© UNICEF/UN0732503/ShahanSyrien: Ahmad zeigt hält Schulheft in die Kamera.
Kinder weltweit

Auf Umwegen in die Schule

Ahmad aus Syrien ist elf Jahre alt – und geht in die erste Klasse. Für ihn ist das ein großer Erfolg, denn Lernen fällt ihm besonders schwer.


von Lena Toschke

Einmal, zweimal. Bis die Flamme schließlich erlischt. Was für an­dere Elfjährige ein Kinderspiel ist, gelingt Ahmad nur mit Mühe. Denn seit seiner Geburt ist er beim Lernen und vielen anderen Dingen langsamer als andere Jungen und Mädchen. Auch das Sprechen fällt ihm schwer. Pusten ist deshalb eine gute Übung: Es trainiert die Muskeln rund um Mund und Lippen, die er zum Formen von Wörtern braucht.

Syrien: Ahmad pustet die Kerze aus, die seine Lehrerin hochhält.

Mit seiner Lehrerin übt Ahmad im Förderunterricht Kerzen auszupusten. Das stärkt die Sprechmuskulatur.

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Dass Ahmad anders ist als seine zehn Geschwister, fällt seinen Eltern schon auf, als er noch klein ist. Ärztinnen und Ärzte vermuten zunächst, dass er an einer geistigen Behinderung leidet. Schnell ist klar: Er braucht eine besondere Förderung. Doch gerade in seiner Heimat, in Syrien, ist die nicht leicht zu bekommen. Seit zwölf Jahren herrscht dort Krieg (mehr dazu im Kasten auf Seite 26). Schon für normalen Schulunterricht fehlt es an Lehrerinnen und Lehrern, jedes fünfte Schulgebäude im Land ist zerstört oder nicht nutzbar, und vielerorts ist der Schulweg gefährlich. Doch Ahmads Geschwister haben Glück: In ihrer Heimatstadt Dar’a, wo die Familie in einer kleinen Wohnung lebt, können sie zum Unterricht gehen.

Syrien: Ahmad geht mit seiner Mutter Hand in Hand über den Schulhof.

Hand in Hand überquert Ahmad mit seiner Mutter den Schulhof. Hier geht er mittlerweile in die erste Klasse.

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Nur für Ahmad gibt es lange Zeit keine passende Schule, auch weil Ärztinnen und Ärzte mit ihrer Diagnose falsch lagen. Ahmad ist nicht geistig behindert, nur eine Lernschwäche bremst ihn aus. „Es hat mich sehr traurig gemacht, meinen Geschwistern dabei zuzusehen, wie sie zur Schule gingen, während ich das nicht konnte. Manchmal musste ich deswegen weinen“, erzählt er.

Syrien: Ahmad sitzt im Matheunterricht und schaut sich mit seiner Lehrerin sein Aufgabenheft an.

Bild 1 von 2 | Erstklassig: Ahmad strengt sich an, denn er möchte später einmal Ingenieur werden.

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Syrien: Ahmad und seine Lehrerin sitzen vor einem Lernspiel.

Bild 2 von 2 | Im Förderunterricht trainiert Ahmad auch sein Gedächtnis, um in der ersten Klasse besser zurechtzukommen.

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Doch schließlich bekommt Ahmad doch noch seine Chance: Dank UNICEF nimmt ihn im Mai vergangenen Jahres ein Förderprogramm für Kinder mit Lernschwierigkeiten auf. Dort darf er täglich in seinem Tempo üben – etwa Kerzen auszupusten, zu malen und zu sprechen. Ahmad legt sich ins Zeug. Denn er hat sein Ziel direkt vor Augen: die erste Klasse. Dafür bringen er und seine Familie Opfer. Weil die Familie mittlerweile etwas außerhalb von Dar’a wohnt, müssen Ahmad und seine Geschwister eine Stunde lang zur Schule laufen, wo Ahmads Brüder und Schwestern dann in ihre Klassen gehen – und Ahmad den Förderunterricht besucht. Ahmads Mutter begleitet die Kinder.

Drei Monate lang beißt sich Ahmad durch den Einzel- und Gruppen­unterricht durch. Er setzt Holz­puzzle zusammen, lernt etwas lesen, schreiben und rechnen. Dann ist es so weit: Ahmad wird eingeschult. „Ich war sehr aufgeregt, und es war kein leichter erster Tag, aber die Lehrerinnen und Lehrer haben mir geholfen, mich zurechtzufinden“, erinnert er sich. Für Ahmad geht damit ein Traum in Erfüllung: Er ist ein richtiges Schulkind.

Syrien: Ahmad spielt mit anderen Kindern auf dem Schulhof.

Jetzt gehört er dazu: In der Pause spielt Ahmad mit seinen Mitschülern und Mitschülerinnen.

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Autor*in Lena Toschke