Niger: Soraya geht endlich wieder zur Schule
Keine Freundinnen treffen, keine Feiern, kaum Abwechslung: Auch der zehnjährigen Soraya aus Niger machen die Folgen der Corona-Pandemie zu schaffen. Deshalb freut sie sich umso mehr, jetzt wieder zur Schule gehen zu dürfen.
Vorsichtig schlüpft Soraya in die Ärmel ihres feinsten Kleides. Ihre Mutter bindet ihr eine Schleife am Rücken und streicht die Falten glatt. Kühl legt sich der helle Stoff auf Sorayas Haut, darunter pocht ihr Herz.
Die Zehnjährige ist aufgeregt. Denn heute beginnt nach monatelanger Pause die Schule wieder. Endlich!
In dem nordafrikanischen Land Niger erging es Soraya ähnlich wie vielen Kindern rund um den Globus: Die Schulen schlossen. Ein halbes Jahr blieb Soraya zu Hause – in ihrer Zweizimmerwohnung in der Hauptstadt Niamay, wo sie mit ihren Eltern und sieben Geschwistern lebt.
Die Regierung setzte schnell strenge Maßnahmen durch, damit sich das Virus im Land gar nicht erst ausbreiten konnte. Bereits im März 2020 – als in Niger noch nicht einmal 100 Fälle offiziell gemeldet waren – machte sie die Grenzen dicht, stoppte Busse und Bahnen, schloss Schulen und Kindergärten.
„Das waren harte Monate. Nach allem, was ich im Fernsehen gesehen habe, hatte ich Angst, das Haus zu verlassen“, sagt Soraya. Vor die Tür ging fast niemand, sogar ihr Vater blieb viel zu Hause. Er arbeitet als Wachmann bei einem Hotel. Klar, dass er dort in dieser Zeit kaum gebraucht wurde. „Immerhin hatten wir trotzdem genug zu essen“, berichtet Sorayas Mutter. „Aber für Rucksäcke, Stifte und Hefte reichte es nicht mehr“, sagt sie.
Zum Glück sprang UNICEF ein. Das Kinderhilfswerk lieferte Soraya und ihrer sechsjährigen Schwester Assiatou die nötigen Schulmaterialien. Dazu unterstützt es das Land dabei, ein Radioprogramm aufzubauen, sodass Kinder fernab der Klassenzimmer unterrichtet werden können. Und es versorgt Schulen mit Seife und Co., damit sich die Mädchen und Jungen regelmäßig die Hände waschen können.
Sorayas Mutter drückt der Zehnjährigen einen Kuss auf die Wange, ihr Vater lächelt. Also los! Zusammen mit ihrer Schwester Assiatou tritt sie durch die Tür in den rötlichen Sand der Straße. Als sie losmarschieren, spüren die beiden die Blicke ihrer Eltern auf dem Rücken. Soraya weiß: Einerseits sind ihre Eltern besorgt, andererseits stolz. Denn dass ihre Kinder überhaupt zur Schule gehen, ist hier in Niger etwas Besonderes.
Soraya schüttelt die Blicke ab und beschleunigt. Sie freut sich auf ihre Lehrerin, auf die Freundinnen und ist gespannt, was alles anders sein wird. Aber vor allem hat sie sich vorgenommen, die kostbare Zeit zu nutzen und hart zu arbeiten, damit sie eines Tages einen Beruf erlernen und damit ihrer Familie helfen kann.