© UNICEF/UNI40199/Lunkenheimer"Lange Wörter klingen in den meisten Sprachen sehr ähnlich."
Menschen für UNICEF

Sir Peter Ustinov: Auf den Respekt kommt es an

Er war der skeptischste Optimist, den es je gab. Vor 20 Jahren starb der weltberühmte Schauspieler, Schriftsteller, Regisseur und UNICEF-Botschafter Sir Peter Ustinov. Seine Gedanken sind aktueller denn je.


von Rudi Tarneden

Sir Peter Ustinov mochte Menschen, besonders Kinder. Er war davon fasziniert, dass sie noch frei sind von Vorurteilen. Erst Schule, Erziehung, Religion und schlechte Erfahrungen geben nach seiner Überzeugung den Wurzeln von Hass, Gewalt und Krieg immer neue Nahrung. Vorurteile waren für ihn „gefrorene Meinungen“, gegen die er mit Humor und Leidenschaft ankämpfte.

Peter Ustinovs Leben war die geglückte Reise eines begabten Kindes. Es begann am 16. April 1921 in London in einer Familie mit russischen, deutschen, französischen und italienischen Wurzeln. Selten kommen so viele Talente in einem Menschen zusammen: Ein Schauspieler, der zwei Oscars gewann, Opern inszenierte, rund 20 Bücher und Theaterstücke schrieb, mit seiner One-Man-Show Menschen auf der ganzen Welt begeisterte, der acht Sprachen beherrschte, oder zumindest so imitieren konnte, dass jeder das Gefühl hatte, ihn zu verstehen.

Im UNICEF-Archiv gibt es Bilder und Super-8-Aufnahmen, wie der Weltstar während eines Projektbesuchs in Asien vor einer Gruppe von Kindern auf dem Rasen kniet. Sir Peter suchte den Kontakt mit Menschen immer auf Augenhöhe – und wenn, wie in diesem Moment, ausnahmsweise eine seiner vielen Sprachen nicht reichte. Dann fand er eine andere Lösung: "In Thailand habe ich bellen gelernt", kommentierte er die Aufnahmen, auf denen zu sehen ist, wie die Kinder kreischend und lachend über ihn klettern.

"Lange Wörter klingen in den meisten Sprachen sehr ähnlich."

"Lange Wörter klingen in den meisten Sprachen sehr ähnlich" - Sir Peter Ustinov.

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Dabei sah er sehr wohl, dass auch Kinder gemein und manchmal grausam zueinander sein können. Denn Menschen sind nicht von Natur aus gut. Aber: "Alle Menschen haben die Möglichkeit, gut zu sein. Es ist eine Sache der Wahl, der persönlichen Entscheidung."

Auf den Respekt kommt es an

"Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass der Hass auf andere Menschen Selbsthass ist, getarnter Selbsthass", schrieb er in einem seiner letzten Bücher. "Wer andere verachtet, kann sich selbst nicht mögen."

Aber was ist das Gegenmittel gegen den Hass, der so oft die Öffentlichkeit und das Zusammenleben vergiftet? Sir Peters Antwort: "Nicht nur auf Toleranz des mir Fremden, auf den Respekt kommt es mir an. Denn der oder die andere, der oder die mir da auf der Straße im Rollstuhl oder in einem fernen Land begegnet: Der oder die andere könnte ich selber sein. Nur ein Zufall, nichts als ein Zufall hat es anders gewollt."

Peter Ustinov mit Kindern in China

"Wenn man sehr alt wird, versteht man, dass die Kinder die richtigen Ideen haben. Wenn sie sich nur durchsetzen könnten" – Sir Peter Ustinov.


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Zutiefst distanziert stand er Zeit seines Lebens allem Militärischen gegenüber, das die Konflikte auf der Welt mit Macht und Gewalt beherrschen will – statt deren Ursachen zu bekämpfen. "Ich denke, der Terrorismus ist ein Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen. Der Krieg ist kein Mittel im Kampf gegen den Terrorismus."

Dieser unfassbar neugierige und komische Mensch war ein Virtuose der Verständigung. Jede Form der Überheblichkeit war ihm fremd. Ustinov, der wahrscheinlich allen berühmten Persönlichkeiten seiner Zeit irgendwann einmal die Hand geschüttelt hatte, den die Queen in den Adelsstand erhoben hatte, kam es nicht darauf an, was jemand darstellt, sondern was für ein Mensch jemand ist, sein Charakter.

