Biografie Gustav Rau

Biografie Dr. Gustav Rau – ein Leben für die Kinder und die Kunst

Teil 1: Der Weg schien vorbestimmt

Dr. Gustav Rau (1922-2002) widmete sein Leben Kindern in Afrika und der Kunst. Seine überaus wertvolle Kunstsammlung vermachte er UNICEF.

Der Sohn einer Industriellenfamilie studierte Wirtschaftswissenschaften, um anschließend in die lukrative väterliche Firma einzutreten. Doch mit 40 Jahren scherte er aus und begann neben der Leitung der ererbten Fabrik ein Studium der Tropenmedizin und Kinderheilkunde. Schließlich verkaufte Dr. Dr. Rau das Unternehmen und widmete sein Leben fortan zwei Leidenschaften – der Kunst und den Kindern.

Seine einzigartige Kunstsammlung schenkte er UNICEF, um auch über den Tod hinaus für die Ärmsten der Armen da sein zu können. „Ich weiß meinen materiellen Besitz nun in guten Händen“, sagte Gustav Rau. „Ich vertraue ihn einer Organisation an, die sich dem einzigen Sinn verschrieben hat, den ich auch meinem Leben gegeben habe: der Hilfe für Not leidende Kinder.“

Einweihung des Krankenhauses in Ciriri am 23. November 1983. Foto: UNICEF.

Bild 1 von 3 | Gustav Rau bei der Einweihung des Krankenhauses in Ciriri am 23. November 1983.

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UNICEF-Stifter Dr. Dr. Gustav Rau. Foto: UNICEF

Bild 2 von 3 | UNICEF-Stifter Gustav Rau widmete sein Leben der Kunst und den Kindern.

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Gustav Rau in Afrika Anfang der 70er Jahre. Foto: UNICEF.

Bild 3 von 3 | Gustav Rau bei einem Besuch in Afrika Anfang der 1970er Jahre.

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Zunächst sah es ganz so aus, als würde Gustav Paul Ludwig Rau, geboren am 21. Januar 1922 in Stuttgart, in die Fußstapfen seines Vaters Gustav Rau treten, der die Spezialwerkzeugfabrik SWF zu einem erfolgreichen Autozuliefererbetrieb gemacht hatte. Der einzige Nachkomme beschrieb seine Kindheit und Jugend nach Aussagen von Zeitzeugen als glückliche Zeit. Von seiner Mutter Elisabeth, geborene Wieland, Tochter eines Professors für Harfe in Antwerpen, hatte er seine Liebe zur Kunst geerbt. Er besuchte zunächst ein Reform-Realgymnasium, das Abitur legte er 1941 mit Blick auf die väterliche Firma an einer Stuttgarter Wirtschaftsoberschule ab.
1942 folgte der Student der Wirtschaftswissenschaften widerwillig der Einberufung in die Wehrmacht. Wie sein Vater lehnte Rau das Naziregime ebenso ab wie den von Deutschland begonnenen Krieg. Bei erster Gelegenheit werde er desertieren, vertraute er seinem Freund Werner Kohlheim an. Seine Aufgaben als Soldat beschränkten sich auf Büro- und Dolmetschertätigkeiten. 1944 ergab er sich in den Niederlanden der Britischen Armee und kam in Kriegsgefangenschaft.

Nach der Freilassung nahm Gustav Rau 1947 sein Studium wieder auf. Mit einer Dissertation über „Die Herleitung des sozialistischen Eigentumsbegriffs aus den ethischen Postulaten der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Gemeinschaft“ wurde er 1950 in Tübingen zum Dr. rer. pol. promoviert. Gemeinsam mit seinem Vater leitete er den Autozulieferer-Betrieb SWF in Bietigheim, doch sein Herz hing nicht daran. Nach dem Tod seiner Eltern beschritt er ab 1963 mit einem Medizinstudium und der Promotion zum Dr. med. 1970 seinen eigenen Weg, der ihn zu Not leidenden Kindern im Herzen Afrikas führte.

