© Bilddokumentation Stadt RegensburgAbstimmung mit Wahlurne des Jugendbeirat Regensburg
Gut zu wissen

Mit Pizza zu mehr Partizipation

„Politik ohne Jugend ist wie Gegenwart ohne Zukunft“ – unter diesem Slogan finden bis 14. Mai die JugendPolitik Tage in Berlin statt. Alle zwei Jahre entwickeln hier junge Menschen Maßnahmen und Zukunftsideen für eine jugendgerechtere Politik. Aber auch abseits dieses Formats zeigen Kinderfreundliche Kommunen wie Regensburg und Beeskow, wie Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf regionaler Ebene funktionieren kann.


von Valena Brand

Nicht erst mit Fridays for Future haben Kinder und Jugendliche bewiesen, wie stimmgewaltig und selbstbestimmt sie für ihre Rechte eintreten können. Längst geht es nicht mehr darum, Politik und Stadtplanung für zukünftige Generationen zu machen – die Zukunft sollte mit ihnen gestaltet werden. Denn nur eine Gesellschaft, in der junge Menschen ernst genommen werden und mitgestalten können, wird wirklich kinderfreundlich und damit zukunftsfähig. Genau dafür setzen sich bereits zahlreiche Städte und Gemeinden, die sich der UNICEF-Initiative Kinderfreundlichen Kommunen angeschlossen haben, mit verschiedenen Partizipationsformaten ein.

Regensburg – Jung.politisch.bunt

„Wir haben einen wahnsinnig coolen Jugendbeirat,“ erzählt Sofie (16). Die Schülerin lebt in Regensburg, ist erste Vorsitzende des Beirats und engagierte sich schon früh in der Schülervertretung ihrer Schule. „Es ist einfach schön, wenn du in einen Raum kommst und da lauter Leute in deinem Alter sind, die auch so gerne diskutieren und an politischen Themen interessiert sind.“

Seit 2016 ist der Jugendbeirat eine Austauschplattform für junge Menschen verschiedener Herkunft und Sozialisation. „Wir haben in unserem Jugendbeirat nicht nur die Gymnasiasten. Es ist komplett durchmischt. Wir haben auch Leute von der Berufsschule und verschiedener Herkunft,“ berichtet Sofie.

Es macht wahnsinnig Spaß zu diskutieren und ich glaube, der politische Wille meiner Generation ist ziemlich groß.

Sofie Bauer (16), Vorsitzende Jugendbeirat Regensburg
Porträt: Sofie Bauer, Vorsitzende Jugendbeirat Regensburg

„Jung.politisch.bunt“ vertritt der Jugendbeirat die Belange der Kinder und Jugendlichen und dient als beratendes Gremium der Stadt. 25 Mitglieder werden von den Kindern und Jugendlichen der Stadt gewählt und sind aktiv in das politische Geschehen eingebunden – und tagen auch ganz offiziell im großen Plenarsaal der Stadt, in dem auch der Stadtrat tagt.

In Sofies Augen ist dies keine Selbstverständlichkeit. „Wir sind nicht in irgendeiner Kammer, in der Schule oder so. Wir haben wirklich die Mittel, auch von der Stadt. Das finde ich toll.“ Im Schnitt einmal im Monat treffen sich die jungen Menschen zum Plenum – wenn nicht gerade Schulferien sind. Immer mit dabei: Ein Vertreter oder eine Vertreterin des Stadtrats, meistens die Oberbürgermeisterin selbst. Einer der Tagesordnungspunkte: Berichte aus dem Rathaus. Es werden Fragen gestellt, diskutiert und Anträge geschrieben.

Sofie Bauer am Sitzungstisch im Plenarsaal Regensburg

Die Vorsitzende des Jugendbeirats Regensburg, Sofie Bauer, bei einer Sitzung im Plenarsaal.

© Bilddokumentation Stadt Regensburg

Aber finden die Stimmen der Jugendlichen auch wirklich Gehör? Das Gefühl hat Sofie schon: „Es ist immer auf Augenhöhe. Es ist nicht so ‚ich kleines Mädchen und du hier der Stadtrat‘. Weil auch die Menschen im Stadtrat glaube ich zum größten Teil verstehen, dass es ohne Jugend langsam nicht mehr geht. Weil wir die Zukunft sind.“

Alleine in ihrer Amtszeit hat Sofie schon einige Anträge durchbringen können. Zum Beispiel der Antrag auf kostenfreie Menstruationsprodukte an Schulen. „Kostenfreie Menstruationsartikel sind aus vielen Gründen sehr wichtig, aber eben auch für eine Stadt sehr cool, wenn sie es macht. Wenn man damit Vorreiter ist.“ Die Stadt gab dem statt – jetzt wird in einem Probelauf an jeder Schule ein Automat für Menstruationsartikel installiert und die Befüllung von der Stadt bezahlt. Ein voller Erfolg! Erfolgreich waren auch der Antrag zur Beleuchtung des Königswiesen Parks und der postkoloniale Stadtrundgang, den die Anti-Diskriminierungs- und Rassismus AG entwickelt hat, der jedes Mal ausverkauft war.

Gruppenbild: Anti-Diskriminierungs- und Rassismus-AG der Stadt Regensburg

Schülerinnen und Schüler auf postkolonialer Spurensuche in der Regensburger Altstadt.