Auf einer UNICEF-Pressekonferenz in Bonn erklärte er 1996: "Da sind sehr viele unterentwickelte Leute in der ersten Welt, und sehr viele entwickelte Leute in der dritten."

Peter Ustinov spricht auf  dem UN-Gipfel in Kopenhagen

"Leider ist UNICEF eine Notwendigkeit. Warum? Weil die Großen so dumm sind und oft so kriminell" – Sir Peter Ustinov.

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Nicht nur ein Star unter den Stars, sondern eine Milchstraße voller funkelnder Möglichkeiten

Wer Sir Peter begegnete oder ihn auf der Bühne erlebte, war gebannt von der physischen Präsenz dieses etwas rundlichen Mannes mit seinen warmen, weichen Händen. Seine ganze Erscheinung hatte etwas Leichtes und Tänzerisches. Er schien immer ganz bei sich zu sein. Die freundlichen, wachen Augen waren immer in Bewegung, auf der Suche nach neuen Eindrücken, jederzeit bereit, diese in sein schier grenzenloses Repertoire zu überführen.

Blog

Der Verteidiger der Kindheit

Wie ein Kind, das lachend den merkwürdigen Onkel nachahmt. Anders als die zynischen Pointen, die heute zum guten Ton vieler Comedians und der Häme-Spezialisten in den sozialen Medien gehören, speiste sich sein Humor aus Mitgefühl und Menschlichkeit. Sein Verstand war scharf und seine Worte kritisch, aber seine Art war nie verletzend.

Peter Ustinov besucht Kinder in Guatemala.

"Ich bin ein Optimist – weil ich keine Alternative dazu sehe" – Sir Peter Ustinov.

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Im Dezember 1999 bereiteten wir von UNICEF Deutschland die Vorstellung des Berichts zur Situation der Kinder in der Welt in Berlin vor. Die damalige internationale Exekutivdirektorin von UNICEF, Carol Bellamy, versuchte uns von etwas zu überzeugen. Die waschechte New Yorkerin redete wie ein Maschinengewehr mit ihrem harten Akzent auf uns ein und wir verstanden immer weniger.

Sir Peter verfolgte die wachsende Hilflosigkeit am Tisch angesichts des Temperaments der internationalen UNICEF-Chefin. Da nahm er lächelnd ihre Hand, schaute sie an und sagte: "Oh Carol, I like when you are working!"

Auch vor Albernheit und purem Nonsens hatte er keine Angst, denn er vertraute auf die Kraft des Lachens in einer Welt voller Ungerechtigkeit, Vorurteile und Not. "Denn das Lachen ist das einzige, was uns vom Tier unterscheidet."

Nationalität – Vereinte Nationen

Ustinov sitzt mit Kindern an einem Tisch.

"Sie lieben Ihre Kinder, weil sie ein Teil von Ihnen sind. Aber was ist das anderes als eine Anerkennung für eine viel größere Familie als ihre eigene?" – Sir Peter Ustinov

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Peter Ustinov zwischen Statuen.
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Peter Ustinov in Kambodscha.
© UNICEF/UNI28873/Charton

Wenn ich meine Nationalität frei wählen könnte, würden es die Vereinten Nationen sein, da fühle ich mich zu Hause.

Ganz natürlich verkörperte Sir Peter so für drei Jahrzehnte "Mr. UNICEF".

Mit jedem Kind beginnt die Welt in gewissen Sinne neu. Wir alle waren einmal Kinder. Auf seine ihm eigene Art fasste Sir Peter Ustinov dies vor 60 Jahren in geschliffenem Französisch auf einer Veranstaltung in Paris zusammen: "Es ist nicht zu leugnen, dass große Staatsmänner, Politiker, religiöse und militärische Würdenträger oder unsere Kriminellen alle unterschiedlich sind. Aber im Alter von vier Wochen machen sie ihren Müttern dieselben Sorgen. So kann man sagen: Die Kindheit ist das beste Symbol unserer Gleichheit und unserer Hoffnung.“

Ein historisches Gespräch mit dem Weltstar aus den 1960er Jahren mit dem Journalisten Friedrich Luft steht in der ARD Mediathek.

* Der Autor des Blogs, Rudi Tarneden, war viele Jahre Sprecher von UNICEF Deutschland. In dieser Funktion hat er mit Sir Peter Ustinov bis zu dessen Tod am 28.3.2004 eng zusammengearbeitet.

Rudi Tarneden
Autor*in Rudi Tarneden

Rudi Tarneden war von 1995 bis 2023 Sprecher von UNICEF Deutschland.