Sein Vorbild war Albert Schweitzer, den er noch kurz vor dessen Tod in Lambarene besucht hatte. 1972 veräußerte Gustav Rau den elterlichen Betrieb an einen amerikanischen Konzern. Der Verkauf erbrachte 443 Millionen Mark und die Freiheit, einen Lebenstraum in die Tat umzusetzen. 1974 ging er zunächst als Arzt nach Nigeria in das „Sacred Heart Hospital“ in Abeokuta. „Fast nichts lässt sich mit europäischen Verhältnissen vergleichen. Kreislaufkrankheiten scheinen hier nicht zu existieren (auch mein Blutdruck ist schon auf unternormales Niveau gesunken)“, berichtet Rau am 14.9.1974 aus Abeokuta. „Blinddärme, so könnte man meinen, haben die Afrikaner nicht, Dermatosen präsentieren sich auf der schwarz-samtenen Haut ganz anders als auf heller (wir Weisse, insgesamt ca. 20 Stück in ganz A. mit seinen 100.000 Einwohnern, werden von den Einheimischen als „Menschen ohne Haut“ bezeichnet), Mme. Anopheles sieht jeden in dieser hyperendemischen Region mindestens einmal täglich (so werden Malaria-Prophylaktika hier angepriesen wie bei uns Bier), die Gonorrhoe ist eine Volksseuche, weshalb ektopische Schwangerschaften zum täglichen Brot gehören, die falsche Ernährung spielt eine Riesenrolle bei den Leiden der hiesigen Menschen, die Kindersterblichkeit ist noch riesengroß.“ Und er muss gestehen: „Eines fehlt mir hier schon ein bisschen: der thrill der schönen Künste.“

Die Verwirklichung eines Lebensziels
Dr. Rau wollte lieber selbst „nach eigenen Plänen und mit eigenen Händen“ ein Krankenhaus für die Ärmsten der Armen bauen. Im Osten des damaligen Zaires (heute Demokratische Republik Kongo) wurde sein Traum Wirklichkeit. Beeindruckt durch Berichte über die Berglandschaft des Kivu, kam er im Januar 1977 nach Ciriri, Provinz Bukavu, hoch über dem Kivu See gelegen. 1979 erhielt er die Erlaubnis, dort ein Krankenhaus zu errichten. Die Bauarbeiten begannen 1980, die erste Gebäude – 4.000 m² überdacht – wurden am 23. November 1983 mit Eröffnung der Kinderstation vom Gouverneur der Region eingeweiht.

Die Not der Menschen, besonders die weit verbreitete chronische Mangelernährung zu lindern, wurde Gustav Raus Antrieb. Im November 1988 arbeiteten zwei Ärzte, fünf Krankenschwestern, fünf Betreuerinnen und 18 weitere Mitarbeiter für allgemeine Dienste im Hospital. Durchschnittlich wurden 2.000 Erwachsene und Kinder pro Jahr behandelt und 8.000 Menschen täglich mit Nahrung und Medikamenten versorgt. Als der Bürgerkrieg im benachbarten Ruanda ausbrach, stieg die Zahl der Hilfesuchenden zeitweise auf 15.000 an.

Helfen, wo es nur geht

Im angeschlossenen Ernährungszentrum führte Rau höchst erfolgreich den Kampf gegen den Hunger – schon 1989 galt Mangelernährung in der Region als besiegt. Besonders die Verteilung von Milchbrei für Kinder erwies sich als äußerst wirksam. „Im Umkreis von zwei Stunden Fußmarsch gibt es praktisch keine mangelernährten Kinder mehr, die eine Behandlung im Krankenhaus brauchen“, heißt es in einem Bericht von November 1988.

