Gewalt hinterlässt Spuren: Ein Junge schaut auf seinen Bauch.

Was ist Gewalt gegen Kinder?

Jedes Kind hat ein Recht darauf, ohne Gewalt groß zu werden. Dies haben fast alle Staaten der Erde mit der UN-Konvention über die Rechte des Kindes anerkannt. Und doch werden unzählige Kinder heutzutage noch immer geschlagen, niedergebrüllt, vernachlässigt und erniedrigt – sei es aus Gleichgültigkeit, Unwissenheit oder Überforderung.

Das Paradoxe ist: Wir wissen immer mehr über die unterschiedlichen Formen der Gewalt und ihre gravierenden Folgen für Kinder. Und doch verschließt unsere Gesellschaft bis heute oft davor die Augen. Viele tolerieren Gewalt gegen Kinder weiterhin. Manche sehen sie sogar als unvermeidlich oder gar notwendig an. Umso wichtiger ist es, das gesellschaftliche Bewusstsein für Gewalt gegen Kinder zu schärfen. Sich ihr entgegenzustellen, muss endlich als Daueraufgabe unserer gesamten Gesellschaft verstanden werden. Nur so können alle Kinder sicher und gut aufwachsen.

Aber was ist Gewalt in der Erziehung? Wann beginnt sie? Und was kann man dagegen tun? Hier haben wir die wichtigsten Informationen für Sie zusammengestellt.

Was ist Gewalt in der Erziehung?

Gewalt gegen Kinder hat viele Gesichter. Anders als vielfach angenommen, wird sie häufig gerade durch diejenigen ausgeübt, die den Kindern am nächsten sind – ihre Eltern, Erziehende oder andere Bezugspersonen.

Beispiele gibt es leider viele – seien es Schläge, eine Ohrfeige oder regelmäßige Demütigungen durch Sätze wie "Du schaffst das sowieso nicht". Aber Gewalt ist auch, wenn ein Kind ständig stundenlang sich selbst überlassen wird. Und wenn ein Kind körperlich oder emotional nicht ausreichend versorgt wird oder es verwahrlost in die Schule kommt. Jegliche Handlungen, die einem Kind Schaden zufügen oder ihm schaden könnten, gehören dazu – und auch das Unterlassen essentieller Handlungen. Dabei spielt es für das Kind keine Rolle, ob diejenigen, die die Gewalt ausüben, ungewollt oder bewusst handeln.

Wenn Gewalt gegen Kinder durch Menschen ausgeübt wird, die eigentlich für ihren Schutz verantwortlich sind, wird dies als Misshandlung ("maltreatment") bezeichnet. Unterschieden wird dabei zwischen körperlicher Misshandlung, sexualisierter Gewalt, psychischer bzw. emotionaler Misshandlung und Vernachlässigung. Die verschiedenen Formen von Gewalt lassen sich nicht immer eindeutig voneinander abgrenzen – häufig treten sie gemeinsam auf.

Psychische Misshandlung: Erniedrigungen durch Worte, Diskriminierung, Anschreien, Liebesentzug bis hin zu Bedrohungen und offener Verachtung.

Körperliche Misshandlung: Physische Gewalt gegen Kinder, wie beispielsweise das Schlagen mit Händen und Gegenständen sowie Schütteln, Beißen, Verbrühen und Vergiften.

Sexualisierte Gewalt: Jede sexuelle Handlung an und mit Kindern, die gegen deren Willen geschieht oder der sie aufgrund körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen können.

Vernachlässigung: Das Versagen, einem Kind grundlegende körperliche und emotionale Bedürfnisse im Bereich der Gesundheit, Bildung, emotionalen Entwicklung, Ernährung, Unterbringung und nach einem sicheren Lebensumfeld zu erfüllen.

Wo beginnt Gewalt?

Gewalt gegen Kinder kann bereits dort beginnen, wo kindliche Grundbedürfnisse wie Respekt, Sicherheit, körperliche Unversehrtheit und emotionale und soziale Unterstützung nicht erfüllt werden. Sie kann beginnen, wenn Erwachsene Kinder nicht als eigenständige Persönlichkeiten respektieren, sondern Macht über sie ausüben oder sie kontrollieren wollen. So wird den Kindern schnell ein Gefühl von Ohnmacht, Wertlosigkeit, Angst und Abhängigkeit vermittelt.

