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„Kinder sind die ersten, die leiden“

Zusammenfassung des Statements von Ted Chaiban, stellv. UNICEF-Direktor, anlässlich des Briefings des UN-Sicherheitsrats zum Thema Kinder in bewaffneten Konflikten am 3. April 2024

New York/ Köln

Konflikte mehren sich weltweit, und es kommt immer wieder zu schwerwiegenden Kinderrechtsverletzungen. Die Verweigerung des Zugangs für humanitäre Hilfe ist eine besonders verbreitete, vielschichtige und komplexe schwere Kinderrechtsverletzung.

Dies bedeutet, dass Parteien den Zugang willkürlich einschränken, beispielsweise indem grundlegende Dienste eingestellt werden, die Bewegungsfreiheit der Zivilbevölkerung auf der Suche nach Hilfe und Schutz eingeschränkt wird oder durch bürokratische und administrative Hindernisse.

Es kann auch bedeuten, dass Einrichtungen, die lebensrettende Dienste bereitstellen (z. B. Wasser- und Sanitäranlagen) angegriffen werden, dass humanitäres und medizinisches Personal angegriffen wird und dass Belagerungstaktiken angewandt werden. All dies hat verheerende Folgen für die humanitäre Lage von Kindern.

Im Januar habe ich zum zweiten Mal seit Oktober 2023 den Gazastreifen besucht und gesehen, wie dramatisch sich die Situation der Kinder verschlechtert hat. Die weit verbreitete Zerstörung der logistischen Infrastruktur, die Quasi-Blockade des nördlichen Gazastreifens, die wiederholte Verweigerung oder Verzögerung des Zugangs für humanitäre Konvois, die Treibstoffknappheit und die Strom- und Telekommunikationsausfälle haben drastische Auswirkungen auf Kinder. Auch Angriffe auf Mitarbeitende humanitärer Organisationen haben den Zugang zu humanitärer Hilfe schwer beeinträchtigt. Die Vereinten Nationen, insbesondere UNRWA, verzeichnen die höchste Zahl von Todesfällen in ihrer Geschichte. Und diese Woche wurden unsereKolleg*innen von World Central Kitchen bei Angriffen getötet, als sie versuchten, hungernde Menschen zu versorgen.

Infolge dieser Einschränkungen haben Kinder keinen Zugang zu altersgerechten Nahrungsmitteln oder medizinischer Versorgung und verfügen über weniger als zwei bis drei Liter Wasser pro Tag. Die Folgen sind eindeutig. Im März berichteten wir, dass jedes dritte Kind unter zwei Jahren im nördlichen Gazastreifen an akuter Mangelernährung leidet – eine Zahl, die sich in den letzten zwei Monaten mehr als verdoppelt hat. Berichten zufolge sind in den letzten Wochen Dutzende Kinder im nördlichen Gazastreifen an Mangelernährung und Dehydrierung gestorben; die Hälfte der Bevölkerung leidet unter katastrophalem Hunger.

Im Sudan – Schauplatz der weltweit größten Vertreibungskrise für Kinder – haben Gewalt und die eklatante Verweigerung von Genehmigungen für humanitäre Hilfslieferungen die Not der Kinder maßgeblich verschärft. Die Zahl der Kinder, die wegen schwerer akuter Mangelernährung eine Behandlung benötigen, hat einen Höchststand erreicht, doch Angst und Unsicherheit hindern sowohl Familien als auch medizinisches Personal daran, Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen aufzusuchen. Das Gesundheitssystem ist nach wie vor überlastet. Es kommt zu Angriffen auf die Gesundheitsversorgung und das Personal. Es fehlt an Medikamenten und lebensrettenden Hilfsgütern, weil das Versorgungssystem unterbrochen wurde. Noch schlimmer ist, dass wir Kinder in Not nicht kontinuierlich erreichen und sie somit nicht schützen können. Dadurch drohen weitere schwere Kinderrechtsverletzungen.

In Myanmar haben die Verschärfung des Konflikts und die erhebliche Zunahme der Zugangsbeschränkungen für humanitäre Hilfe die Hilfslieferungen eingeschränkt. UNICEF-Partner mussten in einigen Gebieten geplante lebensrettende Maßnahmen verschieben, um die Sicherheit der Mitarbeitenden zu gewährleisten.

Seit der Einrichtung des sogenannten „Monitoring Rights”- Mechanismus haben die Vereinten Nationen rund 23.000 Fälle verifiziert, in denen Konfliktparteien humanitären Helfer*innen den Zugang zu Menschen in Not verweigert haben. Rund 15.000 Fälle wurden in den letzten fünf Jahren und 3.931 Fälle im letzten Bericht des UN-Generalsekretärs verifiziert. Wenn humanitärer Zugang verweigert wird, verschärft sich die Not der Menschen, und die Gefahr schwerer Kinderrechtsverletzungen wächst. Kinder sind die ersten, die leiden.

Unsere Teams arbeiten unter immer schwierigeren Bedingungen, um Kinder mit humanitärer Hilfe zu erreichen. UNICEF zieht zunehmend Expert*innen zurate, um den humanitären Zugang zu verbessern und Kinder in Krisengebieten wie Haiti, Äthiopien und Sudan besser erreichen zu können. Wir verpflichten uns, mit allen Akteuren zu verhandeln und für das Wohl und die Rechte aller Kinder einzustehen.

Unsere Möglichkeiten, den notwendigen humanitären Zugang zu Kindern in Not aufrechtzuerhalten, kann durch die Arbeit des UN-Sicherheitsrats erheblich verbessert werden.

Erstens fordern wir Sie im Sinne der Resolution 2664 des UN-Sicherheitsrats auf, die Regelungen zum Schutz des humanitären Zugangs zu stärken. Humanitäre Organisationen müssen in der Lage sein, mit allen bewaffneten Gruppierungen im Austausch zu sein, um den humanitären Zugang zu Menschen in Not zu gewährleisten, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

Zweitens fordern wir Sie auf, Ihren Einfluss geltend zu machen, um Staaten und nichtstaatliche bewaffnete Akteure dazu zu bewegen, eine Verweigerung des humanitären Zugangs zu verhindern und zu beenden. Dadurch sollen humanitäre Organisationen geschützt und in die Lage versetzt werden, Menschen in Not über Frontlinien und Grenzen hinweg sicher und rechtzeitig mit Hilfe zu erreichen.

Drittens zählen wir darauf, dass Sie die Bemühungen der Vereinten Nationen im Rahmen des Überwachungs- und Berichtsmechanismus zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten unterstützen, sowohl durch die Bereitstellung von Ressourcen als auch durch Ihre Zusage, mit uns zusammenzuarbeiten, um den humanitären Zugang zu Kindern zu schützen, ganz gleich wo sie sich befinden.“

Christine Kahmann

Christine KahmannSprecherin - Nothilfe

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