Kinder weltweit

Madagaskar nach der Regenzeit: Wenn sich das Zuhause auflöst

Das Kindermagazin GEOlino stellt in jeder Ausgabe ein UNICEF-Projekt vor. In Heft 9/2020 erschien ein Bericht über Dolys, der mit seinem Großvater auf Madagaskar lebt und aufgrund der heftigen Regenfälle sein Zuhause verlor.


von Verena Linde

Dolys lebt bei seinem Großvater im Nordwesten des Inselstaates Madagaskar. Er ist daran gewöhnt, dass es von Dezember bis März regnet. Doch die Wassermassen in dieser Regenzeit haben die Hütte des Elfjährigen fortgeschwemmt.

Madagaskar: Häuser werden von den Regenfällen weggespült.

Wo einst ihre Hütte stand, ragen nur noch Pfähle aus dem Boden. Der starke Regen hat die Lehmwände weggeschwemmt und Dolys sowie Tausenden anderen Familien alles genommen.

© UNICEF/UNI308100/Rakotomanga

Klar, der Regen fällt nicht überraschend. Von Dezember bis März dauert die Regenzeit in der Nordhälfte von Madagaskar. So ist es, seit Dolys denken kann. Der Junge lebt mit seinem Großvater in einer kleinen Lehmhütte, knapp 100 Kilometer landeinwärts von der Hafenstadt Mahajanga entfernt. Dass die Regenfälle im Januar heftiger werden würden, hatte der Elfjährige bereits zuvor im Wetterbericht gehört. Doch was nun über ihn her­ein­bricht, schockiert Dolys: Es stürmt, schüttet, prasselt, platscht, Tag und Nacht. Der trockene Boden kann das Wasser nicht aufnehmen, es fließt aber auch nicht ab – es bleibt stehen. Und steigt.

Drei Tage lang beobachten Dolys und sein Großvater den Wasserspiegel, dann entscheiden sie zu fliehen. Sie packen etwas Kleidung, ihre wenigen Wertgegenstände und Dolys Schulsachen in ihr Kanu und paddeln zu einem Auffanglager für Flüchtlinge. Dort harren bereits viele Menschen aus, die wegen der heftigen Niederschläge ebenfalls fliehen mussten. Für alle gibt es einen Schlafplatz und eine warme Mahlzeit. Nur an Hoffnung fehlt es.

Madagaskar: Dolys zusammen mit seinem Grossvater.

Dolys und sein Grossvater halten immer zusammen. Für die beiden ist klar: Wir bauen unser Zuhause wieder auf!

© UNICEF/UNI308111/Rakotomanga

Madagaskar zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Die meisten Menschen auf dem Land leben in Hütten aus Lehm und Stroh, die sich bei starkem Regen einfach auflösen – wie die von Dolys und seinem Großvater. Jetzt, im Januar dieses Jahres fällt doppelt so viel Niederschlag wie sonst. Die Wassermassen nehmen schätzungsweise 120 000 Menschen ihr Zuhause. Doch nicht nur Hütten und Straßen spülen sie einfach fort, 31 Menschen kommen sogar ums Leben.

Als der Regen nachlässt, begutachtet Dolys, was von der Hütte übrig ist. Wo sie stand, ragen nur noch Holzpfosten aus dem Boden. Auch Dolys Schule hat die Flut wie viele andere zerstört – und seine Bücher und Hefte haben die nasse Bootsfahrt nicht überstanden.

Madagaskar: Junge schreibt in der Schule an die Tafel.

Dolys freut sich, bald seinen Abschluss zu machen.

© UNICEF/UNI308093/Rakotomanga

Zum Glück sorgen Hilfsorganisationen schnell für das Nötigste. UNICEF verteilt neue Schulsachen an ihn und an die rund 6000 anderen Kinder und deren Fami­lien, de­­nen das Wasser alles genommen hat. Schon nach wenigen Tagen halten Lehrer wieder erste Unterrichtsstunden.

Dolys freut sich über jede Aufgabe, die er rechnen, jeden Satz, den er schreiben darf. Vorerst sind er und sein Großvater bei seiner Großtante untergekommen. Doch auf Dauer ist es dort zu eng für alle. Deshalb plant Dolys Großvater, die Hütte wiederaufzubauen. Zwar bleibt ihm kein anderes Material als Lehm und Stroh, aber zumindest können die beiden dann wieder in ihre eigenen vier Wände zurückkehren. Und hoffen, dass es weniger regnet, in der nächsten Regenzeit.

Madagaskar: Dolys sitzt in seinem neuen Klassenraum.

Zum Glück startet die Schule für Dolys schon wenige Tage nach der Flucht in einem neuen Gebäude.

© UNICEF/UNI308090/Rakotomanga
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Verena Linde, Textredakteurin beim Kindermagazin GEOlino
Autor*in Verena Linde

Verena Linde ist Textredakteurin beim Kindermagazin GEOlino und schreibt dort unter anderem über UNICEF-Projekte aus aller Welt.