Fotoreportagen

Aufbruch nach Colombo


von Beate Jung

Colombo – da bin ich

Gestern noch Köln, Mitte Februar und Raureif bei 3 Grad – heute Colombo, Hauptstadt von Sri Lanka, 8.214 Kilometer oder 10 Flugstunden entfernt, gut 30 Grad heißer und auf den ersten Blick faszinierend laut, bunt, vielfältig, exotisch.

Sri Lanka: Landkarte

Es ist ein Sprung in eine vollkommen andere, für mich neue Welt. Im Flugzeug sitzen viele Urlaubsreisende. In meinem Kopf schwirrt eine wilde Mischung aus Reiseführer-Wissen und angelesenen UNICEF-Informationen über unser gemeinsames Reiseziel. Doch meine Mission ist eine andere als Wassersport, Tempelbesichtigungen oder Elefantensafaris: Für knapp vier Wochen hat mich das Deutsche Komitee für UNICEF „entsendet“, um in Sri Lanka „vor Ort“ und mit eigenen Augen sehen zu können, wie UNICEF in einem der weltweit ca. 150 Country Offices arbeitet.

Ich bin gespannt und aufgeregt, vor allem aber überzeugt: ich kann von den Kollegen, die die Projekte in Sri Lanka verantworten, unendlich viel lernen.

Beate Jung, UNICEF Deutschland

Umgekehrt möchte ich ihnen gern berichten, wie und in welchem Umfeld wir in Deutschland arbeiten, was unsere Aufgabe für UNICEF ist. Die englischsprachige Präsentation ist lange vorbereitet und wartet auf ihren Einsatz im „Echtbetrieb“. Morgen früh werde ich die Personen, die ich bislang nur per E-Mail kenne, endlich auch persönlich kennenlernen...

Sri Lanka: Traumstrände und Bürgerkrieg

Viel gelesen habe ich über die Fauna und Flora Sri Lankas, die Traumstrände, die vor allem Surfer und Taucher anlocken und die wechselvollen Geschichte unter unterschiedlichen Besetzern – die Portugiesen, die Holländer, zuletzt die Briten hatten die Hoheit. Vor allem aber interessieren mich die Jahre zwischen 1983 und 2009, in denen die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Bevölkerungsgruppen der Singhalesen und der Tamilen Zehntausende Tote forderten. Auch wenn seit fünf Jahren die Waffen schweigen, hat die Gesellschaft die Spaltung noch nicht überwunden, sind ganze Landstriche – genauer gesagt, rund 136 Quadratkilometer – im Osten und Norden der Insel noch vermintes Gebiet, haben Menschen aufgrund von Zwangsumsiedlungen noch nicht wieder Fuß gefasst und leiden in vielerlei Hinsicht unter den psychischen Spätfolgen.

Symptomatisch die Frage des Fahrers, der mich vom Flughafen zu meiner Unterkunft fährt, ob man in Deutschland noch die Teilung zwischen West und Ost spüre. Als ich antworte, dass es für die jungen Menschen heute so gut wie keine Bedeutung hat, ob man in Ost oder West geboren ist, antwortet er mit einem hoffnungsvollen Lächeln: „Yes, maybe the next generation will have peace.“

Kinderschutz hat viele Aspekte

Sri Lanka: UNICEF-Office in Colombo

UNICEF-Office in Colombo: Mein "Zuhause" für die nächsten Wochen.

© UNICEF DT/Beate Jung

Caroline ist meine Ansprechpartnerin im Office, eine Holländerin Mitte 50 mit mehr als 25 Jahren Erfahrung in der Entwicklungshilfe. Sie hat viel von der Welt und ihren schönen und schlechten Seiten gesehen, war u.a. in Afrika, Myanmar, Barbados, Kambodscha stationiert und ist nun seit einigen Jahren in Sri Lanka.

Sie leitet die Kinderschutz-Sektion des Länderbüros – gemeinsam mit ihrem kleinen Team empfängt sie mich an meinem ersten Arbeitstag mit offenem Armen und einem hervorragend ausgearbeiteten Einsatzplan. Über mehrere Stunden bekomme ich Briefings zu unterschiedlichen Aspekten der Kinderschutzproblematik.

Sri Lanka: Arbeitsplatz im UNICEF Office

Mein Arbeitsplatz mit Einsatzplan und allen wichtigen Informationen zur Arbeit von UNICEF in Sri Lanka.

