Kinder weltweit

Alptraum Abschiebung


von Christian Schneider

Angst vor Tod und Gewalt, die Schrecken der Flucht, Alpträume, die noch nach Jahren wiederkehren. Das Grauen des Krieges bleibt für viele Familien in Deutschland ein prägender Teil der eigenen Geschichte.
Aus unserer Geschichte ergibt sich auch die besondere Verantwortung des Staates für Menschen, die heute von kriegerischer Gewalt bedroht sind. „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, sagt das Grundgesetz. Und ich bin froh, dass Deutschland dem gerecht wird, wenn es gilt, Schutzbedürftige aufzunehmen. Das war auch so, als während der Balkankriege in den 90er Jahren Zigtausende Menschen Zuflucht bei uns suchten, unter ihnen etwa 50.000 Angehörige der ethnischen Minderheiten Roma, Ashkali und „Ägypter“ aus dem Kosovo.

Kosovo Roma Leposavic

Roma-Kinder im Flüchtlingslager Leposavic im Kosovo.

© UNICEF/Lena Dietz

Etwa 12.000 von ihnen sollen nun zurück in den Kosovo. Wenn nötig, unter Zwang. Unter ihnen sind bis zu 6.000 Kinder und Jugendliche, die meisten hier geboren, eingebunden in die Schule, in ihren Freundeskreis. Heute stellen wir in Berlin eine Studie vor, für die ein Team aus Psychologen, Ärzten und Sozialwissenschaftlern rückgeführte Jungen und Mädchen im Kosovo befragt hat (UNICEF-Studie “Stilles Leid”). Sie wurden in ein Land gebracht, in dem die meisten nie zu Hause waren, in dem sie am Rand der Gesellschaft stehen. Die Ergebnisse aus Gesprächen mit 164 Kindern gehen unter die Haut: Der Alptraum Abschiebung, und halten Sie sich nur das Wort „ABSCHIEBUNG“ einmal vor Augen, macht die Kinder krank. Viele klagen über Angst, Schmerzen, Nervosität. Sie berichten, dass nachts an die Tür geklopft wurde, dass sie angeschrien wurden. Noch einmal: Dies sind Kinder, deren Familien in größter Not vor dem Krieg geflohen sind. Auch viele ihrer Eltern bräuchten psychologische Unterstützung, haben Grauenhaftes mitgemacht.

„Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist“ – das ist der grundlegende Gedanke der UN-Konvention über die Rechte des Kindes. Das heißt: Bei jedem einzelnen Kind, sechstausend Mal, müssen die Behörden prüfen, ob die Rückführung mit dem Wohl der Kinder in Einklang zu bringen ist. Oder ob es besser ist, wenn sie bleiben dürfen, nach all den Jahren Kindheit in Deutschland. Unsere Studie spricht hier eine deutliche Sprache.

Afghanistan: UNICEF-Geschäftsführer mit Schülerinnen in einem Learning Center | © UNICEF
Autor*in Christian Schneider

Christian Schneider ist Vorsitzender der Geschäftsführung des Deutschen Komitees für UNICEF, ein Schwerpunkt der Arbeit ist seit Jahren die Situation von Kindern in Krisenregionen. Er hat Ethnologie, Politikwissenschaften und Publizistik studiert und war vor der Zeit bei UNICEF als Journalist für verschiedene Tageszeitungen tätig.