Menschen für UNICEF

Wir sind die Kinder Syriens, bitte vergesst uns nicht!


von Ellen Reichel

Momentan sind zehn unserer UNICEF-Ehrenamtlichen auf Projektreise in Jordanien. Sie alle sind in ihrer Stadt schon länger ehrenamtlich für UNICEF aktiv und haben sich auf die Projektreise beworben. Sie wurden ausgewählt, weil sie wissen, wie sie UNICEF-Anliegen und -Themen den Menschen nahe bringen können und das nach ihrer Reise gerne noch intensiver tun wollen.

Hier im Blog berichten sie von ihren Erlebnissen und der UNICEF-Arbeit vor Ort.

Projektreise nach Jordanien Teil 4: Flüchtlingscamp Azraq

Am vierten Tag unserer Projektreise steht der Besuch des Azraq Camp inmitten der Wüste auf dem Programm, ungefähr 1,5 Autostunden östlich von Amman und 90 km von der syrischen Grenze entfernt. Es wurde Ende April 2014 eröffnet. Heute leben über 54.000 Menschen hier. Bei der Ankunft am Eingangstor macht sich in mir ein sehr beklemmendes Gefühl breit: Vor uns eine lange Straße, im Hintergrund sehe ich Hügel, auf denen sich Hütten in Reih und Glied fast nicht vom steinigen Sandboden der Wüste abheben. Wir sind mitten im Nirgendwo. Hier gibt es nichts, noch nicht einmal Farbe.

Projektreise Jordanien: Hütten im Flüchtlingscamp Azraq
© UNICEF/Kerstin Schönenborn

UNICEF Hilfe kommt an!

Wir passieren eine Reihe LKWs, die Boxen mit Hilfsgütern von UNICEF geladen haben. Später beim Briefing im UNICEF-Container erfahren wir von Ghaith Aljalabneh, dem UNICEF Field Support Officer, dass es sich um Familien-Hygienesets handelt. Diese enthalten beispielsweise Zahnpasta und –bürsten, Seife, Waschmittel und Shampo. UNICEF verteilt diese Boxen an 16.000 Familien.

Projektreise Jordanien: Trucks voller UNICEF-Hilfsgüter
© UNICEF/Kerstin Schönenborn

Bei unserem Besuch in einem Makani-Zentrum zeigt uns Seema Al Zibdeh, UNICEF Mitarbeiterin im Bereich Kinderschutz, den Fernsehraum. Dort läuft gerade eine Folge von „Adnan und Lina“, einer beliebten Zeichentrickserie. „Alle Kinder schauen gerne fern. Da sie im Camp keine andere Möglichkeit dazu haben, ist eine Stunde Fernsehen am Tag auch ein Anreiz für die Kinder zu uns ins Makani-Zentrum zu kommen“, erklärt mir Seema. Dort können die Kinder dann beispielsweise an Schulunterricht teilnehmen, mit ihren Freunden spielen, Computerkurse besuchen oder Taekwondo lernen.

pure sports

Draußen auf dem Fußballplatz des Zentrums wird es lauter. Spontan wird ein Fußballspiel organisiert: Team Syrien gegen Team Unicef. Alle strömen zum Feld.

"This is what I love about sports: no woman, no man, no county. Pure sports!", bringt es Samir, ein jordanischer Unicef-Mitarbeiter, auf den Punkt. Wir haben keine Chance und verlieren deutlich. Aber um das Gewinnen geht es in diesem Moment überhaupt nicht.

Der Kontrast zwischen dem Azraq Camp draußen und der Oase des Makani Zentrums könnte nicht größer sein. Ich stehe am Rand des Fußballfeldes und feure gemeinsam mit geflüchteten Kindern aus Syrien die Spieler und Spielerinnen an. Wir haben Spaß und freuen uns gemeinsam über jede gelungene Aktion auf dem Feld. Ich schaue in die strahlenden Augen der Kinder und vergesse für einen Moment, wo ich bin und was diese Kinder vor ihrer Ankunft in Jordanien erlebt und durchgemacht haben.

„Wir bedauern es sehr, unseren Kindern keine unbeschwerte Kindheit bieten zu können.“

Wie wichtig es für die Kinder ist, einen Ort zum Spielen und Kindsein zu haben, wird mir bei unserem Besuch bei der achtköpfigen Familie von Fatima Al Shihan noch einmal besonders klar. Im Gespräch spüre ich die große Hoffnungslosigkeit deutlich. Nach über fünf Jahren Krieg in ihrem Heimatland Syrien sehen sie kaum noch Perspektiven für sich und ihre Familie. Alles, was sie sich in ihrem Leben aufgebaut haben, ist verloren. Sie haben ihre Heimat verlassen, um ihre Kinder zu retten und ihnen eine Zukunft zu bieten. Doch die Gewalt, die sie in Syrien mit ansehen mussten, dominiert immer noch die Gedanken und Erinnerungen der Kinder.

Projektreise Jordanien: Familie Al Shihan und UNICEF-Ehrenamtliche
© UNICEF/Frank Jonat

Sie wünschen sich sehnlichst Frieden in Syrien, damit sie zurückkehren und ihre Heimat wiederaufbauen können. „Doch mit jedem Tag im Azraq Camp werden unsere Hoffnungen und Träume kleiner. Solange wir im Camp leben, sind uns die Hände gebunden,“ sagt Fatimas Onkel. Ich frage ihn, was getan werden kann, solange es noch keinen Frieden in Syrien gibt. Zunächst müssten die Lebensumstände im Camp verbessert werden, beispielweise die Versorgung mit Lebensmitteln und medizinischer Betreuung. Dann brauchen die Schulen dringend mehr Lehrer.

Die Kinder brauchen vor allem kontinuierliche Angebote, die es ihnen ermöglichen, ihre Zukunft positiv zu gestalten statt darüber nachzudenken, was sie mit angesehen und erlitten haben.

Ihre Botschaft, die wir mit nach Deutschland nehmen sollen, lautet:

"Vielen Dank für die Aufnahme Geflüchteter aus Syrien in Deutschland. Bitte vergesst uns nicht! Wir brauchen eure Unterstützung!"

Wir können Fatimas Familie ihre Hoffnungslosigkeit nicht nehmen. Aber wir versprechen ihnen, ihre Botschaft mit nach Deutschland zu nehmen und sie weiterzutragen.

UNICEF Jordanien bedankt sich

Samir Badran aus der Kommunikationsabteilung im UNICEF-Büro Jordanien bedankt sich bei allen deutschen Unterstützern.

Reisetagebuch

Lesen Sie hier alle Berichte der UNICEF-Ehrenamtlichen von ihrer Reise nach Jordanien:

Teil 1: Agents of Change: Die Gesichter UNICEF Jordaniens

Teil 2: Makani – das ist „mein Ort“

Teil 3: Za’atari: Heimat und Hilfe in Zeiten des Krieges

Teil 4: Wir sind die Kinder Syriens, bitte vergesst uns nicht!

Übersicht aller Berichte

Haben Sie auch Interesse, ehrenamtlich bei UNICEF mitzuwirken? Machen Sie es den anderen Reisenden nach und informieren Sie sich in unserer Rubrik Engagement für UNICEF über die zahlreichen Möglichkeiten.

Ellen Reichel
Autor*in Ellen Reichel

Ellen Reichel ist eine von zehn UNICEF-Ehrenamtlichen, die in Jordanien geflüchtete Kinder und Jugendliche in Schulen, Jugendzentren und Flüchtlingsunterkünften treffen.