Statement

Sechs Monate nach dem Brand in Moria: „Unzumutbaren Dauerzustand beenden“

Köln

Statement von Christian Schneider, Geschäftsführer UNICEF Deutschland, zur aktuellen Situation geflüchteter und migrierter Kinder in Kara Tepe

Lesbos: Geflüchtete in Zelt im Flüchtlingscamp

Lesbos, Griechenland 2020: Die 15-jährige Fatime hat Angst, nach Einbruch der Dunkelheit zur Toilette zur gehen

© UNICEF/UNI376700/Canaj Magnum Photos

„Sechs Monate nach dem Brand in Moria ist die Verzweiflung der geflüchteten und migrierten Kinder auf Lesbos nicht zu Ende.

Ein langer und heftiger Winter liegt hinter den Kindern und ihren Familien in Kara Tepe, den sie – ohne Heizung, ohne warmes Wasser – in einfachen Zelten ausharren musste. Immer wieder wurden Wohnzelte überflutet, zwischen den Unterkünften standen die Bewohnerinnen und Bewohner im Schlamm. Nach wie vor haben die Kinder nur sehr beschränkte Möglichkeit zu spielen und zu lernen und sie sind kaum vor Gewalt und Übergriffen geschützt. Das hat massive Auswirkungen auf ihre Gesundheit, Entwicklung und ihren Schutz und wird sie womöglich für ihr ganzes weiteres Leben prägen.

Auch auf Samos, Chios und auch auf dem griechischen Festland leben mitten in Europa tausende Mädchen und Jungen unter Umständen, die wir keinem Kind auch nur einen Tag zumuten sollten. Das ist schwer zu ertragen.

UNICEF arbeitet deshalb mit Hochdruck daran, ihre Lage zu verbessern. Neben dem Ausbau der Wasser- und Sanitärversorgung ist es unser Ziel, in Kara Tepe vor allem – innerhalb wie außerhalb des Lagers – informelle Bildungsangebote für Kinder zu ermöglichen. Wir hoffen sehr, angesichts der Situation im Lager nun schnell auch in größerem Umfang für die Kinder da sein zu können.

Aber weiter gilt: Orte wie Kara Tepe sind keine Orte für Kinder. Europa und die Regierungen der europäischen Staaten müssen dafür sorgen, dass für keines der Kinder dort das Warten unter unzumutbaren Bedingungen ein Dauerzustand bleibt.

Deutschland hat seit den Auseinandersetzungen an der türkisch-griechischen Grenze vor genau einem Jahr sowie dem Brand in Moria mehr als 2.000 geflüchtete und migrierte Kinder und Familienangehörige aus Griechenland aufgenommen. Damit hat die Bundesregierung Verantwortung übernommen und ein wichtiges Zeichen der Humanität gesetzt.

Doch wir dürfen kein einziges Kind zurücklassen! Wir rufen deshalb Deutschland, die weiteren Mitgliedstaaten der EU und die EU dringend dazu auf, die geflüchteten und migrierten Kinder in Griechenland nicht zu vergessen. Wir fordern sie dazu auf, die Einhaltung der Kinderrechte, die lange genug verletzt worden sind, weiter nach oben auf die Tagesordnung zu setzen. Die gegenwärtige Situation in Kara Tepe führt uns zudem vor Augen, dass ein humanes EU Migrations- und Asylpaket, das das Recht eines jeden Kindes auf Schutz und Hilfe garantiert, dringend erforderlich ist."

Service für Redaktionen

In der Nacht vom 8. auf den 9. September 2020 zerstörte ein Brand das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Nach dem Feuer wurde unweit von Moria in Kara Tepe ein neues Übergangslager errichtet. Hier leben derzeit etwa 7.000 Menschen, darunter 2.200 Kinder. UNICEF ist vor Ort und engagiert sich in folgenden Bereichen:

  • Bildung: UNICEF arbeitet daran, für alle Kinder informelle Bildungsangebote innerhalb wie außerhalb des Flüchtlingslagers zu ermöglichen. Das Ziel von UNICEF ist es, dass Kinder vor allem im Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet werden sollen, damit ihnen später der Übergang in eine öffentliche Schule leichter fällt. Derzeit erreichen mobile UNICEF-Teams regelmäßig bis zu 450 Kinder. Sie bieten Freizeitangebote an, kommen mit den Kindern ins Gespräch und können so spezifische Bedarfe der Kinder und Auffälligkeiten identifizieren.
  • Wasser und Hygiene: UNICEF unterstützt bei der Verbesserung der Wasser- und Sanitärversorgung und wird unter anderem helfen, das Lager an das bestehende kommunale Wassernetz und die Kanalisation anzuschließen.
  • Schutz vor Covid-19: Gemeinsam mit Partnern hat UNICEF im Flüchtlingslager kindgerechte Informationsmaterialien über Covid-19 verteilt und Kinder und ihre Familien darüber informiert, wie sie sich vor einer Ansteckung schützen können. Darüber hinaus hat UNICEF über 120 Stationen zum Händewaschen installiert und Hygienesets und Gesichtsmasken an mehr als 5.000 Personen ausgegeben.
  • Notunterkunft und Schutz von unbegleiteten Kindern: Unmittelbar nach dem Brand in Moria hat UNICEF sich um unbegleitete Kinder und Jugendliche gekümmert: Sofort wurde das von UNICEF und lokalen Partnern geführte Kinder- und Familienzentrum Tapuat zur Notunterkunft umgewandelt. Derzeit sind dort noch etwa 75 besonders schutzbedürftige Menschen – alleinerziehende Frauen mit ihren Kindern – untergebracht.