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Libanon: Wasserversorgungssysteme am Rande des Zusammenbruchs

Köln/ Beirut

Über 71 Prozent der Menschen könnten Zugang zu Trinkwasser verlieren

Mehr als vier Millionen Menschen im Libanon sind davon bedroht, ihren Zugang zu sauberem Wasser zu verlieren – darunter eine Million geflüchtete Menschen. Angesichts der sich rapide verschlimmernden Wirtschaftskrise, fehlender finanzieller Mittel sowie einem Mangel an Treibstoff, Chlor und Ersatzteilen geht UNICEF davon aus, dass ein Großteil der Wasserversorgung in den nächsten vier bis sechs Wochen nach und nach ausfallen wird.

Libanon: Mutter wäscht sich mit Tochter über improvisierten Waschbecken die Hände.

Libanon 2021: Mutter und Tochter waschen sich in der Notunterkunft über einem improvisierten Waschbecken die Hände.

© UNICEF/UN0482539/Haidar

"Die aktuelle Wirtschaftskrise im Libanon bringt die Wassersysteme an den Rand des Zusammenbruchs. Zu den Gründen gehören hohe Wartungskosten, Trinkwasserverluste aufgrund von Nutzwasser sowie der gleichzeitige Zusammenbruch des Stromnetzes und drohende steigende Treibstoffkosten", sagte Yukie Mokuo, UNICEF-Repräsentantin im Libanon. "Wenn Haushalte ihren Zugang zur öffentlichen Wasserversorgung verlieren, könnten sie sehr schwierige Entscheidungen in Bezug auf ihre grundlegende Wasser- und Sanitärversorgung und ihre Hygiene treffen müssen.“

UNICEF geht davon aus, dass die Wasserkosten um 200 Prozent pro Monat in die Höhe schnellen könnten, wenn das öffentliche Versorgungssystem zusammenbricht und Haushalte auf alternative oder private Anbieter angewiesen sind. Viele der besonders extrem gefährdeten Haushalte im Libanon können sich dies nicht leisten, denn die Kosten machen 263 Prozent des monatlichen Durchschnittseinkommens aus.

Ergebnisse des Berichts

Laut einer von UNICEF unterstützten Analyse auf Basis von Daten, die von den vier größten öffentlichen Wasserversorgungsunternehmen des Landes im Mai und Juni 2021 erhoben wurden:

  • sind mehr als 71 Prozent der Menschen zu einem „sehr kritischen“ und „kritischen“ Grad gefährdet;
  • stehen fast 1,7 Millionen Menschen nur 35 Liter pro Tag zur Verfügung, ein Rückgang um fast 80 Prozent verglichen mit 165 Litern pro Tag vor 2020;
  • können sich öffentliche Anbieter wesentliche Ersatzteile für die Wartung nicht mehr leisten;
  • sind die Preise für die privatwirtschaftliche Wasserversorgung seit 2020 um 35 Prozent gestiegen, die Kosten für Wasserflaschen haben sich verdoppelt;
  • überlasten Stromausfälle und die unregelmäßige Stromversorgung die Wassersysteme und unterbrechen die Aufbereitung, das Pumpen und die Verteilung von Wasser;
  • gehen auf nationaler Ebene etwa 40 Prozent des Wassers wegen Lecks verloren, meist wegen mangelnder Wartung und illegalen Anschlüssen.

Wassersystem hängt am seidenen Faden

"Mitten im Sommer, wo die Covid-19-Fallzahlen aufgrund der Delta-Variante wieder zunehmen, hängt das wichtige Wassersystem im Libanon am seidenen Faden und könnte jeden Moment zusammenbrechen", sagte Yukie Mokuo.

"Wenn wir jetzt nicht schnell gegensteuern, werden Krankenhäuser, Schulen und wichtige öffentliche Einrichtungen nicht mehr funktionieren und über vier Millionen Menschen werden auf unsichere und teure Wasserquellen zurückgreifen müssen. Dies wiederum würde die Gesundheit von Kindern gefährden und hätte unmittelbar negative Folgen für die öffentliche Gesundheit. Aufgrund mangelnder Hygiene würden Krankheiten im Libanon zunehmen. Frauen und heranwachsende Mädchen würden ohne Zugang zu sicheren sanitären Anlagen vor besonderen Herausforderungen stehen, die ihre persönliche Hygiene, ihren Schutz und ihre Würde betreffen.“

UNICEF benötigt 40 Millionen US-Dollar pro Jahr, um die Wasserversorgung von über vier Millionen Menschen im ganzen Land aufrechtzuerhalten - durch die Sicherstellung der Mindestmengen an Treibstoff, Chlor, Ersatzteilen und Wartungen, die erforderlich sind, um grundlegende Systeme betriebsbereit zu halten und um den Zugang und den Betrieb der öffentlichen Wassersysteme zu gewährleisten.

UNICEF arbeitet eng mit den öffentlichen Wasseranbietern zusammen, um besonders gefährdete Kinder und Frauen im Libanon zu erreichen. Während der Covid-19-Pandemie hat UNICEF mithilfe der bestehenden Wasserinfrastruktur die Versorgung mit sicherem Wasser in Gemeinden im ganzen Land unterstützt.

"Wir werden die Gemeinden weiterhin unterstützen, soweit es unsere Ressourcen zulassen, aber die alarmierende Situation erfordert eine schnelle und langfristige Finanzierung", sagte Yukie Mokuo. "UNICEF steht zur Unterstützung bereit, um sicherzustellen, dass das Recht auf sauberes Wasser für Kinder und Familien in dieser für den Libanon kritischen Zeit Wirklichkeit wird."

Service für Redaktionen

» Der vollständige englischsprachige Bericht steht hier zum Download zur Verfügung.