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Gut zu wissen

Kinderfreundliche Kommunen - auf Augenhöhe mit Kindern und Jugendlichen

Von Flensburg bis Weil am Rhein, von Krefeld bis Beeskow: Rund 60 Gemeinden, Städte und Landkreise aus Deutschland sind Teil der Initiative „Kinderfreundliche Kommunen“. 


von Simone Morawitz

Sie alle haben gemeinsam, dass sie politische Entscheidungen an der UN-Kinderrechtskonvention ausrichten und Kinder und Jugendliche, bei dem was sie betrifft, aktiv mit einbinden. In Kinderfreundlichen Kommunen werden die Heranwachsenden über ihre Rechte informiert und bekommen eine Plattform, um ihre Meinungen einzubringen, mitzuentscheiden und so ihre Lebenswelt mitzugestalten – etwa in Kinder- und Jugendbeiräten.

So individuell wie die jeweilige Kommune ist auch ihr Katalog an Maßnahmen, den sie für und gemeinsam mit der jungen Generation vor Ort erarbeitet und umsetzt – damit diese sich gehört, wertgeschätzt und wohl fühlt.

Aber was heißt das eigentlich konkret? Was bedeutet es für Kinder und junge Erwachsene, in einer Kinderfreundlichen Kommune aufzuwachsen und sich zu engagieren? Wir haben mal nachgefragt – bei Ron (17), Sophie (18), Maya (13), Amelie (13), Lotte (12) und Tiana (12).

Demokratie leben

Ron wohnt in der Kinderfreundlichen Kommune Potsdam und das ist für ihn etwas Besonderes.

Der größte positive Aspekt, wenn man in einer Kinderfreundlichen Kommune aufwächst, ist, dass man Demokratie leibhaftig wahrnimmt, weil man sich schon als Kind oder Jugendlicher dafür einsetzen kann, etwas zu bewirken.

- Ron (17) Mitglied im Jugendbeirat Potsdam
Ron

Ron ist seit vielen Jahren im Jugendbeirat Potsdam aktiv und weiß genau, wie er sich einbringen kann, damit seine Anliegen gehört werden. „Wenn ich in meiner Stadt gerne mehr Mülleimer hätte, kann ich entweder den Weg der Bürokratie gehen, wo mir von vornherein schon klar ist, die Ergebnisse werden erst meine Enkelkinder erfahren, oder ich gehe den Weg der Jugendbeteiligung, der wirklich auf mich abzielt.“

Auch Sophie hat dazu eine klare Meinung. Sie wohnt in der Kinderfreundlichen Kommune Wolfsburg. Seit mehr als fünf Jahren ist sie Teil des Jugendbeirats der Stadt und sieht eine echte Chance darin, sich einmischen zu dürfen. So kann man etwas bewegen, da sind sich Ron und Sophie einig.

Es gibt sehr viele Kinder und Jugendliche, die sich nicht so engagieren können wie ich und die auch nicht die Möglichkeit haben, ihre Stimme zu erheben. Ich glaube, dass es ein großes Privileg ist, sich so engagieren zu können und auch zu merken, dass Politiker*innen einem wirklich zuhören.

- Sophie (18) Mitglied im Jugendbeirat Wolfsburg
Sophie Koxholt

Umgebung mitgestalten

Veränderungen in der unmittelbaren Umgebung zu erreichen, ist ein wichtiger Aspekt für Ron: „Kommune ist ja das, was vor der Haustür ist. Wenn ich etwas in der Kommune erreiche, dann habe ich wirklich etwas davon und ich kann es irgendwann selbst sehen“, erklärt er. „Eine Note, wie beispielsweise in der Schule, gibt es immer nur auf dem Papier. Es sind aber der Spielplatz oder das Schülerticket, mit denen man beispielsweise der breiten Masse helfen kann.“

In den Jugendbeiräten können Ron und Sophie ihre Themen reingeben. Gleichzeitig sieht Sophie auch einen klaren Auftrag darin, ihr Wissen zum Thema Politik weiterzugeben und sie so Kindern und Jugendlichen insgesamt näher zu bringen. Oft ist Politik in ihren Augen leider nicht kinder- oder jugendtauglich. „Es gibt keine politischen Reden, die so sind, dass Kinder auch wirklich Spaß haben, sich das anzuhören und sich über Dinge zu informieren. Oft sind ganz viele Fachwörter und Fachbegriffe in diesen Reden drin und die meisten verstehen sie dann einfach nicht.“

Info

Die Initiative „Kinderfreundliche Kommune“

In Deutschland unterstützt der Verein Kinderfreundliche Kommunen Städte, Gemeinden und Landkreise auf ihrem Weg zu mehr Kinderfreundlichkeit. Die Initiative „Kinderfreundliche Kommune“ stärkt die Rechte von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene. Gemeinsam setzen Kinderfreundliche Kommunen die Kinderrechte in den Fokus und sorgen dafür, dass diese auch umgesetzt werden. Dabei schaffen sie Beteiligungsformate, um die Perspektive von Kindern und Jugendlichen bestmöglich zu berücksichtigen. Mehr Kinderfreundlichkeit in Kommunen verbessert die Lebensqualität der Familien und wirkt sich positiv auf ein nachhaltiges und respektvolles Zusammenleben aller Generationen aus.

Getragen wird der Verein von UNICEF Deutschland und dem Deutschen Kinderhilfswerk. 

