Kinderrechte

Eine kurze Geschichte der Kinderrechte

Bis in die Neuzeit wurde das Kind als Besitz seiner Eltern beziehungsweise seines Vaters angesehen. Diese bestimmten über sein Leben, seine Ausbildung und seine Arbeitskraft; das Kind schuldete Gehorsam. Erst während der Industrialisierung und durch die Einführung der Schulpflicht begann die «bürgerliche Gesellschaft» zwischen der Welt der Kinder und derjenigen der Erwachsenen zu unterscheiden und dies veränderte die Diskussion. Die erhöhte Aufmerksamkeit, die den Menschenrechten seit der Unabhängigkeitserklärung der USA (1776) und der Revolution in Frankreich (1789) zuteilwurde, führte auch zu vertiefter Auseinandersetzung mit der Situation der Kinder. So wurde in Großbritannien 1833 die Fabrikarbeit für Kinder unter 9 Jahren durch den English Factories Act verboten, und 1842 wurde die Untertagearbeit durch den Mines Act begrenzt. 1896 führte das Bürgerliche Gesetz in Deutschland Strafen für Eltern ein, die ihre Kinder misshandelten oder sich nicht ausreichend um sie kümmerten. Die Pädagogin Ellen Key erklärte 1902 das 20. Jahrhundert zum Jahrhundert des Kindes. Auch wenn Kriege, Aids oder ausbeuterische Arbeit Kinder nach wie vor um ihre Kindheit bringen, ist das 20. Jahrhundert dennoch die bislang wichtigste Epoche in der Geschichte der Kinderrechte.

Die Genfer Erklärung

Die Kinderrechtsbewegung verdankt der Britin Eglantyne Jebb, Begründerin des Save the Children Fund, viel Pionierarbeit. Alarmiert durch die katastrophale Situation der Flüchtlingskinder in den Balkanländern und in Russland kurz nach dem Ersten Weltkrieg entwarf Eglantyne Jebb eine Satzung für Kinder, die Children's Charter. Diese ließ sie dem Völkerbund in Genf zukommen mit den Worten: „Ich bin davon überzeugt, dass wir auf bestimmte Rechte der Kinder Anspruch erheben und für die allumfassende Anerkennung dieser Rechte arbeiten sollten.“ Die Charta wurde am 24. September 1924 von der Generalversammlung des Völkerbundes verabschiedet und als Genfer Erklärung bekannt. Sie hatte keine Rechtsverbindlichkeit. Mit der Auflösung des Völkerbundes 1946 verlor sie ihre Grundlage.

Die Erklärung der Rechte des Kindes

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war davon die Rede, die Genfer Erklärung von 1924 mit wenigen Anpassungen von den Vereinten Nationen anerkennen zu lassen. Doch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet, dominierte die Debatte. In der Menschenrechtserklärung finden sich zwar gewisse Aussagen zu Gunsten der Kinder, insbesondere zu deren Schutz. Doch eine neue Erklärung der Rechte des Kindes verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen erst am 20. November 1959. Seither gilt der 20. November als Tag der Kinderrechte. Die Erklärung enthält konkrete Rechte wie das Recht auf einen Namen, eine Staatszugehörigkeit oder unentgeltlichen Unterricht. Sie ist jedoch kaum verbindlicher als die Genfer Erklärung von 1924.

Die UNO-Pakte von 1966

Die Internationalen Pakte über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und über bürgerliche und politische Rechte von 1966 sind die ersten umfassenden Menschenrechtsverträge auf universaler Ebene. Sie konkretisierten die rechtlich nicht bindende Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948. Vereinzelt enthalten sie auch Bestimmungen, die spezifisch das Kind betreffen: das Diskriminierungsverbot, das Recht auf Schutz durch Familie, Gesellschaft und Staat, das Recht auf Namen und Staatsangehörigkeit, den Schutz des Kindes bei Auflösung der Ehe der Eltern.

