Tag 4: Zu Besuch bei Neela

Heute haben wir viel im Freien gedreht und waren DIE Hauptattraktion! Die Leute liefen zusammen und haben uns zugeschaut. Viele von ihnen wollten Fotos mit uns – ich glaube, sie denken ich bin ein Bollywoodstar! Niemand wird zudringlich oder bettelt. Die Menschen scheinen stolz zu sein, dass wir hier filmen und über ihr Land berichten.

Sandra Thier mit Neela bei den Dreharbeiten. © Steven Pan/UNICEF/RTL II
© Steven Pan/UNICEF/RTL II

Da es hier wenig Europäer gibt, falle ich als große, weiße Frau natürlich auf. Einige der Säureopfer wollen wissen, ob ich verheiratet bin und Kinder habe. Nein, nichts dergleichen, antworte ich ihnen. Und ich bin 32 Jahre alt! Ich muss dann lachen, denn in unserer Welt kommt so etwas häufiger vor und niemand stört sich daran. Hier ist eine unverheiratete Frau über 30 aber „uralt“!

Anfang August hat der Fastenmonat Ramadan begonnen. Die muslimische Bevölkerung in Bangladesch wird während des „heiligen Monats“ fasten. Essen und Trinken sind zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nicht erlaubt. Das würde ich nicht durchhalten. Aber hier bleiben die Leute freundlich und machen ganz normal ihre Arbeit. Sehr beeindruckend!
Wir fahren über drei Stunden ins Hinterland in den Ort Siranjgonj. Hier fallen wir natürlich noch mehr auf. Denn die Bewohner kennen keine Computer oder Filmkameras. In einer von UNICEF unterstützten Einrichtung treffe ich Neela. Sie ist 18 Jahre alt. Ihre Geschichte geht mir sehr nah: Mit zwölf wurde sie zwangsverheiratet, mit 15 verätzt. Ihr Ehemann wollte immer mehr Mitgift haben, obwohl Neelas Eltern ihm schon 100.000 Taka (ungefähr 943 Euro) gegeben hatten. Als Neela hörte, dass er sie als Sklavin nach Saudi-Arabien verkaufen wollte, wehrte sie sich. Vor den Augen seiner Eltern wurde sie mit Säure überschüttet. Niemand aus der Familie half ihr. Die Nachbarn hörten Neelas Schreie und brachten sie ins Krankenhaus.

Sandra Thier mit Neela. © Steven Pan/UNICEF/RTLII
© Steven Pan/UNICEF/RTLII

Neela wohnt jetzt wieder bei ihren Eltern. Sie erzählt mir, dass sie unzählige Operationen hinter sich hat. Sie lernt Englisch und will unbedingt Management studieren. Sie ist eine so starke Frau! Und trotzdem verschleiert sie sich ganz, wenn sie aus dem Haus geht. Noch immer stören sie die Blicke. Auf die Frage, ob sie nach all dem Erlebten noch an die Liebe glaubt, antwortet sie: „Ja, unbedingt! Aber der nächste Mann muss ein gutes Herz haben und mich so lieben, wie ich jetzt bin.“

Zu Besuch bei Neela

Sandra und Neela im Gespräch. © Steven Pan/UNICEF/RTL II
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Mit Neela und ihren Eltern. ©Steven Pan/UNICEF/RTL II
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Auf der Strasse. ©Steven Pan/UNICEF/RTL II
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