Die kleinen Patienten blieben zwischen drei und vier Monaten im Hospital, um drei bis fünf Kilogramm zuzunehmen. Zucker war strikt verbannt und wurde durch Bananen ersetzt, weil sie nahrhafter sind und lokal produziert werden konnten, selbst in 1.900 Metern Höhe. Auf dem Speiseplan standen morgens Maisbrei, gefolgt von Bananen; um zehn Uhr Milch mit Bananen; mittags Standardbrei aus einem Drittel Mais, einem Drittel Bohnen und einem Drittel Gemüse plus Bananen; abends Standardbrei plus Bananen. Schwere Fälle erhielten zusätzlich je nach individuellen Symptomen unter anderem einen Flüssigbrei zur Rehydratation. Das Rezept ist in einem Bericht über die Arbeit des Krankenhauses überliefert: 1 kg reifer zerstampfter Bananen, gemischt mit 1 l Wasser plus 7 g Küchensalz plus 5 g Natronbicarbonat. Viele Patienten litten auch an Wurmerkrankungen (80 %), Malaria (20 %), Anämie (10 %), Austrocknung (4 %) sowie Hautkrankheiten und Bindehautentzündungen.

Um die Situation der Menschen in der Region langfristig zu verbessern, sorgte Rau neben Impfungen für die gesamte Bevölkerung auch dafür, dass 30.000 Kinder zur Schule gehen konnten. Bedürftige Familien erhielten das Schulgeld bis zur sechsten Klasse erstattet. Außerdem wurden eine Bibliothek und ein Lernzimmer auf dem Krankenhaus-Gelände eingerichtet. Jeden Mittwoch und Samstag wurden Frauen in Erziehungs- und Hygienefragen unterrichtet. Familienplanung war ebenfalls ein Thema. Hilfe fanden auch Diabetiker, für die Rau Insulin zur Verfügung stellte. „Niemand kann sich dieses noch in d. Apotheke kaufen, bei d. irren Preisen die dort dafür verlangt werden. Wir geben’s gratis weiter … besonders an jugendliche Diabetiker, die ohne ni[cht] leben können. … Es geht weg wie warme Wecken“, schreibt Rau.

Das Krankenhaus in Ciriri heute

Heute fungiert das Krankenhaus in Ciriri als Referenzhospital für die gesamte Region Süd-Kivu und ist auch für 34 Gesundheitsstationen im Umland zuständig. Rund 215.000 Menschen leben im Einzugsgebiet des 130-Betten-Krankenhauses. 8.500 Menschen werden jedes Jahr ambulant behandelt. Es wird in der Trägerschaft der Erzdiözese Bukavu geführt, von Caritas International verwaltet und aus Mitteln des Nachlasses von Gustav Rau von der UNICEF-Stiftung sowie der in Zürich ansässigen Stiftung Dr. Rau finanziell gefördert.

Trotz seines Wohlstandes lebte Rau zurückgezogen und bescheiden. Hans Kohlheim, dessen Vater mit Rau befreundet war, beschreibt ihn als Hünen von Statur, impulsiv, schallend lachend, auch mal laut einen Gassenhauer singend und häufig von Unruhe getrieben. Für den ein oder anderen mag er anstrengend gewesen sein, auch wegen mancher Eigenwilligkeit, so der Zeitzeuge. Ohne die sei seine Lebensleistung aber kaum denkbar. Bewundert habe er Rau auch für seine Weltläufigkeit und seine Höflichkeit. „Auch Kinder kamen bei ihm zu Wort, langweilig war er auch für sie nie.“

Prunk und Protz waren dem Humanisten zuwider. Einen Luxus leistete er sich dennoch: Er sammelte Kunst. Bei Museumsbesuchen mit seinen Eltern war seine Liebe zur Malerei geweckt worden, besonders für holländische und flämische Meister sowie für Skulpturen.

1958 legte er den Grundstein für seine eigene Sammlung und erstand im Stuttgarter Kunsthaus Bühler sein erstes Gemälde – „Die Köchin“ von dem niederländischen Maler Gerard Dou. Das „Sammlervirus“ hatte ihn gepackt: von seinem Krankenhaus in Ciriri aus reiste er zu Auktionen in Paris, London und New York. Nach und nach entstand eine der außergewöhnlichsten Privatsammlungen der Welt. Mindestens 2.200 Kunstobjekte erwarb Gustav Rau im Laufe der Jahre – viele davon verkaufte er wieder, wenn er Geld für seine Arbeit in Afrika brauchte oder bestimmte Sammlungsgebiete ihn nicht länger interessierten.