Das Internationale Jahr des Kindes 1979

Aus der Absicht, den Bedürfnissen der Kinder weltweit mehr Beachtung zu verleihen, entstand 1972 die Idee eines Internationalen Jahres des Kindes. 1976 wurde das Projekt von der UNO-Generalversammlung angenommen, 1979 wurde das Jahr des Kindes ausgerufen. 1978 reichte Polen anlässlich der Konferenz der UNO-Menschenrechtskommission den Entwurf einer Kinderrechtskonvention ein. Dieser stützte sich im Wesentlichen auf die Erklärung von 1959 und wurde als zu wenig weit gehend zurückgewiesen. Der zweite, revidierte Entwurf, den Polen 1980 einreichte, bildete dann die Arbeitsgrundlage für die Ausarbeitung der endgültigen Fassung der Konvention über die Rechte des Kindes.

Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention)

Die Kinderrechtskonvention sollte ein Instrument werden, das die Staaten verpflichtet, sich aktiv für das Wohl des Kindes einzusetzen. Außerdem sollten die in Dutzenden völkerrechtlichen Dokumenten verstreut festgehaltenen Kinderrechte zusammengefasst und die Ungereimtheiten zwischen diesen bereinigt werden. UNICEF und nichtstaatliche internationale Organisationen waren maßgeblich am Entstehungsprozess der Konvention beteiligt.

Am 20. November 1989, 30 Jahre nach der Erklärung der Rechte des Kindes und zehn Jahre nach dem Internationalen Jahr des Kindes, wurde das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, die „UN-Kinderrechtskonvention“, von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen. Am 26. Januar 1990 wurde sie zur Zeichnung aufgelegt. 61 Staaten haben sie am ersten Tag unterzeichnet, einen Monat nach der zwanzigsten Ratifikation trat sie dann am 2. September 1990 in Kraft. Inzwischen haben alle Staaten der Welt das Übereinkommen unterzeichnet und alle – mit Ausnahme der USA – haben es ratifiziert.

Die Zusatzprotokolle zur UN-Kinderrechtskonvention

In der Folge ist die Kinderrechtskonvention durch drei Zusatzprotokolle ergänzt worden. Das Zusatzprotokoll über Kinder in bewaffneten Konflikten (Optional Protocol on the Involvement of Children in Armed Conflict) legt fest, dass Kinder unter 18 Jahren nicht zwangsweise zum Militärdienst eingezogen werden dürfen, und präzisiert damit die Altersbegrenzung von 15 Jahren in Artikel 38 der Konvention. Wer sich freiwillig zum Militärdienst melden will, muss mindestens 16 Jahre alt sein. Doch auch dann gilt: Niemand unter 18 Jahren darf an Kampfhandlungen teilnehmen. Im Februar 2002 trat das Zusatzprotokoll in Kraft; heute haben es 168 Staaten ratifiziert.

Das zweite Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention betreffend den Kinderhandel, die Kinderprostitution und die Kinderpornografie (Optional Protocol on the Sale of Children, Child Prostitution, and Child Pornography) verbietet diese ausdrücklich und fordert die Staaten auf, diese Form der Ausbeutung als Verbrechen zu verfolgen und unter Strafe zu stellen. Dieses Zusatzprotokoll trat im Januar 2002 mit 32 Vertragsstaaten in Kraft; 176 Staaten haben es bereits ratifiziert.

Das dritte Zusatzprotokoll zum Individualbeschwerdeverfahren (Optional Protocol on a Communications Procedure) trat 2014 in Kraft; 45 Staaten haben es bereits ratifiziert. Es eröffnet Kindern die Möglichkeit, sich bei der Verletzung ihrer Rechte beim UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes zu beschweren.

Die UN-Kinderrechtskonvention wurde 1992 von Deutschland ratifiziert. Das erste und das zweite Zusatzprotokoll gelten hierzulande seit 2002, das dritte Zusatzprotokoll seit 2012.