Gustav Rau mit Werken seiner Kunstsammlung © P. Schälchli, Zürich.

Biografie Dr. Gustav Rau: Im Einsatz für Not leidende Kinder

Teil 2: Geld ist zum Helfen da

Geld spielte für den Multimillionär nur insofern eine Rolle, als dass es ihn in die Lage versetzte, anderen Menschen helfen zu können. „A propos, ich brauche viel Geld“, schrieb er im August 1989 an seinen Mitarbeiter. „Und Ciriri kostet ein Heidengeld: Sonntags, wie heute, gleicht der Platz unter d. gr. Baum einer griech. Agora, bloss dass man dorthin weniger zum Essen ging. Um 6 Uhr morgens, wenn’s noch ganz kalt ist, kommen sie, zuerst die ganz Alten, die seit dem Vortag ni[cht] gegessen haben, natürlich auch bei mir, dann die Mütter für die bouillie standard f. sich selbst u. dem Milchbrei für ihre Kinder. Und dann geht’s weiter, bis in den Nachmittag hinein, quer durch alles Alterstufen, wobei viele 2 mal am Tag kommen. Allein an Mais verbrauchen wir ni[cht] viel weniger als 1 t – und 1/3 davon an Bohnen. Dann die Gehälter, Strom, Wasser, bis zu den Medikam[enten] der Stationären und der Ambulanten, die um 11 h an der Reihe sind, u. gratis versorgt werden, schon allein weil sie keinen Rappen aufzubringen vermöchten. Beim Grundschulgeld sind wir schon bei 22.000 Eingeschriebenen für das in 3 Wochen beginnende Schulj. --- Sie sehen, ich muss nun an die Substanz gehen u. dabei so spät als möglich an die Juwelen im übertragenen Sinne. So mö[chte] ich […] als erstes hochkarätiges Bild unseren 4. Pissarro hergeben – und dann eben so ziemlich das ganze Kunstgewerbe“.

Gustav Rau mit Werken seiner Kunstsammlung © P. Schälchli, Zürich.

Bild 1 von 3 | Gustav Rau mit Werken seiner Kunstsammlung im Lager Embraport.

© P. Schälchli, Zürich.
Gustav Rau mit UNICEF-Botschafter Joachim Fuchsberger.

Bild 2 von 3 | Gustav Rau bei der Übergabe seiner Sammlung an UNICEF-Ehrenbotschafter Joachim Fuchsberger.

© UNICEF
Constant Le Breton, Porträt Dr. Gustav Rau © GRUPPE Köln, Hans G.

Bild 3 von 3 | Ein Porträt von Dr. Gustav Rau - gemalt von Constant Le Breton 1973.

© GRUPPE Köln, Hans G.

Die Menschen gehen immer vor

Im Zollfreilager Embraport nahe des Züricher Flughafens lagerten seine Bilder in einem unterirdischen Tresorraum, jahrelang verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit. Den Gedanken, ein Museum in Marseille – dem „Tor zu Afrika“ – zu bauen oder wenigstens eine Ausstellungshalle im schweizerischen Embrach, gab Rau wieder auf, um weiter helfen zu können.

„Am 1.1. habe ich hins[ichtlich] des Weitergangs der Dinge in Mars[eille] und Embr[ach] eine endgültige Entscheidung getroffen“, schrieb er am 4.1.1990 an seine Vertrauten. „…als es draußen stürmte u. regnete, alles bei einer Affenkälte, und als wir wieder rd. 10.000 Auswärtige zum Essen (neben unseren stationären Patienten) hatten, das täglich zwischen 6 h u. 16.30 h ausgeteilt wird (gekocht wird 24 Std./24.Std), nämlich dahingehend, dass ich alle Arbeiten in M[arseille] einstelle u. den gesamten Kunstschatz verkaufe, um den Erlös den Menschen hier (oder anderswo in der 3. Welt) zur Verfügung zu stellen, möglichst noch Zeit meines Lebens. Sie haben (…) nur allzu gut gemerkt (…), wie sehr mich der Entschluss bedrückte. Nun ist er unumstößlich geworden. Wenn ich anders handelte, würde ich mich schuldig fühlen.“ Und er setzte noch hinzu: „Ich würden den ganzen Rest m[einer] Tage ein schlechtes Gewissen haben, ist die Not doch hier schlechtweg unbeschreiblich.“

Jenseits von Afrika

Eigene Krankheit und der Bürgerkrieg im Kongo machten es ihm unmöglich, länger in Afrika zu bleiben. Am 12. Januar 1991 schreibt Gustav Rau: „Das Zigeunerleben (zw. Afrika und Europa, zu dem ich inf. einer existentiellen Lebensentscheidung gezwungen bin) möchte ich ni[cht] ohne zwingenden Grund fortsetzen… Bei m[einer] Rückkehr nach hier, habe ich eine katastrophale Situation vorgefunden. … Die Preise klettern wie verrückt. In der Stadt wundert man sich, dass wir noch mithalten können mit unserer laufend steigenden Zahl von Benefizanten. … Nun wird’s in ein paar Tagen zum Krieg kommen. Schreckliches wird passieren – und die Folgen sind noch unabsehbar. … Hier in der Stadt sind viele Schaufenster durch Notvermauerungen geschlossen. Medikamente gibt’s so gut wie ni[cht] mehr.“ 1993 verlässt er Ciriri schweren Herzens und zieht nach Monaco.

