Impfstoffe für Kinder weltweit © UNICEF/UN0433047/Solomon

Impfungen und UNICEF

Welche beiden Errungenschaften haben die Grundlage für unseren Fortschritt weitestgehend gebildet?

Welche beiden Errungenschaften haben die Grundlage für unseren Fortschritt weitestgehend gebildet?

Dass sich Großeltern liebevoll um ihre Enkelkinder kümmern, ist für uns heute weitestgehend eine Selbstverständlichkeit. Dies war jedoch nicht immer so. Denn das gemeinsame Verbringen eines vergleichsweise langen Lebensabschnittes wurde nur möglich, indem die Lebenserwartung der Menschen erheblich verlängert und die Kindersterblichkeit wesentlich reduziert wurde. Hierfür bedurfte es zweier wichtiger Voraussetzungen. Diese waren einmal die Beachtung einer umfassenden Hygiene und andererseits die Entwicklung sowie Bereitstellung verschiedener Schutzimpfungen, um Infektionskrankheiten vorzubeugen. Leider sind beide Aspekte in vielen Regionen der Welt noch nicht in ausreichender Weise durchgesetzt. So engagiert sich UNICEF unter anderem für die globale Verteilung sowie flächendeckende Verabreichung von Impfstoffen. Von den ersten Immunisierungskampagnen in den 1940er Jahren bis hin zur heutigen COVAX-Initiative war und ist UNICEF stets bestrebt, jedem Kind eine Schutzimpfung zu ermöglichen, wo das örtliche Gesundheitssystem dies nicht leisten kann.

Großeltern mit Enkelkindern © Pexels
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Als Kühe die Immunität gegen Infektionskrankheiten voranbrachten

Als erstes modernes Vakzin wird die Schutzimpfung gegen Pocken angesehen, nachdem das Prinzip der Immunisierung bereits in der Antike erkannt wurde. Denn damals fiel bereits auf, dass Menschen, welche zum Beispiel an Pocken erkrankt waren und diese oft tödlich verlaufende Krankheit überlebten, bei späteren Pocken-Epidemien geschützt waren. Über Jahrtausende hinweg – vom ägyptischen Pharaonenreich bis in das 20. Jahrhundert – zählte diese schreckliche Viruserkrankung zu den häufigsten Todesursachen. Auch hat sie entscheidend zum Untergang der hoch entwickelten Kulturen in Südamerika beigetragen, welche von den durch europäische Eroberer eingeschleppten Viren fatal getroffen wurden. Glücklicherweise konnte ein englischer Landarzt dieser entsetzlichen Infektionskrankheit eine wirksame Prävention entgegensetzen. So beobachtete Edward Jenner (1749–1823), dass sich Menschen beim Melken von Kühen mit den meist ungefährlichen Rinderpocken infizierten, ohne dass es zu schweren Verläufen kam. Vielmehr noch waren diese Menschen anschließend scheinbar immun gegen die lebensbedrohliche Pockenvariante ihrer Artgenossen. Durch ein aus heutiger Sicht nicht mehr denkbares Experiment sollte nun Klarheit geschaffen werden. Dabei wurde im Jahre 1796 einem Jungen das aus den Pusteln einer an Kuhpocken erkrankten Frau gewonnene Sekret verabreicht. Nach überstandener Erkrankung wurde dem Jungen einige Wochen später das wesentlich gefährlichere Pockenvirus, welches bei Menschen zirkulierte, verabreicht. Das Experiment gelang: infolge der sich herausgebildeten Immunisierung blieb der Junge gesund. Erst eine erneute Pockenepidemie in Deutschland, bei der 1870/71 rund 125.000 Menschen starben, führte dann 1874 infolge des Reichsimpfgesetzes zur Einführung einer Impfpflicht gegen das Pockenvirus. Noch heute wird die Erinnerung an den waghalsigen Versuch von Jenner durch das Wort Vakzination, welches vom lateinischen Vacca für Kuh abstammt, weitergetragen.

