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Geflüchtete Kinder in Aufnahmeeinrichtungen: Einschränkungen beim Zugang zu Bildung

Neues Policy Paper  

Berlin

Bildung Kinder Schule
© UNICEF/UNI604445/Etges

Die Chancen geflüchteter Kinder auf ein gutes Aufwachsen sind in Deutschland massiv eingeschränkt. Das belegt der jüngst veröffentlichte UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland. Viele dieser Kinder erleben vor und während der Flucht gravierende Brüche in ihren Bildungsverläufen. Nach ihrer Ankunft leben sie häufig über Monate in nicht kindgerechten Aufnahmeeinrichtungen – oft ohne oder nur mit stark eingeschränktem Zugang zu schulischer Bildung. Bundesweit unterscheiden sich die Regelungen zur Schulpflicht erheblich; in einigen Bundesländern besuchen geflüchtete Kinder und Jugendliche in Aufnahmeeinrichtungen monatelang keine Schule.

Im Jahr 2024 waren unter den Erstantragstellenden auf Asyl in Deutschland 43.672 Kinder im schulpflichtigen Alter – 19 Prozent aller Antragstellenden; für 2025 bisher 18 Prozent. Sie alle haben ein in der UN-Kinderrechtskonvention verankertes Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung vom ersten Tag ihrer Ankunft in Deutschland – unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus. Schulische Bildung ist zentrale Grundlage für Persönlichkeitsentwicklung, gesellschaftliche Teilhabe und die Wahrnehmung eigener Rechte. Kinder, die mit ihren Familien Schutz in Deutschland suchen, müssen zunächst in Aufnahmeeinrichtungen leben. Zwar ist dieser Aufenthalt gesetzlich auf bis zu maximal sechs Monate begrenzt, doch die anschließende Verteilung in die Kommunen gelingt nicht immer fristgerecht.

Neue Studie zeigt deutliche Unterschiede beim Bildungszugang

Eine neue bundesweite Pilotstudie zu „Bildungsrechten und Schule für geflüchtete Kinder und Jugendliche in Erstaufnahmeeinrichtungen“ (BiSKE) verdeutlicht erhebliche Unterschiede beim Schulzugang für geflüchtete Kinder und Jugendliche, die in Aufnahmeeinrichtungen leben, abhängig von der Funktion einer Aufnahmeeinrichtung und dem Zeitpunkt des Einsetzens der Schulpflicht für geflüchtete Kinder im jeweiligen Bundesland. Damit schließt die Studie eine zentrale Lücke in der bislang unzureichenden Datenlage.

  • In 41 % der Einrichtungen bestand ein grundsätzlicher, aber eingeschränkter Zugang zu Regelschulen.

  • 40 % der Aufnahmeeinrichtungen boten ausschließlich einrichtungsinterne Bildungsmaßnahmen.

  • 19 % der Einrichtungen hatten gar keine Bildungsangebote.

  • In Bundesländern mit sofort einsetzender Schulpflicht für geflüchtete Kinder hatten 82 % der Einrichtungen Regelschulzugang, wenn auch eingeschränkt. In Ländern mit Schulpflicht erst nach kommunaler Zuweisung waren es lediglich 10 %.

Dort, wo die Schulpflicht unmittelbar bei Ankunft gilt – etwa in Berlin oder Hamburg – erhalten Kinder deutlich häufiger grundsätzlichen Zugang zu Regelschulen, wenn auch nicht immer uneingeschränkt. Einrichtungen ohne Bildungsangebote finden sich hingegen überwiegend in Ländern, in denen die Schulpflicht erst nach der kommunalen Zuweisung greift, wie etwa in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die BiSKE-Pilotstudie zeigt, dass die aktuell große Heterogenität des Schulzugangs nicht mit den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention vereinbar ist.

GEAS-Reform schafft mehr Klarheit

Mit der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) wurde das Recht auf schulische Bildung für geflüchtete Kinder gestärkt. Ab Juni 2026 sind alle Mitgliedstaaten verpflichtet, geflüchteten Kindern spätestens zwei Monate nach Asylantragstellung Zugang zum regulären Bildungssystem zu ermöglichen.

Diese Vorgaben stehen im deutlichen Widerspruch zu den bisherigen Regelungen in Deutschland, wie der bis zu sechsmonatigen Wohnverpflichtung in Aufnahmeeinrichtungen (§ 47 AsylG), den uneinheitlichen Schulpflichtregelungen der Bundesländer oder der verbreiteten Praxis getrennter Willkommens- oder Vorbereitungsklassen über ein bis zwei Jahre.

Die neu gefasste EU-Aufnahmerichtlinie bietet die Chance, Bildungsteilhabe ab Tag eins sicherzustellen und gemeinsames Lernen von Kindern mit und ohne Fluchtgeschichte zu stärken.

Handlungsbedarf ist eindeutig

Der mangelnde Regelschulzugang und fehlende oder unzureichende Bildungsangebote in Aufnahmeeinrichtungen betreffen eine konstant hohe Zahl geflüchteter Kinder. Bund und Länder sind gefordert, den rechtlichen Anspruch geflüchteter Kinder auf Bildung konsequent umzusetzen.

UNICEF Deutschland bekräftigt seine Forderungen:

  1. Bund und Länder sind völkerrechtlich verpflichtet, das Recht auf Bildung für alle Kinder, ohne jede Diskriminierung zu jedem Zeitpunkt umzusetzen

  2. Bundes- und Landesrecht gemäß der neugefassten Aufnahmerichtlinie anpassen

  3. Geflüchtete Kinder und ihre Familien in den Ländern schneller kommunal zuweisen und dezentral unterbringen

  4. Integrative Unterrichtssettings in Regelschulen ausbauen, parallele Unterrichtssettings überwinden

  5. Schulinfrastruktur ausbauen und Schulen finanziell unterstützen

  6. Bildungsnetzwerke stärken, durch Stärkung lokaler Kooperationen beispielsweise zwischen Schulen, Lehrkräften, Sozialarbeitenden und Fachkräften in Unterkünften

  7. Schulgleiche Qualität der Bildungsangebote in Aufnahmeeinrichtungen sicherstellen

  8. Datenlage zur Situation geflüchteter Kinder in Deutschland verbessern

Service für die Redaktionen

Das Policy Paper finden Sie hier.

Agnieszka Szczepanska (UNICEF/UNI827057/Sachse-Grimm)

Agnieszka SzczepanskaÖffentlichkeitsarbeit | Kinder in Deutschland

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