Pressemitteilung

UNICEF zum Filmstart „Wüstenblume“: Täglich werden 8.000 Mädchen beschnitten

Köln

Anlässlich des Kinostarts des Films „Wüstenblume“ am heutigen Donnerstag (24.9.) weist UNICEF darauf hin, dass jedes Jahr schätzungsweise drei Millionen Mädchen an ihren Genitalien verstümmelt werden - das sind mehr als 8.000 Eingriffe pro Tag. Trotz verstärkter Aufklärung und obwohl die Beschneidung von Mädchen fast überall verboten wurde, ist sie in mindestens 28 Ländern Afrikas und im Jemen nach wie vor verbreitet. Schätzungsweise 70 Millionen Mädchen und Frauen sind allein dort beschnitten.

Beschnittene Mädchen und Frauen leiden häufig ihr Leben lang an körperlichen und seelischen Problemen. Der Eingriff selbst verursacht große Schmerzen, Schockzustände und starke Blutungen. Immer wieder sterben Mädchen an den Folgen. Traditionell wird die grausame Prozedur oft unter unhygienischen Bedingungen ohne jede Betäubung vorgenommen. Zusehends wird sie aber auch in manchen Ländern von Ärzten praktiziert - obwohl dies gegen die medizinische Ethik verstößt.

Waris Dirie, weltbekanntes Model aus Somalia, rückte mit ihrer Autobiographie „Wüstenblume“ vor über zehn Jahren die grausame Praxis der Mädchenbeschneidung in die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit. Jetzt ist ihr Leben verfilmt worden.

Widerstand wächst

In vielen afrikanischen Ländern wächst der Widerstand gegen die weibliche Genitalverstümmelung. Vor allem Frauen mit guter Ausbildung wollen ihre Töchter davor bewahren. UNICEF unterstützt diese Initiativen in Ländern wie Ägypten, Äthiopien, Guinea, im Senegal oder in Dschibuti mit dem Ziel, die Mädchenbeschneidung bis 2015 abzuschaffen. Entscheidend für den Erfolg sind Aufklärungs- und Informationskampagnen, die sich gezielt auch an religiöse Führer, Lehrer, Ärzte und an die traditionellen Beschneiderinnen richten.

Modellprojekt TOSTAN im Senegal

Besonders eindrucksvoll sind die Fortschritte im Senegal. Dort wurde inzwischen in 1.600 von 5.000 betroffenen Dörfern offiziell die Mädchenbeschneidung abgeschafft. Dies ist ein Erfolg einer breiten Bildungsbewegung, die UNICEF seit Jahren auch mit Spenden aus Deutschland gezielt unterstützt. TOSTAN („Aufbruch“) organisiert gemeinsam mit den Dorfbewohnern breit angelegte Aufklärungskurse in mittlerweile 3.300 senegalesischen Dörfern.

Haushaltsbefragungen und Erfahrungsberichte von UNICEF zeigen, dass die Verbreitung des Ritus auch in Ländern wie Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Eritrea, Kenia, Niger, Nigeria, Senegal, Tansania und der Zentralafrikanischen Republik langsam zurückgeht. Stark verbreitet ist die Mädchenbeschneidung dagegen weiter in Ägypten, Guinea, Mali und Sudan: mindestens 90 Prozent aller Mädchen und Frauen sind dort betroffen. In diesen Ländern ist der Kampf gegen den tief verwurzelten Brauch besonders schwierig.

Fortschritte in Ägypten

Aktuelle Untersuchungen zeigen aber zum Beispiel auch für Ägypten eine positive Tendenz. So sank der Anteil der betroffenen Mädchen in der Altersgruppe der 15-bis 17-jährigen erstmals auf unter 80 Prozent. Dem ägyptischen Frauenrat ist es mit Unterstützung auch durch UNICEF gelungen, Modellprojekte in 120 Dörfern und eine landesweite Notrufnummer gegen Mädchenbeschneidung durchzusetzen. Islamische Führer haben sich offen gegen Mädchenbeschneidung ausgesprochen und die Regierung unterstützt die Abschaffung des Brauchs.

Massiver Eingriff

Die Mädchenbeschneidung ist - anders als bei Jungen - ein massiver Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Er reicht von der Abtrennung der Vorhaut der Klitoris bis zu deren Entfernung gemeinsam mit den kleinen Schamlippen. Die schlimmsten Folgen hat die so genannte Pharaonische Beschneidung oder Infibulation. Dabei werden die großen Schamlippen beschnitten und anschließend mit Dornen, Nadeln und Fäden verschlossen, so dass nur eine sehr kleine Öffnung der Vagina bleibt. Die Eingriffe erfolgen meist im Alter zwischen vier Jahren und dem Beginn der Pubertät. Manchmal werden sogar Babys beschnitten. Oft wird die Prozedur noch von traditionellen Beschneiderinnen durchgeführt. Als Instrumente dienen dann häufig Rasierklingen, Messer oder Scherben.

Kein religiöses Gebot

Die weibliche Genitalverstümmelung hat tiefe kulturelle Wurzeln. Oft wird sie auch religiös begründet, obwohl keine der Weltreligionen sie vorschreibt. Trotz der gravierenden Auswirkungen bringen die meisten betroffenen Frauen ihre gesundheitlichen Probleme nicht mit der Verstümmelung in Verbindung. Der Eingriff wird auch nicht als ein Akt der Gewalt angesehen. Die Eltern sind vielmehr der Überzeugung, dass sie ihren Töchtern etwas Gutes tun. Der Ritus garantiert in den Augen der Eltern die Keuschheit und Jungfräulichkeit ihrer Töchter und verbessert die „Sauberkeit“ des Genitalbereichs. In vielen Gemeinschaften haben unbeschnittene Mädchen keine Chance zu heiraten.

Rückfragen und Interviewwünsche bitte an die UNICEF-Pressestelle, Helga Kuhn.
Gerne stellen wir auch Fotos von Aufklärungskampagnen gegen Beschneidung zur Verfügung.