheiten: Der Anteil der unter- oder fehlernährten Kinder in den Städten steigt weltweit. Rund 54 Prozent der ärmsten Kinder in den Armenvierteln in Indien sind durch Mangelernährung in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung zurückgeblieben. Impfkampagnen erreichen Kinder in den Armenvierteln oft nicht. Krankheiten wie Lungenentzündung, Tuberkulose und Durchfall verbreiten sich in den überbevölkerten Vierteln leicht.

Unhygienische Verhältnisse: Zwar haben Familien in den Städten besseren Zugang zu sauberem Trinkwasser als auf dem Land. Doch die Versorgung hält mit dem Anstieg der Zahl der Bewohner nicht mit. Die ärmsten Familien sind zudem selten an Leitungsnetze angeschlossen. Sie zahlen bei privaten Wasserverkäufern für einen Liter Wasser bis zu 50 Mal mehr als ihre wohlhabenden Nachbarn. Immer mehr Menschen in den Städten müssen ihre Notdurft im Freien verrichten.

Ausschluss von Bildung: Zwar gibt es in den Städten mehr Schulen – doch diese sind für arme Kinder meist unerreichbar. In der indischen Stadt Delhi geht nach einer Untersuchung knapp die Hälfte der Kinder aus den Armenvierteln nicht zur Schule.

Schutzlosigkeit: Millionen Kinder und Jugendliche leben und arbeiten als Lumpensammler, Schuhputzer oder Zigarettenverkäufer auf der Straße. Sie sind Übergriffen und Ausbeutung ausgeliefert und werden häufig kriminalisiert, verjagt oder misshandelt. Eltern schicken ihre Töchter vom Land in die Stadt, wo sie in privaten Haushalten schuften.

Armut und Unsicherheit: Viele Siedlungen sind illegal – die Hütten werden nur kurzfristig geduldet und die Familien müssen jeden Tag damit rechnen, vertrieben zu werden. Wegen der permanenten Unsicherheit scheitern auch Bemühungen, die Lebensverhältnisse zu verbessern. Weil die Bewohner nur über sehr geringe Mittel verfügen, wirken sich bereits kleine Preissteigerungen dramatisch aus. Viele Familien müssen zwischen 50 und 80 Prozent ihres Einkommens für Nahrung ausgeben.

Gewalt und Kriminalität: Eine Untersuchung in 24 der 50 reichsten Städte der Welt zeigte, dass ein hohes Maß sozialer Ungleichheit einhergeht mit hoher Kriminalität und Gewalt. Kinder, die in einer solchen Atmosphäre aufwachsen, leiden häufig an Angst, Depression, Aggression und verminderter Selbstkontrolle. Viele brechen die Schule ab und schließen sich Gangs an, weil sie sich dort Zugehörigkeit und finanzielle Vorteile erhoffen.

Naturkatastrophen: Naturkatastrophen wie Wirbelstürme, Fluten, Schlammlawinen und Erdbeben verschärfen zunehmend die Situation von Millionen Kinder und Jugendliche in den Städten. Arme Familien, die in instabilen Hütten an Abhängen, Kanälen oder auf tiefer gelegenem Gelände leben, sind der Naturgewalt unmittelbar und schutzlos ausgeliefert.

Städte als Lebensraum für Kinder

Mit seinem „Bericht zur Situation der Kinder in der Welt 2012“ ruft UNICEF Regierungen, Stadtverwaltungen, Unternehmen und Zivilgesellschaft dazu auf, die Grundbedürfnisse und Rechte der Kinder in den Städten sicher zu stellen.

  • Ausschluss der Kinder aus armen Familien stoppen: Die Rechte der ärmsten Kinder auf Überleben, Entwicklung, Schutz und Beteiligung müssen in den Städten sichergestellt werden. Der Schutz vor Naturkatastrophen, Gewalt und Kriminalität muss dringend verbessert werden.
  • Sicheren Aufenthalt ermöglichen: Besondere Aufmerksamkeit muss darauf gelegt werden, den Familien einen sicheren Aufenthalt zu ermöglichen, um die Entwicklung eines Stadtteils langfristig voranbringen zu können.
  • Den Armen Gehör verschaffen: Die armen Bevölkerungsgruppen – und insbesondere Kinder und Jugendliche – müssen bei den Planungen zur Entwicklung von Stadtteilen und Gemeinden von den Stadtverwaltungen und Regierungen gehört und beteiligt werden.
  • Dokumentation und Information zur Lage in den armen Stadtvierteln: Bis heute fehlen in den meisten Metropolen umfassende Informationen über die Lage der ärmsten Bevölkerungsgruppen. Diese sind notwendig, damit ihre Interessen von der Politik nicht länger übersehen werden können.


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