Paul (11) aus Kenia: Dank Fußball im Slum zur Schule
An den Tag, der sein Leben verändert hat, erinnert sich Paul noch genau. Als er die Nachricht bekam, dass er in die Fußball-Akademie aufgenommen wird, hat der damals achtjährige Junge geweint vor Glück.
Fußball hat er vorher auch gespielt – auf der Straße, im Slum Korogocho in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Doch das war damals das einzige, das ihm Spaß gemacht hat. Die restliche Zeit saß er zu Hause vor dem alten Fernseher oder suchte mit den anderen Jungen auf der nahen Müllkippe nach verwertbarem Material. Zur Schule gingen Paul und seine Geschwister damals seit einem Jahr nicht, das konnte sich ihre Mutter nicht leisten.
Judith Achieng sieht müde aus und älter als ihre 32 Jahre. Kein Wunder, seit fünf Jahren zieht die Mutter ihre fünf Kinder – bei der Geburt des ersten Sohnes war sie selbst erst 16 – alleine auf. An sechs Tage pro Woche arbeitet sie von 6.30 Uhr morgens bis 19.30 Uhr abends und macht Mandasi, ein Donut-ähnliches Gebäck, das sie anschließend in schweren Kisten in den zweiten Stock eines kleinen Lagers schleppen muss. Damit verdient sie umgerechnet rund drei Euro am Tag. Nach Abzug der Miete für ihre winzige Wellblech-Wohnung bleibt kaum noch Geld zum Überleben übrig. Die achtjährige Grundschule in Kenia ist zwar offiziell kostenlos, aber es müssen trotzdem Anmeldegebühren bezahlt, Schulmaterial und Schuluniformen gekauft werden.
Judiths Kinder in Kenia mussten Schule verlassen
Judith hatte vor drei Jahren keine andere Wahl als ihre Kinder von der Schule zu nehmen. Ihre Tochter Yvonne, damals erst zwölf, übernahm die Mutterrolle für ihre jüngeren Geschwister und kümmerte sich um den Haushalt, während die Mutter arbeiten ging. Auch Yvonne, heute 15, sieht man die Strapazen der letzten Jahre an. Ein Lächeln zeigt sich auf ihrem Gesicht nur selten.
Ganz anders der elfjährige Paul, der spitzbübisch grinst und es „faustdick hinter den Ohren hat“, wie Stefan Köglberger sagt. Als Mitgründer und Berater der österreichisch-kenianischen „Fußball-Akademie“, die von UNICEF unterstützt wird, kennt Stefan Köglberger die Kinder gut.
„Paul ist ein echtes Fußball-Talent“, sagt Stefan Köglberger. „Wir haben zuerst ihn in die Acakoro Akademie aufgenommen, dann aus sozialen Gründen auch seine Geschwister.“ Die Teilnahme an der Fußball-Akademie ist mit einem Stipendium verbunden, aber auch mit einer Bedingung: Nur, wer zum Unterricht geht und sich anstrengt, darf auch Fußball spielen. 120 Jungen und Mädchen zwischen sieben und 17 Jahren sind an der Fußball-Akademie eingeschrieben.
Von der Müllkippe auf den Fußballplatz und auf die Schulbank
„Viele Kinder hier im Slum sind den ganzen Tag sich selbst überlassen“, sagt Köglberger. „Durch den Fußball haben sie eine sinnvolle Beschäftigung und lernen nebenbei spielerisch Werte wie Teamspirit, Regeln befolgen, Respekt und Selbstvertrauen.“ Für Kinder wie Paul, meint er, war der Fußball die Rettung. „Auch wenn er jetzt nicht mehr darüber spricht, damals hat Paul auf der Müllhalde nach Essen gesucht. Es ist hier die Hölle auf Erden. Ohne das Programm wäre Paul heute schon sicher kriminell.“
Paul ist kein Musterschüler, aber er verbessert sich stetig. Auf dem Fußballplatz ist er dafür einer der Besten. „Ich bin ein sehr guter Spieler“, sagt der Junge selbstbewusst. „Warum? Ganz einfach: „Ich mache nicht viele Fehler.“ Er spielt im Mittelfeld, wie viele Jungen ist er ein Fan von Messi und dem FC Barcelona. Sein Berufswunsch – Profifußballer natürlich.
Nach der Schule gehen Paul und seine Geschwister zu den Räumen der Akademie, ziehen eilig ihre Schuluniformen aus und ihre Trikots an. Etwas zappelig stehen sie kurze Zeit später mit den anderen Kindern auf dem Fußballplatz, der wie eine bunte Oase in dem verdreckten Slum wirkt. Sie erhalten Schulmaterial von UNICEF: Schulrucksäcke, Hefte, Stifte, Lineale. Darüber freuen sie sich tatsächlich so sehr, dass sie auch beim Fußball spielen ihre Rucksäcke gar nicht mehr ausziehen wollen.
UNICEF Kenia plant, die Unterstützung für das Programm weiter auszubauen, damit eine zweite Mädchenmannschaft gegründet werden kann. Pauls Schwester Yvonne ist Torwart im bisher einzigen Mädchen-Team. „Als ich nicht zur Schule gehen konnte, war das die schlimmste Zeit für mich“, sagt Yvonne.
„Die anderen Leute haben uns ausgelacht oder schlecht über uns geredet. Jetzt bin ich glücklich.“