Seine Sammlung liest sich heute wie das „Who is Who?“ der Kunstgeschichte vom Mittelalter bis zu den Impressionisten des 20. Jahrhundert: Fra Angelico, Pierre Bonnard, Paul Cézanne, Lucas Cranach, Jean-Honoré Fragonard, El Greco, Max Liebermann, Claude Monet, Camille Pissarro, Guido Reni, Auguste Renoir und viele andere sind vertreten.

Ein Sammler mit ganz speziellen Vorstellungen

„Ich habe immer nur gekauft, was mir gefällt“, sagte Dr. Rau einmal. An Renoirs „Frau mit Rose“ reizte ihn der melancholische Blick, an Dégas’ Portrait, dass es das letzte Selbstbildnis vor der Erblindung des Künstlers war. Sein besonderes Interesse galt dem Bild des Menschen mit all seinen Facetten und insbesondere dem Porträt. Außerdem faszinierten ihn der Blick ins Weite der Landschaft wie auch die fast mikroskopisch exakte Nahsichtigkeit des Stilllebens.

Manchmal waren es, wie Zeitzeugen schildern, Zufälle, die ihm das ein oder andere Kunstwerk in die Hände spielten. Während die Kunsthändler wegen Nebels auf dem Londoner Flughafen nicht landen konnten, ersteigerte Dr. Rau in aller Ruhe einen Cézanne. Er war aufgrund des gemeldeten Wetters vorsichtshalber mit dem Schiff gereist. Wenn möglich, fuhr er mit der Bahn und nahm einen Picknickkorb mit. Es wird sogar berichtet, dass er vom Londoner Flughafen Heathrow zu Fuß zur Auktion bei Sotheby’s oder Christie’s ging. Ähnliche Fußwanderungen sind auch von anderen Städten überliefert.

Der sparsame Schwabe machte es seinen Zeitgenossen nicht immer leicht: Am 7.5.1984 tadelte er beispielsweise seinen Sammlungsbeauftragten und späteren Privatsekretär – auf mit Schreibmaschine dicht beschriebenem, dünnen Luftpostpapier und mit der für ihn typischen Neigung zu Abkürzungen: „So ist es eben eine Tatsache, dass ich nie meine Zustimmung zum Erwerb eines Bürosessels gegeben haben kann – weil ich Ihnen beim geringsten Antippen eines entsprechenden Wunsches meinen blauen Bürorollstuhl (…) angeboten hätte. Ich selbst hätte mich dann bei meinen immer kürzer werdenden Aufenthalten in Mars[eille] wieder meines mir so bequemen, weil hohen weißen Kinderzimmerstuhls bedient, wie Jahrzehnte hindurch…“

Geld spielte für den Multimillionär nur insofern eine Rolle, als dass es ihn in die Lage versetzte, anderen Menschen helfen zu können. „A propos, ich brauche viel Geld“, schrieb er im August 1989 an seinen Mitarbeiter. „Und Ciriri kostet ein Heidengeld: Sonntags, wie heute, gleicht der Platz unter d. gr. Baum einer griech. Agora, bloss dass man dorthin weniger zum Essen ging. Um 6 Uhr morgens, wenn’s noch ganz kalt ist, kommen sie, zuerst die ganz Alten, die seit dem Vortag ni[cht] gegessen haben, natürlich auch bei mir, dann die Mütter für die bouillie standard f. sich selbst u. dem Milchbrei für ihre Kinder. Und dann geht’s weiter, bis in den Nachmittag hinein, quer durch alles Alterstufen, wobei viele 2 mal am Tag kommen. Allein an Mais verbrauchen wir ni[cht] viel weniger als 1 t – und 1/3 davon an Bohnen. Dann die Gehälter, Strom, Wasser, bis zu den Medikam[enten] der Stationären und der Ambulanten, die um 11 h an der Reihe sind, u. gratis versorgt werden, schon allein weil sie keinen Rappen aufzubringen vermöchten. Beim Grundschulgeld sind wir schon bei 22.000 Eingeschriebenen für das in 3 Wochen beginnende Schulj. --- Sie sehen, ich muss nun an die Substanz gehen u. dabei so spät als möglich an die Juwelen im übertragenen Sinne. So mö[chte] ich […] als erstes hochkarätiges Bild unseren 4. Pissarro hergeben – und dann eben so ziemlich das ganze Kunstgewerbe“.

