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Kinderheirat ist eine schwere Menschenrechtsverletzung

Berlin, den 12.9.2016: Weltweit sind zurzeit mehr als 720 Millionen Frauen vor ihrem 18. Geburtstag zwangsverheiratet worden, mehr als 250 Millionen davon waren bei ihrer Hochzeit unter 15 Jahre alt. Mädchen werden zudem sehr häufig die Ehefrauen von deutlich älteren Männern. Auch Jungen werden als Kinder verheiratet, aber Mädchen sind davon überproportional betroffen. In Niger wurden 77 % der Frauen, die heute 20-49 Jahre alt sind, vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet, aber nur 5 % der Jungen in derselben Altersklasse.

Die zehn Länder, die die höchste Rate an Kinderhochzeiten aufweisen, liegen in Südasien und in Afrika: In Niger ist die Zahl der Betroffenen insgesamt am höchsten, doch in Bangladesch werden die meisten Mädchen noch unter 15 Jahren verheiratet (beinah 40 %). In Indien sind 56 %, in West- und Zentralafrika 46 % und im übrigen Afrika 38 % der Mädchen noch nicht achtzehn bei ihrer Vermählung. Auch in Europa kommt Kinderheirat vor: Unter den Roma zum Beispiel, die in Serbien leben, werden 54 % der Mädchen vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet. Zum anderen befinden sich unter den Flüchtlingen aus Syrien viele der sogenannten Kinderbräute, davon Meldungen der deutschen Presse im Juni 2016 zufolge mehrere Hundert auch in Deutschland. Dem Bundesgerichtshof (BGH) liegt zurzeit die Frage vor, inwiefern solche im Ausland geschlossene Ehen mit Minderjährigen in Deutschland rechtliche Gültigkeit haben. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat außerdem der Presse vermeldet, im September 2016 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Thema Kinderehen einzurichten.

Kinderhochzeiten reflektieren Gesellschaftssysteme, die eine schwere Diskriminierung von Mädchen perpetuieren und mit denen schwere Rechtsverletzungen einhergehen. Die Mädchen verlieren nicht nur ihre Kindheit, sondern geraten früh in eine Situation der sozialen Isolierung, werden von ihrer Familie, ihren Freunden und anderen Netzwerken, insbesondere auch ihrer Schule, getrennt. Ihre Bildung bzw. Ausbildung ist mit der Heirat in der Regel für immer beendet und der Zugang zu irgendeiner Form von Unterstützung und Hilfestellung versperrt. Die Mädchen sind Gewalt ausgeliefert, zuvorderst der Vergewaltigung und Unterdrückung durch ihre älteren Ehemänner. Da die Mädchen zudem ohne sexuelle und medizinische Aufklärung verheiratet werden, sind sie mehr oder weniger wehrlos HIV, anderen Infektionen und vor allem frühen Schwangerschaften ausgesetzt. In Mozambique, Burkina Faso, Mali und Niger haben über 50 % der heute 20-24jährigen Mädchen, die unter 15 Jahren verheiratet wurden, bereits drei oder mehr Kinder. Während der Schwangerschaft, für die die Mädchen zum ganz überwiegenden Teil nicht körperlich reif sind, fehlt es ihnen ebenso an medizinischer Versorgung, so dass sowohl Mutter als auch Kind hohen Risiken ausgesetzt sind, sehr häufig sogar der Lebensgefahr. Viele Mädchen überleben die Schwangerschaft oder die Geburt ihres Kindes nicht.

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Seit den 1980er Jahren sinkt die Zahl der Kinderhochzeiten, allerdings nicht im dringend gebotenen Maß. 1985 wurden noch ca. 33% aller Mädchen unter 18 Jahren und 12 % aller Mädchen unter 15 Jahren verheiratet: Somit ist eine Verringerung der globalen Rate von 7% bzw. 4 % in 30 Jahren zu verzeichnen. Doch stehen diese relativen Zahlen einer höheren absoluten Zahl an Mädchen gegenüber, da die Bevölkerung in den betroffenen Ländern zunimmt: während heute 720 Millionen Frauen in ihrer Kindheit verheiratet wurden, werden es im Jahr 2030 ca. 950 Millionen sein und im Jahr 2050 etwa 1,2 Milliarden. Selbst wenn also die Rate bis zum Jahr 2050 von heute ca. 26% auf wahrscheinlich 18% sinken wird, werden 2050 demnach etwa 710 Millionen Frauen als Mädchen geheiratet haben.

UNICEF setzt sich für die Verbesserung der Situation von Kindern und von Mädchen in der ganzen Welt ein: Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen bekämpft mit Erfolg die Verletzung elementarer Menschen- und Kinderrechte wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Gesundheit und das Recht auf Bildung.

Das Kunstwerk „Let Girls Be Girls Not Brides“ richtet sich gegen Kinderheirat und wird vom 12.9.-30.9 in Berlin zu sehen sein. Lesen Sie dazu den folgenden Beitrag:

https://www.unicef.de/mitmachen/ehrenamtlich-aktiv/-/arbeitsgruppe-berlin/let-girls-be-girls-not-brides/120848

Weitere Daten, Graphiken oder PDFs zum kostenlosen Download über das Thema Kinderheirat finden Sie hier (auf Englisch):

http://data.unicef.org/child-protection/child-marriage.html

Ann-Katrin Fahrenkamp

(UNICEF-AG Berlin)