„Kinder vor dem Grauen der Kriege schützen“
Schwere Kinderrechtsverletzungen erreichen 2024 neuen Höchststand / Einsatz von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten und sexualisierte Gewalt nehmen zu
Im Jahr 2024 haben die Vereinten Nationen 41.370 schwere Kinderrechtsverletzungen verifiziert – so viele wie noch nie und ein Anstieg von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Anlässlich der offenen Debatte des UN-Sicherheitsrats zum Thema „Kinder in bewaffneten Konflikten“ ruft UNICEF dazu auf, Kinder gemäß dem humanitären Völkerrecht zu schützen, schwere Kinderrechtsverletzungen zu beenden, den Einsatz von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten zu stoppen und dringend benötigte Mittel für den Schutz von Kindern in Konflikten bereitzustellen.
„Hinter jeder schweren Kinderrechtsverletzung steht ein Name, ein Gesicht, ein Leben“, sagte Sheema Sen Gupta, UNICEF-Direktorin für Kinderschutz. „Im Sudan wurde ein 14-jähriges Mädchen im Haus ihrer Familie von mehreren Personen vergewaltigt. In Nigeria fanden sechs Jungen zwischen neun und zwölf Jahren einen metallischen Gegenstand, den sie zu einem Schweißer brachten, um ihn als Altmetall zu verkaufen. Der Gegenstand war ein Geschoss, das beim Öffnen explodierte und sowohl den Schweißer als auch die Kinder tötete. Dieses furchtbare Leid ereignet sich Tag für Tag – in einem Ausmaß, das kaum vorstellbar ist.“
Laut dem Jahresbericht des UN-Generalsekretärs über Kinder in bewaffneten Konflikten wurden im vergangenen Jahr allein mehr als 8.000 schwere Kinderrechtsverletzungen in Israel und Palästina dokumentiert – so viele wie in keiner anderen Region weltweit, seitdem der Überwachungsmechanismus für schwere Kinderrechtsverletzungen vor 20 Jahren eingerichtet wurde. Besonders in Gaza sind Kinder in dramatischem Ausmaß betroffen.
Weltweit lassen sich insbesondere zwei besorgniserregende Trends erkennen:
Zum einen der zunehmende Einsatz von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten – inzwischen die Hauptursache für die Tötung und Verstümmelung von Kindern in bewaffneten Konflikten. Über 70 Prozent der getöteten oder verletzten Kinder sind auf solche Angriffe zurückzuführen. Immer wieder werden dabei Häuser, Schulen und Krankenhäuser zerstört – selbst dann, wenn Familien dort Schutz suchen. In Kriegsregionen wie der Demokratischen Republik Kongo, dem Gazastreifen und der Ukraine geraten Kinder nicht nur ins Kreuzfeuer, sondern werden auch direkt durch Bombenangriffe, Beschuss und explosive Kriegsrückstände wie Minen und Blindgänger verletzt oder getötet.
Zum anderen der alarmierende Anstieg sexualisierter Gewalt. Die Zahl der verifizierten Fälle von Vergewaltigung und anderen Formen sexualisierter Gewalt gegen Kinder ist im Jahr 2024 um 35 Prozent gestiegen. Viele Taten bleiben jedoch ungemeldet, da betroffene Kinder aus Scham oder der Angst vor Stigma und Vergeltung nicht darüber sprechen. Diese brutalen Verbrechen zerstören Leben: Betroffene Kinder leiden nicht nur unter den körperlichen und seelischen Folgen, sondern auch unter Ausgrenzung und weiterer Gewalt.
Dennoch gibt es Anlass zur Hoffnung: Fortschritte sind möglich, wenn der politische Wille gegeben ist. Die Agenda für Kinder und bewaffnete Konflikte ist dabei ein wichtiges Instrument, um die Auswirkungen von Krieg und Gewalt auf Kinder zu verringern.
Im Jahr 2024 wurden beispielsweise über 16.000 Kinder, die zuvor von Streitkräften und bewaffneten Gruppierungen rekrutiert und eingesetzt wurden, mit Schutz- und Wiedereingliederungsmaßnahmen unterstützt – ein wichtiger Schritt, um ihnen eine Chance auf eine sichere Zukunft zu ermöglichen.
UNICEF-Forderungen zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten
Um Kinder in bewaffneten Konflikten zu schützen, fordert UNICEF:
Alle Konfliktparteien müssen das humanitäre Völkerrecht einhalten und schwere Kinderrechtsverletzungen beenden;
Der Einsatz und die Verbreitung von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten müssen aufhören. Alle Mitgliedstaaten sollten die sogenannte EWIPA-Erklärung (Political Declaration on Explosive Weapons in Populated Areas) unterzeichnen und den Minenverbotsvertrags und das Übereinkommens über Streumunition einhalten;
Der Schutz und Zugang humanitärer Helfer*innen zu Menschen in Not muss sichergestellt werden – Hilfe muss Kinder sicher und ungehindert erreichen, wo immer sie sich befinden;
Das humanitäre Engagement mit nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen muss stärker unterstützt und erleichtert werden, um den Schutz von Kindern zu verbessern und sicheren humanitären Zugang zu ermöglichen;
Maßnahmen zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten müssen langfristig und verlässlich finanziert werden. Massive Mittelkürzungen gefährden die Überwachung, Prävention und Reaktion auf schwere Kinderrechtsverletzungen;
Alle Staaten sind nicht nur verpflichtet, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten, sondern auch dafür zu sorgen, dass es von anderen geachtet wird. Jegliche militärische, finanzielle oder politische Unterstützung für Konfliktparteien sollte an klare Erwartungen und Bedingungen zum Schutz von Kindern geknüpft sein.
„Kinder sind keine Kollateralschäden. Sie sind keine Soldaten und keine Verhandlungsmasse. Sie sind Kinder. Sie verdienen Sicherheit, Gerechtigkeit und eine Zukunft“, so Gupta. „Schwere Kinderrechtsverletzungen dürfen nicht das neue ‚Normal‘ werden.“
Service für die Redaktionen:
Das vollständige Statement von Sheema Sen Gupta, UNICEF-Direktorin für Kinderschutz, bei der offenen Debatte des UN-Sicherheitsrats zum Thema „Kinder in bewaffneten Konflikten“ steht hier in englischer Sprache zur Verfügung.
Bild- und Videomaterialien für die Berichterstattung stehen hier zur Verfügung.

Christine KahmannSprecherin - Nothilfe