Ein Mädchen vergräbt den Kopf zwischen Armen und Beinen.

Viele Kinder werden täglich beschimpft und dadurch erniedrigt auch das ist Gewalt.

© UNICEF/UNI394312/Madeline Kelly

Was genau ist psychische Gewalt gegen Kinder?

Gemeinsames Spielen, ein offenes Ohr für Ideen oder Ängste, ein paar aufbauende Worte – all dies ist für viele Mädchen und Jungen nicht selbstverständlich. Im Gegenteil: Durch Beschimpfungen wie "Versager" werden unzählige Kinder weltweit tagtäglich erniedrigt und gedemütigt. Sie werden innerhalb der Familie bloßgestellt – oder bei Konflikten einfach niedergebrüllt. Dies alles ist psychische Gewalt.

Psychische Misshandlung gehört zu den häufigsten Formen von Gewalt gegen Kinder. Ihre Folgen können ebenso verheerend sein wie die sexualisierter oder körperlicher Gewalt – das ist vielen von uns noch immer nicht bewusst.

Was sind die Folgen von Gewalt für Kinder?

Die Folgen von Gewalt belasten viele Kinder ein Leben lang, das belegen zahlreiche Studien. Denn auch wenn die Gewalt keine äußerlich sichtbaren Verletzungen hinterlässt, bleiben oft tiefe seelische Narben.

Kinder, die Gewalt erleben, sind massivem Stress ausgesetzt. Ihre kindliche Welt, ihr Bedarf nach Sicherheit und Geborgenheit wird durch Gewalt massiv bedroht. Dies kann ihre psychische und körperliche Entwicklung stark beeinträchtigen: Viele betroffene Kinder fühlen sich wertlos und ohnmächtig, verlieren das Vertrauen in Erwachsene und sich selbst, entwickeln weniger Selbstvertrauen und leiden unter Angst oder sogar Depressionen. Die Gewalt kann zudem ihre Fähigkeit beinträchtigen, zu lernen oder positive Beziehungen einzugehen. Langfristig kann dies zu einem niedrigeren Bildungsgrad führen und sich auf ihre berufliche Entwicklung auswirken.

Wichtig ist jedoch auch: Viele betroffene Kinder zeigen eine unglaubliche Widerstandskraft, wenn es darum geht, das Erlebte zu verarbeiten. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie durch andere Personen Vertrauen, Anerkennung und Unterstützung erfahren. Umso wichtiger ist es, dass ihnen schnell geholfen wird.

Welches Ausmaß hat Gewalt gegen Kinder?

Es ist schwierig, das tatsächliche Ausmaß von Gewalt gegen Kinder zu erfassen. Das Dunkelfeld ist groß. Deshalb ist es wichtig, dass wir dieses Dunkelfeld ausleuchten.

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass weltweit jedes Jahr eine Milliarde Kinder und Jugendliche zwischen zwei und 17 Jahren von physischer, sexualisierter oder psychischer Gewalt betroffen sind.

Und eine UNICEF-Studie aus dem Jahr 2017 zeigt, dass weltweit drei von vier Kindern zwischen zwei und vier Jahren körperliche oder psychische Gewalt durch ihre Eltern oder andere Erziehende erfahren.

Auch in Deutschland sind die Zahlen erschreckend. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2017 berichteten etwa 31 Prozent der Befragten, dass sie eine Form von Misshandlung mit mindestens moderatem Schweregrad erfahren hatten.

Was kann ich tun, wenn ich Gewalt wahrnehme?

Viele Menschen fühlen sich hilflos, wenn sie Zeuge von Gewalt werden oder vermuten, dass ein Kind Gewalt erlebt. Doch jede und jeder von uns kann dabei helfen, Kinder besser zu schützen. Wir alle müssen aufmerksam sein und dafür sorgen, dass sie Hilfe erhalten. Das ist Aufgabe unserer gesamten Gesellschaft.

Dies bedeutet, dass wir Kindern und Jugendlichen zuhören und sie ernst nehmen, wenn sie von Gewalt zu Hause, in der Schule oder der Kita erzählen. Und dass wir uns Hilfe holen und darüber reden, wenn wir uns Sorgen um ein Kind machen oder glauben, dass es möglicherweise Gewalt erfährt. Dies ist ein erster wichtiger Schritt.

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