© UNICEF DT/Beate Jung

Vier Gebiete stehen bei der Kinderschutz-Arbeit von UNICEF besonders im Fokus:

„Legal Protection“:
worunter sehr verkürzt die Zusammenarbeit mit Justizbehörden und Polizei für eine verbesserte Gesetzgebung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gemeint ist.

„Adolescent and Youth Development“:
gemeint sind damit vor allem Trainingsmaßnahmen in einer Art Kurzzeitlehre für junge Erwachsene, bei denen sie ein staatlich anerkanntes Zertifikat für eine handwerkliche Qualifikation erwerben können. Denn ein duales System mit einer Ausbildung mit Lehre und Berufsschule wie in Deutschland kennt Sri Lanka nicht.

„Social Protection“:
wozu der Schutz vor innerfamiliärem Missbrauch ebenso zählt wie die Wiederzusammenführung durch den Krieg getrennter Familien als auch als auch die Vergabe von finanzieller Unterstützung an besonders arme Familien mit dem Ziel, sich eine eigene wirtschaftliche Existenz aufzubauen.

Child Injury & Mine Protection:
Darunter fallen Studien und Kampagnen zu verschiedenen Ursachen, durch die Kinder körperlich verletzt werden, sei es im Straßenverkehr oder aber auch durch den Kontakt mit Landminen, mit denen die Kriegsgebiete im Norden und Osten immer noch verseucht sind.

Sri Lanka: Kollegen aus der Abteilung Kinderschutz

Zwei sehr hilfsbereite Kollegen der "Child Protection Section", Mihlad und Inoka. Mihlad ist ein Experte für De-Mining, dem Säubern eines Gebietes von Landminen.

© UNICEF DT/Beate Jung

Zu vielen der oben genannten Themen werde ich in der kommenden Woche von UNICEF initiierte und unterstützte Projekte vor allem im Norden des Landes und in der Tee-Region im zentralen Bergland sehen können und mit Menschen sprechen, die von diesen Maßnahmen profitiert haben und mir darüber erzählen.

Aufbruchsstimmung nach dem Bürgerkrieg

Alle Personen, mit denen ich an diesem ersten Tag zusammenkomme, erzählen mir vom Bürgerkrieg und dessen immer noch spürbaren Folgen. Noch heute gibt es ein großes Sprachproblem im Land, denn die Tamilen im Norden sprechen oft kein Singhalesisch oder Englisch, so wie die Singhalesen die tamilische Sprache nicht beherrschen.

Sri Lanka: UNICEF-Kollegin Luxmy aus der Bildungsabteilung

Kollegin Luxmy aus der Bildungsabteilung berichtet über die Nachwehen des Bürgerkrieges und UNICEF-Programme, die zu einem besseren Zusammenhalt der Bevölkerungsgruppen im Land beitragen sollen.

© UNICEF DT/Beate Jung

Doch berichten alle über die aktuell sehr positive Aufbruchstimmung im Land, die die vor einem Monat erfolgten Wahlen ausgelöst haben. Es gibt – wohl für alle recht überraschend – einen neuen Präsidenten, der vor allem die Korruption bekämpfen und seine Regierung unter Good Governance Aspekten reformieren will. Alles sei im Fluss, höre ich immer wieder. Und genau jetzt sei die Chance da, Kinder und ihre Rechte auf die politische Agenda zu bringen. Unter der alten Regierung sei dies kein Thema gewesen. Wenn sich dies aber ändere, dann stünden die Chancen gut, dass sich vieles im Lande zum Wohle der Kinder bessern könne.

Mit dieser Hoffnung und einem Berg von Informationen über die Projekte, die ich in den folgenden Tagen sehen werde, gehe ich abends in mein Guesthouse – gespannt wie ein Flitzebogen auf die vielen Geschichten und – sicher nicht nur schönen – Eindrücke, die mich in den folgenden Wochen erwarten. Und über die ich Ihnen in den kommenden Wochen in mehreren Blogs berichten werde...

Lesen Sie alle Blogbeiträge unserer Kollegin Beate Jung aus Sri Lanka.

Beate Jung, UNICEF Deutschland
Autor*in Beate Jung

Beate Jung ist Mitarbeiterin bei UNICEF Deutschland und berichtet von der Arbeit im UNICEF Country Office in Sri Lanka.