Nach dem Taifun: „Die Menschen können nirgendwo hin“
UNICEF-Mitarbeiter Nonoy ist vor Ort in der völlig zerstörten Stadt Tacloban auf den Philippinen. Im Telefonat mit unserem Kollegen Christopher de Bono schildert er seine Eindrücke von der verzweifelten Situation der Menschen nach dem Taifun.
Von Christopher de Bono
Gerade habe ich mit Nonoy telefoniert, einem UNICEF-Kollegen in der völlig zerstörten Stadt Tacloban. Er ist ein erfahrener Mitarbeiter, der nicht zum ersten Mal Katastrophen und Verwüstung miterlebt – aber jetzt ringt er um Fassung, und seine Stimme zittert. „Familien mit Kindern irren durch die zerstörten Straßen“, sagt Nonoy. „Sie wissen nicht, wo sie hingehen sollen. Sie laufen einfach weiter, weil ihre Häuser zerstört sind. Die Menschen können nirgendwo hin.“
Nonoy brauchte eine Stunde, um vom Flughafen wegzukommen, weil die Straßen voller Schutt und Trümmer sind. Im Dunkeln sind die Straßen fast unpassierbar, und die Gefahr von Unfällen ist sehr hoch – nicht nur für die Autofahrer, sondern auch für die vielen Obdachlosen, die auf der Straße campen. „Viele Menschen haben alles verloren. Ihre Kinder haben Hunger, manche sind krank, und sie sind verzweifelt“, sagt Nonoy.
Wer wäre das nicht? Ich kann mir kaum vorstellen, was es für mich bedeuten würde, wenn ich meine Tochter nicht trösten könnte und ihr nichts zu essen geben könnte. Viele Menschen auf den Philippinen sind dazu im Moment nicht in der Lage und brauchen dringend Hilfe. Es gibt in den Medien Berichte über Plünderungen, aber Nonoy spricht von der „Bergung“ von Reis und anderen Lebensmitteln durch hungrige und verzweifelte Menschen. „Die Behörden vor Ort tun, was sie können, und es gibt lange Schlangen vor dem Rathaus“, erzählt Nonoy. Soldaten der philippinischen Armee versuchen, die Ordnung wieder herzustellen. Aber die Sachen, die gerade am dringendsten gebraucht werden, sind einfach nicht da. Viele Mitarbeiter der Behörden haben selbst Angehörige und ihre Häuser verloren.

Verwüstung nach dem Taifun Haiyan auf den Philippinen
© UNICEF/NYHQ2013-0997/MaitemAm dringendsten brauchen die Kinder in Tacloban Notunterkünfte, Essen, sauberes Wasser und Medikamente. Es gibt erste Lichtblicke. Der Flughafen funktioniert jetzt wieder, und Frachtflugzeuge bringen dringend benötigte Hilfsgüter. Die örtlichen Behörden sind dabei, die Notversorgung aufzubauen – langsam und mit großen Schwierigkeiten, aber UNICEF und andere Hilfsorganisationen helfen ihnen dabei.
Die größte Herausforderung ist unter den Umständen die Logistik: Hilfe und Experten an die am schwersten betroffenen Orte zu bringen, Benzin für den Transport zu beschaffen, Verteilsysteme aufzubauen und Kommunikationsnetze zu reparieren.
Zu vielen Regionen der Philippinen, die vom Taifun Haiyan heimgesucht wurden, gibt es noch immer keinen Zugang. Deshalb kennen wir das ganze Ausmaß der Katastrophe noch nicht. Und viele Kinder – voraussichtlich mehrere Millionen – erhalten noch nicht die Hilfe, die sie dringend brauchen. Zwei der Orte, über die wir noch kaum etwas wissen, sind Palawan und Ormac in der Region Leyte. UNICEF-Mitarbeiter sind gerade auf dem Weg nach Ormac, um sich ein Bild von der Situation der Kinder zu machen. Wir tun alles, um ihnen zu helfen.