Schäfchenzählen in Afghanistan
Video-Workshop in einer Schule der „Let us Learn"-Initiative
Wir sind zu Besuch im Ahangaran-Tal in der Provinz Bamyan in Zentral-Afghanistan. Hier wollen wir mit Kindern aus Ahangaran Videos drehen über ihre Schule, ihr Leben in Afghanistan und über ihre Berufswünsche für die Zukunft.
Berühmt geworden ist Bamyan in den westlichen Medien im Jahr 2001, als die Taliban die rund 1.500 Jahre alten Buddha-Statuen von Bamyan mit Dynamit zerstörten. Seitdem klaffen dort, wo die beiden Statuen standen, riesige Löcher in der Sandsteinwand, wo seit dem 7. Jahrhundert Pilger aus ganz Asien ihr Lager aufgeschlagen haben. Aber nicht nur die Buddha-Statuen fehlen. Es fehlen auch Schulen und Krankenhäuser, vor allem in den Tälern weiter entfernt von der Provinzhauptstadt. Im Ahangaran-Tal zum Beispiel, wo wir mit dem UNICEF-Jeep auf einer unwegsamen Sandpiste unterwegs sind, um eines der Bergdörfer zu erreichen, das vor wenigen Jahren eine kleine Schule bekommen hat.
"Let us learn" im Schulgebäude aus Lehm
Die Mädchen und Jungen, die am Workshop teilnehmen, sind zwischen 11 und 14 Jahre alt und besuchen alle die örtliche Schule in Ahangaran. Allerdings ist dies keine richtige Schule, sondern ein von UNICEF gefördertes Projekt der Initiative „Let us Learn" („Lasst uns lernen“). Das Projekt ermöglicht Kindern, die keine Chance haben, in eine staatliche Schule zu gehen, eine Grundbildung zu erhalten und dann später in eine „richtige Schule“ eingegliedert zu werden.
Die Schule hier in Ahangaran ist eine von fast 400 Einrichtungen in Afghanistan, die genau wie ähnliche Schulen in Bangladesh, Madagaskar, Liberia und Nepal zur UNICEF-Initiative „Let us learn“ gehören. Alleine in Afghanistan haben dadurch 9.000 Kinder die Möglichkeit, in ihren Dörfern eine Schulbildung zu erlangen, was ohne diese Hilfe nicht der Fall wäre.
Mädchen und Jungen lernen zusammen
In Ahangaran lernen Jungen und Mädchen zusammen, da in der Provinz Bamyan größtenteils Hazara leben. Hazara gelten als eine sehr moderate Volksgruppe, wenn es um religiöse und gesellschaftliche Normen geht. Das Schulgebäude ist aus Felsbrocken und Lehm gebaut und hat zwei kleine Klassenräume sowie einen Gebetsraum und eine dunkle Küche, in die nur durch ein Loch in der Decke ein heller Lichtstrahl fällt. In den Klassenräumen sind weder Tische noch Stühle. Die Schülerinnen und Schüler sitzen auf dem Boden, aber wenigstens gibt es eine Tafel und ein paar Kissen zum anlehnen. Der größere der beiden Klassenräume ist in dieser Woche unser Workshop-Raum.
Video-Workshop ohne Strom
Jeden Morgen fahren wir 45 Minuten von Bamyan nach Ahangaran, weil auch hier, wie überall in Afghanistan, natürlich strenge Sicherheitsregeln gelten und wir nur im schwer bewachten UN-Quartier übernachten dürfen. Außerdem können wir dort unsere Kamera- und Computerbatterien aufladen, denn in Ahangaran gibt es weder fließend Wasser noch Strom.
Die Kinder haben zwar noch nie eine Kamera in der Hand gehabt, sind aber sehr aufgeschlossen und wollen am liebsten sofort anfangen, ihre Filme zu drehen. Aber zuerst müssen wir mit ihnen detailliert besprechen, was genau sie denn für Geschichten erzählen und filmen wollen. Fast alle Stories drehen sich um die Schule und das Leben in den Bergen. In ihren Familien müssen alle mithelfen, sei es beim Kochen, Waschen, Wasserholen oder bei der Feldarbeit.
Schäfchenzählen am Morgen
Vor allem die Jungen müssen früh morgens raus mit den Schafen und sind bis zum Mittag in den Bergen, wo die Tiere grasen. Hier spielt auch Ali Agas Film „Übung macht den Meister“. In dem Video des 11 Jahre alten Jungen geht es in gewisser Weise ums Schäfchenzählen.
Der Weg zur Schule
Wie wichtig die Schule für die Kinder ist, wird uns klar, als wir mit ihnen über ihre Zukunftswünsche sprechen. Einige wollen Ärzte oder Ärztinnen werde, einige andere Ingenieure und ein paar zukünftige Lehrerinnen und Lehrer haben wir auch dabei. Es ist auffallend, dass keines der Kinder das Dorf verlassen will, sondern dass sie alles etwas werden wollen, das der Gemeinschaft zugute kommen soll. Qodrat (12) beschreibt in seinem Video, wie sein Schulweg aussieht und wieso ihm Bildung so wichtig ist.
17 Filme in 4 Tagen
Nach vier Tagen harter Arbeit sind 17 Filme gedreht und fertig produziert. Zusammen gesehen vermitteln sie einen eindrucksvollen Einblick in das Leben afghanischer Kinder. Zudem bekräftigen die Videos uns in unserer Arbeit für und mit den Kindern. Sie zeigen uns, wie wichtig Bildung wirklich ist und was es für jedes einzelne Kind hier in Afghanistan bedeutet, in eine Schule gehen zu dürfen.
Als wir das Ahangaran-Tal verlassen, sehen wir einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie sie auf ihrem langen, staubigen Weg nach Hause sind. Aus der Ferne winken die jungen Filmemacher uns noch, bevor sie morgen wieder normale Schülerinnen und Schüler sind, wenn sie mit dem morgendlichen Schäfchenzählen fertig sind.
Erfahren Sie mehr über die Initiative "Let us learn" und die Ergebnisse der OneMinutesJr-Video-Workshops aus verschiedenen Ländern.