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Eine Tasse UNICEF


von Lena Dietz

Berlin, Tegel: Wie er so dasteht und aus seiner Jacket-Tasche ein etwas zerknicktes Schokoherz einer bekannten deutschen Fluggesellschaft kramt, um es mir mit einem Augenzwinkern hinzuhalten…. Man würde ihn für vieles halten – wohl nicht aber für den Chef eines UN-Organs.

Anthony Lake. ©UNICEF/Markisz

Anthony Lake.

© UNICEF/Markisz

Anthony Lake (genannt Tony oder Mister Lake) ist mittlerweile 72 Jahre alt und seit Mai 2010 geschäftsführender Direktor von UNICEF in New York.

Er kommt gerade aus Italien. Zwei Tage bleibt er in Berlin und hat dementsprechend ein strammes Programm. Zeit zu verschnaufen bleibt da nicht. Er trifft Guido Westerwelle, den Minister im Auswärtigen Amt, das Ehepaar Wulff im Schloss Bellevue, Parlamentarier im Bundestag und als Internationale UNICEF Botschafter die Berliner Philharmoniker.

Tony Lake hat viel zu berichten. Er war vor wenigen Wochen in Ostafrika und hat sich selbst ein Bild von der Lage der Kinder vor Ort gemacht. Wenn er über die Hungersnot spricht, verändert sich sein Gesicht. Es sei noch lange nicht vorbei, mahnt er und bittet, weiter zu helfen. Tony Lake ist stolz auf die UNICEF-Mitarbeiter vor Ort. UNICEF hilft auch im Süden Somalias, wo die meisten Hilfsorganisationen sich wegen der Shabab-Milizen schon zurückziehen mussten. In ein paar Wochen wird er dorthin zurückkehren, um sich ein Bild von den Fortschritten zu machen.

„Equity“ – sein Herzensthema

Sein Herzensthema hat auch mit der Hilfe für die Kinder in Ostafrika zu tun: „Equity“ – auf Deutsch schwer zu übersetzen – aber es bedeutet in etwa so viel wie „Chancengleichheit“. Kein Kind dürfe vergessen werden, sagt Lake.

Schon bei seinem Amtsantritt hat ihn eine große Frage beschäftigt: „Wäre es eventuell nicht nur moralisch richtig, sondern sogar effizienter, wenn wir uns auf die Kinder konzentrieren, die Hilfe am nötigsten haben?“

Es geht ihm dabei vor allem um Kinder in den abgelegensten und ärmsten Gegenden der Welt.
Während z.B. in den letzten Jahren die Kindersterblichkeit auch in ärmeren Ländern gesunken ist, haben sich die Unterschiede zwischen Reich und Arm, Land und Stadt, Jungen und Mädchen oft sogar vergrößert. Das ergab der letzte UNICEF-Bericht „Progress for Children“ zu den so genannten Millenniumszielen.
Er macht deutlich, dass die Fortschritte sehr ungleich verteilt sind und gerade die ärmsten Familien zu wenig von ihnen profitieren.

Ein unabhängiges Forscherteam fand daraufhin für UNICEF heraus: Tatsächlich wäre es wirtschaftlich betrachtet sogar sinnvoller, sich bei der Hilfe genau auf diese Gruppe zu konzentrieren (Bericht auf Englisch unter Narrowing the Gaps).

„The cup“ verfolgt mich

Diese Erkenntnisse sind für die gesamte UNICEF-Programmarbeit wichtig.
Was das heißt? Tony Lake wird nicht müde, sein neues „Baby“ zu präsentieren: „The cup“ – die Tasse. Ein einfaches Bild für ein Modell, mit dem Projekte ständig auf ihre Resultate hin überprüft und angepasst werden können. Dieses Schaubild sieht dann aus wie, richtig, eine Tasse. Der Henkel der Tasse (in Form eines Pfeils)veranschaulicht das ständige Überprüfen und Anpassen der Aktivitäten anhand der Ergebnisse.

Während der zwei Tage, die ich Mister Lake in Berlin begleiten darf, schlafe ich abends mit „the cup“im Kopf ein und wache morgens damit auf. Während der Autofahrten von Termin zu Termin machen wir Witze darüber, wie man UNICEF Mitarbeiter mitten in der Nacht aufwecken und problemlos nach dem Prinzip von der Tasse befragen könnte.

Auch wenn das Modell etwas seltsam oder sogar lustig klingen mag, eines wird mir während der drei Tage sehr deutlich: Es geht Anthony Lake nicht darum, alten Wein in neuen Schläuchen – oder Tassen – zu präsentieren. Es geht darum, dass jedes einzelne Kind, das gerettet wird, zählt. Und dafür lohnt sich der Einsatz mit ganzer Kraft. Er wird nicht müde, das auch denen zu erklären, die durch all die grausamen Bilder aus Ostafrika schon ans Aufgeben denken.

Tony Lake ist Überzeugungstäter, Menschenfreund und übrigens auch von ganzem Herzen
Großvater. Sein Bild einer kinderfreundlichen Welt? „Ice-cream for all“ – „Eis für alle Kinder“, den ganzen Tag, jeden Tag. Und auch das sagt er natürlich mit einem klitzekleinen Augenzwinkern.

Hier gibt es noch ein “kinderfreundliches” Interview mit Tony Lake von der dpa.

Lena Dietz
Autor*in Lena Dietz

Lena Dietz berichtet aus der Kinderrechtsarbeit von UNICEF − vom Termin mit Abgeordneten bis zum Treffen mit internationalen Experten.