Pressemitteilung

Kinder stärken gegen Gewalt

Köln

Weltkindertag 2010 unter dem Motto „Respekt für Kinder“

UN-Sonderbeauftragte zu Gewalt gegen Kinder zieht Zwischenbilanz

Ein Mädchen vor der Frauen- und Kinderschutzstelle der Polizeistation in Monrovia, Liberia. © UNICEF/Pirozzi

Ein Mädchen vor der Frauen- und Kinderschutzstelle der Polizeistation in Monrovia, Liberia.

© UNICEF/Pirozzi

Anlässlich des Weltkindertages 2010 am kommenden Montag (20.9.) ruft UNICEF dazu auf, Kinder weltweit im Umgang mit Gewaltrisiken zu stärken. Gemeinsam mit der UN-Sonderbeauftragten zu Gewalt gegen Kinder, Marta Santos Pais, weist UNICEF darauf hin, dass Schläge, Missbrauch und Drangsalierungen für unzählige Kinder noch immer zum Alltag gehören. Vielfach geht die Gewalt von denen aus, denen die Kinder am meisten vertrauen: der Familie und Nachbarschaft, der Schule und im Heim. Risiken im Internet oder durch die neuen technischen Möglichkeiten von Mobiltelefonen werden vielfach unterschätzt – genauso wie Probleme durch Mobbing und Drangsalierungen in Schulen.

  • Befragungen von UNICEF in 37 Entwicklungs- und Schwellenländern ergaben, dass gewalttätige Erziehungspraktiken weit verbreitet sind. Zwei von drei Kindern dort berichten von Schlägen.
  • Auch unter Heranwachsenden ist Gewalt ein Problem. In mehr als der Hälfte der Industrieländer sagen rund 40 Prozent der 11- bis 15-Jährigen, dass sie in direkte physische Streitigkeiten verwickelt waren.
  • Jedes dritte Kind in der Europäischen Union, welches das Internet nutzt, ist dort gewalttätigen oder „Hass“-Seiten begegnet. Jedes fünfte bis sechste sagt, dass es im Internet beschimpft oder belästigt wurde.
  • Schwere Formen der Gewalt wie Kinderprostitution, Kinderarbeit oder auch Kinderheiraten sind vor allem da verbreitet, wo es nur einen schwach ausgebildeten Kinderschutz gibt.

„Kinder aller Altersstufen erleiden Erniedrigungen, Drangsalierungen oder werden Opfer von körperlicher Gewalt und Missbrauch. Sehr oft geschieht dies hinter einem Vorhang des Schweigens und der Gleichgültigkeit. Diese Haltungen müssen überwunden werden. Regierungen, Schulen, Medien müssen das Bewusstsein für den Schutz der Kinderrechte stärken. Die Prävention von Gewalt muss eine Priorität der Sozialpolitik und der ganzen Gesellschaft sein, sagte Marta Santos Pais, UN-Sonderbeauftragte zu Gewalt gegen Kinder in Berlin.

Ein Mädchen auf den Straßen eines Slums in Dhaka, Bangladesh. © UNICEF/Noorani

Ein Mädchen auf den Straßen eines Slums in Dhaka, Bangladesh.

© UNICEF/Noorani

„Kinder brauchen Selbstbewusstsein. Sie müssen frühzeitig lernen, mit Konflikten und Gewaltrisiken umzugehen. Vertrauenswürdige Beschwerde- und Beratungsangebote müssen ausgebaut werden, um Kinder zu ermutigen, Probleme und Gewalterfahrungen anzusprechen und Hilfe zu finden“, sagte Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland.

Gewaltrisiken im Internet

Schätzungsweise 75 Prozent aller Kinder zwischen 6 und 17 Jahren in der Europäischen Union nutzen heute das Internet. Im Vergleich zur Häufigkeit und Intensität der Nutzung stehen negative Erfahrungen zwar nicht im Vordergrund. Doch die Auswertung von Studien aus ganz Europa durch die EU zeigt auch Risiken:

  • Jeder zweite Heranwachsende offenbart persönliche Informationen im Netz.
  • Vier von zehn Kindern und Jugendlichen in Europa sagen, dass sie mit Pornografie im Netz konfrontiert wurden.
  • Jeder Dritte hat „Hass-Seiten“ oder Seiten mit gewalttätigen Inhalten gesehen.
  • Einer von fünf oder sechs Heranwachsenden sagt, dass er oder sie schon einmal im Netz gemobbt oder belästigt wurde.
  • Viele haben auch ungewollte sexuelle Kommentare erhalten (in Deutschland jeder zehnte Jugendliche; in England sogar jeder dritte).
  • Etwa neun Prozent sagen, dass sie eine Person, die sie im Internet kennen gelernt haben, auch real getroffen haben.
  • Vielen Eltern sind die Online-Aktivitäten ihrer Kinder nicht bewusst oder sie sehen keine Möglichkeit, diese zu kontrollieren. Befragungen zeigen auch, dass Kinder und Jugendliche, die negative Erfahrungen im Netz machen, selten mit Eltern oder Lehrern darüber sprechen.

Gewalt in Schulen

Gewalttätige Methoden der Disziplinierung wie Prügel, Ohrfeigen oder Einsperren sind in den meisten europäischen Schulen im Vergleich zu den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts seltener. Hierzu hat auch beigetragen, dass inzwischen alle EU-Staaten körperliche Züchtigungen in Schulen explizit verboten haben. Doch weltweit sind Prügelstrafen in Schulen immer noch in 88 Staaten erlaubt. Zahlreiche Länder erlauben sogar, minderjährige Straftäter auszupeitschen. Die „Globale Initiative gegen Prügelstrafe“ nennt in ihrem Jahresbericht über 40 Länder.

Zudem geraten Mobbing und Drangsalierungen unter Kindern und Jugendlichen zunehmend in den Blick. Lange galten diese als „weniger schwere“ Gewalt. Doch sie betreffen einen relativ großen Teil der Schülerinnen und Schüler. So sagen zum Beispiel 34 Prozent der deutschen 11- bis 15-Jährigen, dass sie Zielscheibe von „Drangsalierungen“ gewesen sind – in Italien sind es zum Beispiel nur 22,3 Prozent, in Spanien 13,7 Prozent. Dies kann weit reichende Folgen haben – zum Beispiel, dass Kinder sich zurückziehen oder die Schule schwänzen, Angst und Depressionen.

Gewaltfreiheit lernen

UNICEF und die Sonderbeauftragte zu Gewalt gegen Kinder rufen anlässlich des Weltkindertages 2010 dazu auf, die Prävention von Gewalt auszubauen und die Hilfsmöglichkeiten für bedrohte Kinder zu verbessern:

  • Schulen müssen frühzeitig damit beginnen, friedliche Formen der Konfliktlösung und positive, sichere Umgangsweisen mit der Online-Welt einzuüben.
  • Vertrauenswürdige Beschwerde- und Beratungsangebote müssen ausgebaut werden, um Kinder zu ermutigen, Probleme und Gewalterfahrungen anzusprechen und Hilfe zu finden.
  • Kinder und Jugendliche sollten bei der Lösung von Konflikten und bei der Entwicklung von Regeln des Umgangs in Schulen und im Netz einbezogen werden.
  • Das Bewusstsein für die Rechte der Kinder muss gestärkt werden. Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz würde den Stellenwert der Kinder in Deutschland erhöhen.

Bei Rückfragen und Interviewwünschen wenden Sie sich bitte an die UNICEF-Pressestelle.