Die Menschen gehen immer vor

Im Zollfreilager Embraport nahe des Züricher Flughafens lagerten seine Bilder in einem unterirdischen Tresorraum, jahrelang verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit. Den Gedanken, ein Museum in Marseille – dem „Tor zu Afrika“ – zu bauen oder wenigstens eine Ausstellungshalle im schweizerischen Embrach, gab Rau wieder auf, um weiter helfen zu können.
„Am 1.1. habe ich hins[ichtlich] des Weitergangs der Dinge in Mars[eille] und Embr[ach] eine endgültige Entscheidung getroffen“, schrieb er am 4.1.1990 an seine Vertrauten. „…als es draußen stürmte u. regnete, alles bei einer Affenkälte, und als wir wieder rd. 10.000 Auswärtige zum Essen (neben unseren stationären Patienten) hatten, das täglich zwischen 6 h u. 16.30 h ausgeteilt wird (gekocht wird 24 Std./24.Std), nämlich dahingehend, dass ich alle Arbeiten in M[arseille] einstelle u. den gesamten Kunstschatz verkaufe, um den Erlös den Menschen hier (oder anderswo in der 3. Welt) zur Verfügung zu stellen, möglichst noch Zeit meines Lebens. Sie haben (…) nur allzu gut gemerkt (…), wie sehr mich der Entschluss bedrückte. Nun ist er unumstößlich geworden. Wenn ich anders handelte, würde ich mich schuldig fühlen.“ Und er setzte noch hinzu: „Ich würden den ganzen Rest m[einer] Tage ein schlechtes Gewissen haben, ist die Not doch hier schlechtweg unbeschreiblich.“

Eigene Krankheit und der Bürgerkrieg im Kongo machten es ihm unmöglich, länger in Afrika zu bleiben. Am 12. Januar 1991 schreibt Gustav Rau: „Das Zigeunerleben (zw. Afrika und Europa, zu dem ich inf. einer existentiellen Lebensentscheidung gezwungen bin) möchte ich ni[cht] ohne zwingenden Grund fortsetzen… Bei m[einer] Rückkehr nach hier, habe ich eine katastrophale Situation vorgefunden. … Die Preise klettern wie verrückt. In der Stadt wundert man sich, dass wir noch mithalten können mit unserer laufend steigenden Zahl von Benefizanten. … Nun wird’s in ein paar Tagen zum Krieg kommen. Schreckliches wird passieren – und die Folgen sind noch unabsehbar. … Hier in der Stadt sind viele Schaufenster durch Notvermauerungen geschlossen. Medikamente gibt’s so gut wie ni[cht] mehr.“ 1993 verlässt er Ciriri schweren Herzens und zieht nach Monaco.

Als sein Gesundheitszustand sich verschlechterte, versuchte sein damaliger Anwalt, ihn für geschäftsunfähig erklären zu lassen und ihm die Verfügungsgewalt über sein Vermögen zu entziehen. Es folgte ein langer Rechtsstreit, der 2000 endgültig zugunsten von Dr. Rau entschieden wurde. Im Zuge dieses Streits beschloss der Philanthrop, sein humanitäres Lebenswerk nicht über seine diversen Stiftungen, sondern über UNICEF Deutschland zu vollenden. Bereits im Oktober 1999 schloss er den Erbvertrag ab. Zwei Jahre später schenkte er im Vorgriff auf das Erbe UNICEF den größten Teil seiner Kunstsammlung. Es war eine der größten humanitären Schenkungen in Deutschland.