Gustav Rau wollte, dass sein Vermächtnis humanitären Zwecken dienen sollte, vor allem den am stärksten benachteiligten Kindern und Familien in Afrika. Zu diesem Zweck gründete er zunächst verschiedene Stiftungen. Im Oktober 1999 beschloss er die Stiftung von UNICEF Deutschland mit einem Erbvertrag mit dieser Aufgabe zu betrauen. Im September 2001 schenkte er der deutschen UNICEF-Stiftung mit 621 Kunstwerken den größten Teil seiner Sammlung. Die übrigen Werke blieben zunächst Teil des Nachlasses. Nach Dr. Raus Tod im Jahr 2002 erteilte das Landgericht Konstanz 2008 der deutschen UNICEF-Stiftung den Erbschein. Als Alleinerbin hat diese die Aufgabe mit der insgesamt mehr als 780 Objekte umfassenden Kunstsammlung, das Lebenswerk über UNICEF Deutschland umzusetzen.

„Ich weiß meinen materiellen Besitz nun in guten Händen“, sagte Rau am 4. September 2001 bei der Übergabe in Stuttgart. „Ich vertraue ihn einer Organisation an, die sich dem einzigen Sinn verschrieben hat, den ich auch meinem Leben gegeben habe: der Hilfe für Not leidende Kinder.“ UNICEF-Botschafter Sir Peter Ustinov, der Gustav Rau mehrfach begegnet war, sagte über ihn: „Ich habe in meinem Leben nicht sehr viele große Männer getroffen, aber Dr. Rau ist sicher einer von ihnen. Wer sich die Mühe macht ihm zuzuhören, wird mit Aussagen von seltener Intelligenz und großer Weisheit belohnt.“


Gustav Rau wird in Erinnerung bleiben

Kurz vor seinem 80. Geburtstag starb Dr. Dr. Gustav Rau am 3. Januar 2002 in der Nähe seiner Heimatstadt Stuttgart. „Er war um meine Gesundheit besorgt, sowie um die von mehreren Tausenden Kindern, was wir mit unseren eigenen Augen gesehen haben. Dabei war er unermüdlich, und hat sich nie beklagt. Er trug sogar Säcke mit 20 kg Pulvermilch auf den Schultern, um die Kinder unseres Volkes zu ernähren“, erinnert sich der ehemalige Verwalter in Ciriri, Dieudonné Cirhigiri Zirirana, in seinem Beileidschreiben. „Ich habe gesehen, wie er zu Fuß unter dem Regen unsere Hügel durchquerte, um eine Besprechung nicht zu versäumen. Ich habe gesehen, wie er trotz gebrochenen Fußes in das Flugzeug nach Kinshasa stieg, um dort eine äußerst wichtige Sache zu verteidigen. Ich habe ihn weinen sehen vor dem Schmerz und der Armut einer Mutter, die zu einer Untersuchung zu ihm kam. Ich habe ihn … erlebt, stets mit vollem Einsatz, ohne dass er je eine Schwäche gezeigt hätte, nur um seine Hilfe anzubieten.“

Das Vermächtnis

Nach seinem Tod wurde versucht UNICEF das Erbe streitig zu machen. Im August 2008 wies das zuständige Landgericht Konstanz alle Beschwerden zurück. Insgesamt gingen 789 Gemälde, Skulpturen und kunsthandwerkliche Objekte in den Besitz der deutschen UNICEF-Stiftung über. UNICEF Deutschland verfährt damit so, wie Dr. Rau es bestimmt hat: Rund 250 ausgewählte Werke wurden dem Arp Museum Bahnhof Rolandseck Rolandseck in Remagen bis 2026 als Dauerleihgaben zur Verfügung gestellt. Dort wird der Kernbestand der Sammlung unter immer wieder neuen Aspekten in Wechselausstellungen einem breiten Publikum nahe gebracht. Die übrigen Werke werden unter Hinzuziehung von Kunstexperten nach und nach verkauft. Die Erlöse fließen in die UNICEF Stiftung – für die Kinder der Welt.

Bereits seit 2011 gibt es eine einvernehmliche Zusammenarbeit mit der Schweizer Stiftung Dr. Rau als rechtlich anerkannte Nachfolgerin aller früher von Dr. Rau in der Schweiz gegründeten Stiftungen. Aus dem Nachlass werden nicht nur das von Dr. Rau gegründete Krankenhaus in Ciriri sondern auch vier weitere Projekte in afrikanischen Ländern gemeinsam gefördert.

Sein letzter Wille

So entspricht es Gustav Raus letztem Willen: „Mein ganzes Leben lang, vor allem aber die letzten Jahrzehnte, war ich von einem einzigen großen Wunsch beseelt: Den Kindern in der 3. Welt zu helfen“, sagte er anlässlich der Schenkung an UNICEF Deutschland 2001 in Stuttgart. „Ich habe ein Kinderkrankenhaus in der Republik Kongo aufgebaut und konnte Tausenden von Kindern helfen. Dieses Wissen ist mir eine große Freude und ein großer Trost. All die Kraft und die Zeit, die mir noch verbleiben, habe ich für den Aufbau und die Pflege meiner Kunstsammlung genützt. Es macht mich sehr glücklich, dass diese Sammlung von Kunstkennern auf der ganzen Welt so hoch eingeschätzt wird. Aber auch diese Sammlung war für mich nur ein Mittel zu einem Zweck, nämlich notleidenden und kranken Kindern in Afrika oder sonst wo in der Dritten Welt zu helfen. Nur aus diesem Grund freut es mich, dass meine Sammlung einen so immensen Wert erreicht hat.“