Statement

Waffenruhe ist Hoffnungsschimmer für Kinder im Gazastreifen

Statement von Ricardo Pires, stellv. UNICEF-Sprecher, beim heutigen Pressebriefing im Palais des Nations in Genf

Genf/ Köln

„Ich beginne mit den Stimmen zweier Kinder aus Deir al-Balah im Süden Gazas, mit denen UNICEF gesprochen hat. Ihre Reaktion auf die gestrige Nachricht über die Vereinbarung im Hinblick auf eine Waffenruhe und ein Ende des Krieges im Gazastreifen sagt mehr als jedes Wort, das ich heute sagen könnte.

Maisara ist 13 Jahre alt. ‚Ich war glücklich, als ich von der Waffenruhe hörte. Endlich kann ich in meine Stadt im Norden zurückkehren – denn wie alle Kinder sind wir müde vom Krieg. Wir wollen unsere Kindheit zurück. Am meisten freut mich, dass wir nicht länger hungern müssen‘, sagte er. ‚Ich werde die Erde meiner Stadt umarmen, weil ich sie so sehr vermisst habe. Zurückzukehren bedeutet, wieder zur Schule zu gehen und ein normales Leben zu führen.‘

Rasha ist ebenfalls 13 Jahre alt. Sie sagte: ‚Ich vermisse meine Cousins. Wir möchten sie auf dem Friedhof im Osten des Camps Bureij besuchen. Und wir wollen unsere Familien in Gaza-Stadt wiedersehen. Seit die Waffenruhe verkündet wurde, sind wir alle glücklich.‘

Dies sind nur zwei von über einer Million Kindern, die seit mehr als zwei Jahren auf diesen Tag warten – mehr als zwei Jahre unvorstellbaren Leids.

Die Nachricht über die Waffenruhe ist ein dringend benötigter, längst überfälliger Hoffnungsschimmer für sie und ihre Familien. Jetzt gilt es, diese Hoffnung nicht zu enttäuschen und schnell und entschlossenen zu handeln.

Es ist entscheidend, dass alle Konfliktparteien alles tun, um die Vereinbarung umzusetzen, aufrechtzuerhalten und zu einem dauerhaften Frieden zu führen. In den Stunden bis zum offiziellen Inkrafttreten der Waffenruhe müssen Kinder geschützt werden.

Die Waffenruhe bringt Hoffnung, dass das Töten und Verstümmeln von Kindern endlich aufhört. Mehr als 64.000 Kinder wurden durch Angriffe des israelischen Militärs getötet oder verletzt. Etwa 25 Prozent von ihnen tragen womöglich lebensverändernde Verletzungen davon.

UNICEF steht bereit. Die Hilfe muss fließen. Israel muss so viele Grenzübergänge wie möglich öffnen. Die Lage ist kritisch. Die Kindersterblichkeit droht zu steigen – nicht nur bei Neugeborenen, sondern auch bei Kleinkindern, deren Immunsysteme stärker geschwächt sind, als je zuvor und die über so lange Zeit keinen Zugang zu angemessener Nahrung hatten.

Hinzu kommt, dass der bevorstehende kalte Winter ohne ausreichenden Schutz und Kleidung tödlich sein kann. Im vergangenen Jahr starben Neugeborene an Unterkühlung.

UNICEF ist auf diese Situation vorbereitet. Da es Monate dauert, um Hilfsgüter aus aller Welt nach Gaza zu bringen, hat UNICEF bereits im Juli angefangen, Planen und Winterkleidung zu beschaffen.

Unser Ziel ist es, jedes Kind unter zwölf Monaten mit zwei Winterkleidungs-Kits zu erreichen und eine Million Decken für alle Kinder in Gaza bereitzustellen.

Die Liste geht weiter: Wir bereiten Hilfsgüter für die vielen tausend verletzten Kinder vor, denn vieles, wie Rollstühle und Krücken durfte lange nicht geliefert werden.

Wir stehen bereit, die Wasserversorgung sowie die Entwässerungs- und Abwassersysteme wieder herzustellen sowie die Müllentsorgung zu unterstützen.

Und als oberste Priorität muss die Vereinbarung natürlich genutzt werden, um Mangelernährung und die Ausweitung der Hungersnot zu verhindern. UNICEF ist in der Lage, die Ernährungslage von 50.000 Kindern unter fünf Jahren sowie 60.000 schwangeren und stillenden Müttern zu verbessern. Wir haben dies in den letzten Monaten bereits getan, doch wir müssen Gaza endlich mit ausreichend nahrhafter Spezialnahrung und Behandlungsmöglichkeiten erreichen können.

Ein echter Waffenstillstand muss mehr als Worte bedeuten. Er muss aufrechterhalten und respektiert werden – und die Rechte von Kindern müssen dabei im Mittelpunkt stehen. Das bedeutet, alle Grenzübergänge für humanitäre Hilfe zu öffnen und sicherzustellen, dass jedes Kind von Norden bis Süden mit dem Lebensnotwendigsten erreicht wird.

Humanitäre Hilfe ist jedoch nur der Anfang. Kinder in Gaza brauchen wieder geöffnete Schulen, Spielplätze und Zeit, um sich von dem unvorstellbaren Trauma zu erholen. Die Waffenruhe muss Bedingungen schaffen für sowohl dringend benötigte humanitäre Hilfe als auch für einen langfristigen Wiederaufbau, damit Kinder wie Maisara und Rasha ihre Kindheit zurückgewinnen können. Der Weg wird lang sein.”

Service für die Redaktionen

Gerne vermitteln wir Interviews mit unseren Teams im Gazastreifen und der Region.

Aktuelles Bild- und Videomaterial steht hier für die Berichterstattung zur Verfügung.

Christine Kahmann

Christine KahmannSprecherin - Nothilfe

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