„Ich weiß meinen materiellen Besitz nun in guten Händen“, sagte Rau am 4. September 2001 bei der Übergabe in Stuttgart. „Ich vertraue ihn einer Organisation an, die sich dem einzigen Sinn verschrieben hat, den ich auch meinem Leben gegeben habe: der Hilfe für Not leidende Kinder.“ UNICEF-Botschafter Sir Peter Ustinov, der Gustav Rau mehrfach begegnet war, sagte über ihn: „Ich habe in meinem Leben nicht sehr viele große Männer getroffen, aber Dr. Rau ist sicher einer von ihnen. Wer sich die Mühe macht ihm zuzuhören, wird mit Aussagen von seltener Intelligenz und großer Weisheit belohnt.“

Gustav Rau wird in Erinnerung bleiben

Kurz vor seinem 80. Geburtstag starb Dr. Dr. Gustav Rau am 3. Januar 2002 in der Nähe seiner Heimatstadt Stuttgart. „Er war um meine Gesundheit besorgt, sowie um die von mehreren Tausenden Kindern, was wir mit unseren eigenen Augen gesehen haben. Dabei war er unermüdlich, und hat sich nie beklagt. Er trug sogar Säcke mit 20 kg Pulvermilch auf den Schultern, um die Kinder unseres Volkes zu ernähren“, erinnert sich der ehemalige Verwalter in Ciriri, Dieudonné Cirhigiri Zirirana, in seinem Beileidschreiben. „Ich habe gesehen, wie er zu Fuß unter dem Regen unsere Hügel durchquerte, um eine Besprechung nicht zu versäumen. Ich habe gesehen, wie er trotz gebrochenen Fußes in das Flugzeug nach Kinshasa stieg, um dort eine äußerst wichtige Sache zu verteidigen. Ich habe ihn weinen sehen vor dem Schmerz und der Armut einer Mutter, die zu einer Untersuchung zu ihm kam. Ich habe ihn … erlebt, stets mit vollem Einsatz, ohne dass er je eine Schwäche gezeigt hätte, nur um seine Hilfe anzubieten.“

Nach seinem Tod wurde versucht UNICEF das Erbe streitig zu machen. Im August 2008 wies das zuständige Landgericht Konstanz alle Beschwerden zurück. Insgesamt gingen 789 Gemälde, Skulpturen und kunsthandwerkliche Objekte in den Besitz der deutschen UNICEF-Stiftung über. UNICEF Deutschland verfährt damit so, wie Dr. Rau es bestimmt hat: Rund 250 ausgewählte Werke wurden dem Arp Museum Bahnhof Rolandseck Rolandseck in Remagen bis 2026 als Dauerleihgaben zur Verfügung gestellt. Dort wird der Kernbestand der Sammlung unter immer wieder neuen Aspekten in Wechselausstellungen einem breiten Publikum nahe gebracht. Die übrigen Werke werden unter Hinzuziehung von Kunstexperten nach und nach verkauft. Die Erlöse fließen in die UNICEF-Stiftung – für die Kinder der Welt.

Bereits seit 2011 gibt es eine einvernehmliche Zusammenarbeit mit der Schweizer Stiftung Dr. Rau als rechtlich anerkannte Nachfolgerin aller früher von Dr. Rau in der Schweiz gegründeten Stiftungen. Aus dem Nachlass werden nicht nur das von Dr. Rau gegründete Krankenhaus in Ciriri sondern auch vier weitere Projekte in afrikanischen Ländern gemeinsam gefördert.

Sein letzter Wille

So entspricht es Gustav Raus letztem Willen: „Mein ganzes Leben lang, vor allem aber die letzten Jahrzehnte, war ich von einem einzigen großen Wunsch beseelt: Den Kindern in der 3. Welt zu helfen“, sagte er anlässlich der Schenkung an UNICEF Deutschland 2001 in Stuttgart. „Ich habe ein Kinderkrankenhaus in der Republik Kongo aufgebaut und konnte Tausenden von Kindern helfen. Dieses Wissen ist mir eine große Freude und ein großer Trost. All die Kraft und die Zeit, die mir noch verbleiben, habe ich für den Aufbau und die Pflege meiner Kunstsammlung genützt. Es macht mich sehr glücklich, dass diese Sammlung von Kunstkennern auf der ganzen Welt so hoch eingeschätzt wird. Aber auch diese Sammlung war für mich nur ein Mittel zu einem Zweck, nämlich notleidenden und kranken Kindern in Afrika oder sonst wo in der Dritten Welt zu helfen. Nur aus diesem Grund freut es mich, dass meine Sammlung einen so immensen Wert erreicht hat.“