Statement

UNICEF: „Kinder sind die unsichtbaren Opfer von Covid-19“

New York/Köln

Statement von UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore anlässlich des weltweiten Nothilfeaufrufs der Vereinten Nationen

Binnen weniger Monate hat COVID-19 das Leben von Kindern auf der ganzen Welt auf den Kopf gestellt. Millionen Kinder können nicht in die Schule gehen. Eltern und wichtige Bezugspersonen haben ihre Arbeit verloren. Weltweit wurden Grenzen geschlossen.

Kinder sind die unsichtbaren Opfer dieser Pandemie. Wir sind besorgt über die kurz- und langfristigen Auswirkungen auf ihre Gesundheit, ihr Wohlbefinden, ihre Entwicklung und ihre Zukunftsperspektiven.

New York: UNICEF Executive Director Henrietta H. Fore bei einer Konferenz.
© UNICEF/UN0210830/Christine Nesbitt

Wir sind besorgt über den mangelnden Zugang zu sauberem Wasser und zu Hygienemaßnahmen. Händewaschen mit Seife im Kampf gegen COVID-19 ist von entscheidender Bedeutung. Und doch haben 40 Prozent der Weltbevölkerung – das entspricht drei Milliarden Menschen – keine Möglichkeit, sich zu Hause die Hände mit Wasser und Seife zu waschen.

Noch verheerender ist, dass 16 Prozent aller Gesundheitseinrichtungen – das ist eine von sechs Einrichtungen – über keinerlei Hygienevorrichtungen verfügen. Mehr als ein Drittel der Schulen weltweit und die Hälfte der Schulen in den am wenigsten entwickelten Ländern, haben keine Möglichkeiten für Kinder zum Händewaschen.

Wir machen uns auch Sorgen um ihre Bildung. Mehr als die Hälfte der Schüler und Schülerinnen in mindestens 120 Ländern weltweit sind von landesweiten Schulschließungen betroffen.

Wir hoffen, dass die meisten dieser Schülerinnen und Schüler weiter Lernen können, sobald sich die Situation verbessert. Wir wissen jedoch aus Erfahrung: dass je länger Kinder dem Unterricht ferngeblieben sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht wieder zurückkehren.

Die Schließungen von Schulen unterbrechen nicht nur das Lernen, sondern haben vielerorts auch zur Folge, dass der Zugang zu Schulmahlzeiten, Gesundheitsprogrammen, sauberem Wasser und wichtigen Informationsquellen wegbricht.

Deshalb arbeitet UNICEF mit Bildungsministerien auf der ganzen Welt zusammen, um alternative Lernmöglichkeiten zu finden – sei es durch Online-Lernkurse oder durch Radio- oder Fernsehprogramme.

Wir haben auch zusammen mit der WHO und dem internationalen Roten Kreuz Leitlinien herausgegeben, um Eltern, Lehrer und Schulverwaltungen zu beraten, wie Kinder beim Lernen unterstützt werden können und gleichzeitig ihre Sicherheit gewährleistet bleibt.

Wir machen uns Sorgen um den Schutz der Kinder. Wir wissen von früheren Gesundheitskrisen, dass Kinder einem erhöhten Risiko von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind, wenn Schulen geschlossen werden, Arbeitsplätze verloren gehen und die Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird.

Die Schulschließungen während des Ebola-Ausbruchs in Westafrika von 2014 bis 2016 führten zu einem Anstieg von Kinderarbeit, Vernachlässigung, sexuellem Missbrauch und Teenagerschwangerschaften.

Wir sind besorgt über das Aufrechterhalten einer grundlegenden Gesundheitsversorgung: zum Beispiel reguläre Impfungen und die Behandlung von Kinderkrankheiten. Es geht nicht an, dass wir ein Kind vor COVID-19 retten und gleichzeitig ein anderes durch Lungenentzündung, Masern und Cholera verlieren.

Wir machen uns Sorgen um ihre psychische Gesundheit. Kinder und Jugendliche verlieren wichtige Momente in ihrem jungen Lebens: das Treffen mit Freunden, die Teilnahme am Unterricht oder gemeinsamer Sport. Dies verstärkt ihre Angst und kann schlimmstenfalls Verhaltensänderungen verursachen. Wir haben einen Leitfaden für Eltern, Lehrer und Kinder und Jugendliche herausgegeben, der ihnen helfen soll, diese schwierigen Zeiten zu bewältigen. Depressionen und psychische Gesundheit sind real und betreffen jeden dritten von uns.

Wir sind besonders besorgt über die Lage von Millionen Kindern, die auf der Flucht sind oder in Konflikt- und Krisengebieten leben. Für sie werden die Folgen dieser Pandemie so gravierend sein, wie wir es uns kaum vorstellen können. Diese Kinder leben in überfüllten Lagern, oft mitten in Kriegsgebieten, mit eingeschränktem oder gar nicht vorhandenem Zugang zu medizinischer Versorgung. Eine sechs-, acht-, zehn- oder zwölfköpfige Familie lebt in einem Raum zusammengepfercht. Rückzug und das Händewaschen mit Seife ist in solchen Umgebungen nicht einfach oder schlicht unmöglich.

Deshalb ist die Finanzierung dieses globalen humanitären Nothilfeaufrufs für COVID-19 so wichtig.

Allein UNICEF benötigt 405 Millionen US-Dollar für die weltweite Hilfe in Konflikt- und Krisenregionen. Außerdem benötigen wir weitere 246,6 Millionen Dollar für unsere Programmarbeit in weiteren Ländern.

Unser dringlicher Nothilfeaufruf beläuft sich somit auf insgesamt 651,6 Millionen US-Dollar.

Mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft können wir gemeinsam die Länder mit schwächeren Gesundheitssystemen unterstützen.

Wir können den Zugang zu angemessenen Sanitärdienstleistungen verbessern.

Wir können bis in die entlegensten Gemeinden aufklären und informieren, damit Kinder und Familien wissen, wie sie eine Ansteckung vermeiden können.

Wir können fortlaufend medizinische Hilfsgüter wie Schutzkittel, Atemmasken, Schutzbrillen und Handschuhe beschaffen, um einer Infektion mit Covid-19 vorzubeugen und gleichzeitig die so wichtigen, hart arbeitenden Menschen im Gesundheitswesen angemessen zu schützen.

Und wir können weiterhin mit den Regierungen zusammenarbeiten, um den Kinderschutz zu stärken, die psychosoziale Unterstützung auszubauen und alternative Lernprogramme für Kinder zu entwickeln – insbesondere für die am meisten gefährdeten Kinder.