 

Startseite: Kinderfreundliche Kommunen

Jede Stimme zählt

Es braucht das Engagement und die Stimmen von Kindern und Jugendlichen, ebenso wie die Bereitschaft der Erwachsenen, ihnen zuzuhören und ihre Meinung ernst zu nehmen. Nur so kann das Leben in einer Kommune kinderfreundlich gestaltet werden.

Sophie setzt sich deshalb dafür ein, dass Entscheidungen für Kinder nicht nur von Erwachsenen getroffen werden – zum Beispiel wie ein Spielplatz aussehen soll: „Wir wollen, dass Kinder dabeisitzen und sagen, was sie mögen oder auch nicht.“

Maya aus dem Kinderbeirat in Wolfsburg hat das miterlebt. „In Wolfsburg gibt es das neue Baugebiet Sonnenkamp. Dafür wurde ein Spielplatz gebaut und es wurden Kinder gefragt, wie sie diesen Spielplatz gerne haben wollen. Dann konnten wir uns unseren eigenen Spielplatz im Kleinen basteln.“

Kinderbauschilds Sonnenkamp

Maya und Amelie bei der Einweihung des Kinderbauschilds Sonnenkamp. Der Kinderbeirat hat das auf dem Foto zu sehende Kinderbauschild gestaltet.

© Stadt Wolfsburg

Kinder und Jugendliche bestimmen ihre Themen

Aber nicht nur die Spielplatzplanung, auch die Infrastruktur und die Mitgestaltung von städtischem Lebensraum sind Themen, die Kindern und Jugendlichen in ihren jeweiligen Beiräten bewegen.

Sophie vom Jugendbeirat in Wolfsburg ist auch das Thema mentale Gesundheit sehr wichtig: „Ich habe das Thema mit einer Freundin aus dem Jugendbeirat vorangetrieben, weil ich in der Schule gemerkt habe, dass man oft gar nicht weiß, wo man hingehen soll, wenn man während einer Klausur eine Panikattacke hat oder es einem nicht gut geht. Oft kann hier nicht geholfen werden, weil die Ersthelfer oder Lehrer gar nicht so genau wissen, wie sie damit umgehen sollen. Es ist mein Herzensprojekt, dafür eine Lösung zu finden.“

Themen wie Armut und Inklusion liegen wiederum den Kindern des Kinderbeirats Wolfsburg sehr am Herzen. „Niemand sollte sich ausgeschlossen fühlen, sondern immer zu einer Gruppe gehören“, findet Maya. „Das Thema Inklusion haben wir schon seit zwei Jahren und es interessiert mich, weil sich da nicht so viel tut“, ergänzt Amelie aus dem Kinderbeirat.

Heute Zukunft gestalten

Gehört zu werden, ist für die Mitglieder der Kinder- und Jugendbeiräte essenziell. Deshalb sind sie mit Herzblut dabei und mischen mit. Tiana betont, wie sehr sie sich für Politik interessiert und es mag, wenn Meinungen gehört werden. Gemeinsam mit Maya, Lotte und Amelie ist sie Teil des rund 20-köpfigen Kinderbeirats in Wolfsburg, der 2025 sein zehnjähriges Bestehen feiert.

Tiana bei der Überreichung der Teilnahmeurkunde am Kinderbeirat durch Oberbürgermeister Dennis Weilmann.

Tiana bei der Überreichung der Teilnahmeurkunde am Kinderbeirat durch Oberbürgermeister Dennis Weilmann.

© Stadt Wolfsburg

Warum es so wichtig ist, dass Erwachsene besser auf die Bedürfnisse von Kindern eingehen, ihnen zuhören und auf sie achten, erklärt Maya so: „[…] weil wir ja später in dieser Welt leben müssen. Wir sind dann erwachsen und man kann nicht in einem kaputten System leben.“ „Erwachsene reden viel über Kinder, aber selbst werden Kinder oft nicht gefragt“, fügt Lotte hinzu. Dann sagt sie: „Im Grunde genommen wird die ganze Zeit über unsere Köpfe hinweg entschieden und wir müssen nachher in der Welt leben, über die Erwachsene entschieden haben. Und das finde ich ein bisschen schade. […] Wir sollten allen Menschen zuhören, nicht nur einer bestimmten Menschengruppe oder nur Politikern, die es in den Bundestag geschafft haben. Wir sollten auch den Leuten zuhören, die deren Konzept dann quasi leben.“

Lotte beim Umweltkongress der fit4future foundation in Wolfsburg.

Lotte beim Umweltkongress der fit4future foundation in Wolfsburg. 

© Stadt Wolfsburg

Kinder und Jugendliche stärken

Kinderfreundliche Kommunen sind entscheidend für die Entwicklung von demokratischen Strukturen und stärken die Selbstwirksamkeit und das Engagement von Kindern und Jugendlichen. Ihre Stimmen ernst zu nehmen, ermutigt sie, mehr Verantwortung zu übernehmen und ihre Lebenswelt aktiv mitzugestalten.

Oder auch in Rons Worten: „Ich hätte mir am Anfang meines Lebens nie erträumen können, dass man überhaupt solche Möglichkeiten zur Partizipation hat. Es ist ein sehr großes Instrument, das man für die eigenen Interessen bzw. für die Interessen von Kindern und Jugendlichen wahrnehmen kann. Das stimmt mich sehr positiv, dass es solche Möglichkeiten gibt, sich gesellschaftlich und politisch zu engagieren.“

Simone Morawitz UNICEF Deutschland
Autor*in Simone Morawitz