Kuh und Kind © UNICEF/UN0307912/Muellenmeister
© UNICEF/UN0307912/Muellenmeister

Die Ausrottung der Pocken als Beginn einer erfolgreichen Impfstrategie

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die Entwicklung von Impfstoffen erheblich an Fahrt auf. Durch das rivalisierende Zusammenspiel von Louis Pasteur (1822 – 1895) und Robert Koch (1843 – 1910) wurde die Existenz mikrobiologischer Krankheitserreger bewiesen, woraufhin die ersten Impfstoffe gegen Milzbrand und Tollwut entstanden. Weitere wegweisende Erfolge gelangen bspw. Emil von Behring (1854 – 1917) mit der Entwicklung von Passivimpfstoffen, infolgedessen eine Prävention gegen Diphtherie und Tetanus möglich wurde, oder auch Paul Ehrlich (1854 – 1915), der unter anderem entscheidende Beiträge zur Impfstoffentwicklung bereitstellte. Trotz dieser epochalen Fortschritte gegen oftmals tödlich verlaufende Krankheiten bildeten sich bereits zu dieser Zeit diverse Gruppen von ImpfgegnerInnen heraus, deren Ängste durch verschiedene Nebenwirkungen und Misserfolge, wie sie bei einem solch komplexen Vorhaben kaum zu vermeiden sind, genährt wurden. Glücklicherweise setzte sich entgegen von Zwischenfällen die Erfolgsserie von Schutzimpfungen fort. Bis nun aber diese Errungenschaften auch den weniger wohlhabenden Regionen der Welt zuteilwurden, vergingen noch sehr viele Jahre. Denn Massenimpfungen in den Industrieländern wurden bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts durchgeführt, wohingegen solche Aktionen in den strukturschwächeren Regionen, wie bspw. Afrika oder Indien, aus verschiedenen Gründen nicht gelingen wollten. Die erste breitangelegte Impfkampagne der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit Unterstützung von UNICEF und vielen anderen Partnern erfolgte ab Ende der 1960er Jahre und richtete sich gegen das Pockenvirus. Allein im 20. Jahrhundert starben ca. 300 Millionen Menschen an dieser seit Jahrtausenden zirkulierenden Infektionskrankheit. Bei dieser WHO-Kampagne wurden vor allem Infektionscluster aufgespürt und das Umfeld der Infizierten schnellstmöglich geimpft. Im Jahre 1980 konnte dann der große Triumph, also die Ausrottung der Pocken, offiziell verkündet werden.

Ausrottung der Pocken © World Health Organisation
© World Health Organisation

Von der Kindernothilfe zu einer umfangreichen Gesundheitsprävention

Die Geschichte von UNICEF begann vor ziemlich genau 75 Jahren und der Fokus lag damals vor allem auf der Nothilfe von Kindern im zerstörten Europa. Allerdings stellte 1947 die internationale Kampagne gegen Tuberkulose bereits die erste Aktion dar, bei der für UNICEF nicht die Lebensmittelversorgung von Kindern im Zentrum stand, sondern auch die Prävention von Infektionskrankheiten notwendig wurde. So zielten internationale Gesundheitskampagnen in den Jahren nach dem Krieg vorrangig auf die Bekämpfung von Epidemien ab. Auch deshalb verlagerte sich der Fokus von UNICEF von kriegsbedingten Hilfeleistungen in Europa hin zur Entwicklungsunterstützung sowie Gesundheitsvorsorge. Ebenso verschob sich dann auch der geografische Schwerpunkt dieser Tätigkeiten in andere Regionen der Welt. Zusammen mit der WHO und vielen anderen staatlichen und privaten Organisationen konnten in den nachfolgenden Jahrzehnten erhebliche Erfolge gefeiert werden. Denn nach der Ausrottung der Pocken gelang es, viele andere Infektionskrankheiten, wie bspw. Kinderlähmung oder Diphterie, in Schach zu halten, um somit dem Fortschritt in den betroffenen Regionen vor allem infolge der steigenden Gesundheit ihrer jüngsten Generationen eine Chance zu geben (wobei solche Immunisierungskampagnen natürlich nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene beinhalteten). Betrachtet man die Zahlen, welche die Impferfolge abbilden, kann sich große Freude einstellen. So konnten unter anderem in den Jahren zwischen 2000 und 2018 geschätzt rund 2,3 Millionen Leben durch die Impfkampagne gegen Masern gerettet werden. Statistisch gesehen werden jedes Jahr durch die verschiedenen Schutzimpfungen 2-3 Millionen Menschen vor einem schmerzhaften Tod gerettet; ganz davon abgesehen, dass vielen verheerende Spätfolgen erspart bleiben. Natürlich bildet auch die Nothilfe für Kinder weiterhin eine wichtige Säule in unserem Aufgabenspektrum, die bspw. aufgrund der verheerenden Kriege in Syrien oder im Jemen weiterhin existenziell ist.