© Bilddokumentation Stadt Regensburg

Sofies Engagement kommt nicht von irgendwoher: „Ich glaube viele Jugendliche in unserem Alter sind durch die gleichen Themen politisiert: Klimawandel, Gleichberechtigung und Inklusion.“ Doch da sie in ihrem Alter noch nicht wählen darf, endet ihre Möglichkeit der Partizipation quasi vor der Wahlurne. Ihr Engagement in der Schülervertretung und dann später im Jugendbeirat ist ihr Versuch, trotzdem so gut wie möglich zu partizipieren. Denn für sie bedeutet Partizipation „zu sehen, dass ich eine Stimme habe und dass ich die auch einsetzen sollte, weil ich diese Verantwortung habe.“

Beeskow: Beteiligung geht durch den Magen

Mit etwas mehr kulinarischen Genuss engagieren sich Kinder und Jugendliche in der Gemeinde Beeskow in Brandenburg. Hier hat sich das Partizipationsformat Pizza & Politik etabliert. Eine Schülerin, die seit der ersten Stunde mit dabei ist, ist Emma Charlotte (17): „Bei Pizza und Politik geht es darum, dass wir zu aktuellen Themen in Beeskow gefragt werden. Wir können auch eigene Punkte mit einbringen, die uns beschäftigen. Und sagen, was wir uns für Beeskow wünschen. […] Es ist einfach eine Gruppe mit vielen bunten, lieben Menschen, die zusammen eine kinder- und jugendfreundliche Kommune schaffen wollen.“

Willkommen sind alle Kinder und Jugendliche aus Beeskow und der Umgebung – sie sollten nur etwas Hunger mitbringen, denn der Name ist Programm. Hier wird jede politische Diskussion von dem wohltuenden Geruch frischer Pizza begleitet. Dieser Anreiz geht voll und ganz auf: In den Anfängen von Pizza & Politik ging es darum, mit den Kindern und Jugendlichen im kleinen Kreis das Bürgerbudget der Stadt zu besprechen. Schnell entwickelte sich die Gruppe jedoch zu einem Treffpunkt für junge Menschen aus allen Schulen, die Lust und Laune haben, etwas in Beeskow zu bewegen und zu verändern.

Organisiert werden diese monatlichen Treffen von Karolin Ring. Sie ist wie eine Mentorin. „Falls mal unterschiedliche Meinungen auftreten, was ja nichts Schlimmes ist, sondern total wichtig, guckt sie, dass die Diskussion sachlich abläuft. Sie managet das alles mit uns.“, erzählt Emma Charlotte. Die Unterstützung durch eine Erwachsene empfindet sie als eine ziemlich gute Absicherung. Als junger Mensch steckt man ja selbst noch in einem Lernprozess.

Die Themenagenda der einzelnen Treffen bestimmen die Kinder und Jugendlichen aber immer noch selbst. So geht es zum Beispiel um die Begrünung der Stadt oder die Planung von anstehenden Veranstaltungen. Auch von der Stadt werden Tagesordnungspunkte in die Runde eingebracht, hin und wieder kommt auch der Bürgermeister vorbei. „Der Austausch mit der Politik ist immer ein Lernen voneinander und das ist einfach eine super coole Erfahrung, wie es funktionieren kann,“ stellt Emma Charlotte fest.

Das Beste, was man als Kind lernen kann: Man muss sich engagieren, um Dinge zu bewirken. Es bringt nichts, wenn ich nur meckere.

Emma Charlotte Friedrich (17), Engagierte

Das Engagement von Pizza & Politik brachte der Kommune bereits einen Sandkasten auf dem Marktplatz und eine Wimpelkette an der Spree. Zudem gestaltet Pizza & Politik regelmäßig eine Doppelseite im Stadtmagazin. Ein großes Herzensprojekt von Emma Charlotte: Die Organisation und Planung eines großen Klimafestivals für das kommende Jahr. Weil es ihr wichtig ist, dass Beeskow grün wird und etwas für das Klima tut. Mit Freunden hat sie bereits in der Vergangenheit einen Klimastreik in Beeskow organisiert. „Zwar ist Beeskow jetzt nicht die Welt und auch nicht Berlin, aber ich denke, dass wenn man wirklich was im Kleinen verändern kann, hat man auch als Kind und Jugendlicher das Gefühl ‚Ich werde gehört‘.“

Für die Zukunft wünscht sie sich vor allem eines: Dass Pizza & Politik weitergeht. „Wichtig ist, dass gesehen wird: Da gibt es Leute, die zwar klein sind, aber die planen und engagieren sich trotzdem für so viel Großes auf der Welt.“

Auch wenn die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in einigen Gemeinden und Städten schon gut funktioniert, bleibt auf Bundesebene noch viel zu tun. Sofie hat dazu einen großen Wunsch: Obwohl Regensburg schon sehr viel für die Jugendlichen tut, träumt sie von einem Wahlrecht ab 16 Jahre.

Valena Brand
Autor*in Valena Brand

Valena Brand arbeitet in der Abteilung Presse und Öffentlichkeitsarbeit und bloggt über die UNICEF Programminitiativen für Kinder und Jugendliche in Deutschland.