Impfstoffe für Kinder weltweit © UNICEF/Hatcher-Moore
© UNICEF/Hatcher-Moore

Das Immunisierungsprogramm von UNICEF wirkt auch gegen Covid-19

UNICEF ist vielfach bestrebt, insbesondere die Kinder mit Impfstoffen zu versorgen, die ihn am dringendsten benötigen. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet UNICEF mit Regierungen, NGOs, anderen UN-Organisationen, aber auch dem privaten Sektor zusammen. Das heutige Programm zur Immunisierung von Kindern auf der ganzen Welt, vor allem aber in Regionen, bei denen das örtliche Gesundheitswesen dies nicht leisten kann, besteht aus verschiedenen Aufgabenbereichen. Zum einen muss sichergestellt werden, dass der Impfstoff sicher auch in die entlegensten Orte der Welt gelangt. Mittels verschiedenster Technologien sorgt UNICEF für effiziente Kühlketten, damit der Impfstoff während des Transports nichts von seiner Wirksamkeit einbüßt. Ein sicherer Transport ist aber nur ein Schritt. Der effizienteste Impfstoff hilft wenig, wenn der Preis so hoch ist, dass sich viele ihn nicht leisten können. UNICEF hat erfolgreich dazu beigetragen, dem entgegenzuwirken: Der Preis für viele Kinderimpfungen ist so niedrig wie noch nie und ermöglicht deshalb das Bereitstellen von Impfstoffen auch in den ärmsten Ländern der Welt. Letztendlich ist unser Ziel, die Welt von Infektionskrankheiten wie Polio, Tetanus, Masern und Röteln zu befreien – und insbesondere bei Polio ist dieses Ziel nicht mehr allzu weit entfernt. Mit COVID-19 ist nun jedoch eine neue gefährliche Infektionskrankheit hinzugekommen, die es zu bekämpfen gilt. UNICEFs Erfahrung als größter (einzelner) Impfstoffkäufer ist dabei von großem Wert. Diese Expertise nutzen wir nun auch innerhalb der Initiative COVID-19 Vaccine Global Access (COVAX). Das Ergebnis dürfte wohl die größte und schnellste Impfstoffbesorgung sowie -verbreitung der Geschichte sein. Bisher konnte allerdings leider bspw. noch nicht einmal das Krankenhauspersonal überall versorgt werden, da, wie auch in Europa schmerzlich zu sehen ist, der Impfstoff bislang nicht in ausreichender Menge vorhanden ist. Dies wird sich aber hoffentlich in der zweiten Jahreshälfte ändern – die Logistik steht jedenfalls bereit.

Impfstoffe für Kinder weltweit © UNICEF/UN0433047/Solomon
© UNICEF/UN0433047/Solomon

Großeltern, die sich liebevoll um ihre Enkelkinder kümmern – eine Selbstverständlichkeit? Seit der Verbreitung von COVID-19 sicherlich nicht mehr. Durch die Corona-Pandemie mussten auch wir in den wohlhabenden Ländern nun schmerzhaft erfahren, wie negativ sich das Fehlen von Impfstoff auf unseren Alltag auswirkt. Eine Situation, die in vielen Regionen der Erde schon immer gefährlich alltäglich war. Wenn die Arbeit von UNICEF und ihren Partnern jedoch auch zukünftig von Erfolg geprägt ist, wird sich das eines Tages hoffentlich ändern.

Patrick Pobuda