Heute jährt sich der Krieg im Jemen zum fünften Mal © UNICEF Yemen/2018/Gabreez Production

Mein Traum für den Jemen ist Frieden

Das sagt Dr. Karanveer Singh, Leiter des UNICEF-Ernährungsprogramms im Jemen, während im Krankenhaus neben ihm mangelernährte Mädchen und Jungen und ihre besorgten Eltern auf Hilfe warten. 5 Jahre seit dem Ausbruch des Konflikts ist die Lage im Land kaum noch zu fassen – der Jemen ist heute die schlimmste humanitäre Krise der Welt.

Am heutigen Jahrestag, den 26. März 2020, erinnern wir an den anhaltenden militärischen Konflikt im Jemen. Der Krieg wird zwischen den Huthi-Rebellen und den Gegnern des Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi auf der einen Seite und der von Saudi-Arabien geleiteten Militärallianz, an der sich noch Ägypten, Bahrain, Katar, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Marokko, Sudan und Senegal beteiligt haben, auf der anderen, geführt. Auch Separatisten und islamistische Gruppen haben sich in den Konflikt eingemischt. Manche der Kriegsparteien werden militärisch und logistisch von westlichen Ländern unterstützt.

Die brutalen Auseinandersetzungen haben eins der ohnehin ärmsten Länder im Nahen Osten in Trümmer gelegt – Gewalt und Unsicherheit prägen den Alltag, das Gesundheits- und Bildungssystem sind nahezu zusammengebrochen, großflächige Infrastrukturschäden und ein wirtschaftlicher Kollaps gehören zu den schlimmsten materiellen Folgen. Den höchsten Preis aber zahlt die jemenitische Bevölkerung – darunter vor allem Kinder.

Ein unterernährtes jemenitisches Baby © UNICEF Yemen/2018/Ahmed

Der Konflikt hat dazu geführt, dass mittlerweile jedes jemenitische Kind auf humanitäre Hilfe angewiesen ist.

© UNICEF Yemen/2018/Ahmed

Jemen ist heute eine Hölle auf Erden für Kinder. Und zwar für jeden einzelnen Jungen und jedes einzelne Mädchen.“, sagte Geert Cappelaere, der UNICEF-Regionaldirektor für den Nahen Osten und Nordafrika im November 2018 nach einem Besuch im Jemen. „Alles Leid der Millionen Kinder im Jemen ist vollständig von Menschen gemacht. (…) Es sind alles Ursachen, für die erwachsene Menschen verantwortlich sind, aber für die Kinder den höchsten Preis bezahlen.“ Besonders bittere Konsequenzen hatte die im Zuge des Krieges verhängte Seeblockade der Hafenstadt Hudaida, die für die humanitäre Versorgung Jemens enorm wichtig ist. Unter anderen wurden Hilfsorganisationen daran gehindert, lebensrettende Hilfsgüter wie Nahrungsmittel, medizinische Artikel, Impfungen, Treibstoff etc. an die leidende Bevölkerung zu verteilen.

Geert Cappelaere und ein jemenitisches Baby © UNICEF/UN0252406/Fuad

Geert Cappelaere bei einem Besuch in einem jemenitischen Krankenhaus in 2018.

© UNICEF/UN0252406/Fuad

„Der brutale Bürgerkrieg im Jemen, der im März 2015 eskalierte, fand lange Zeit weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit statt.“, sagte der UNICEF-Vorsitzende Georg Graf Waldersee im Dezember 2018 zum neuesten Situationsbericht über die Lage der Kinder im Jemen. Vor allem sei das der Tatsache geschuldet, dass ausländische Journalistinnen und Journalisten kaum ins Land gelassen werden. Jemenitische Medienschaffende haben es besonders schwer - Jemen belegt den 168 Platz von 180 in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen - laut der Organisation sind Journalistinnen und Journalisten Gefahren und Erpressungen aller Kriegsparteien ausgesetzt. Des Weiteren gelangen die Wenigsten von den Menschen, die auf der Flucht sind, bis an die Außengrenzen Europas.

Die schlimmste humanitäre Krise der Welt

Momentan sind mehr als 24 Millionen Menschen auf Hilfslieferungen angewiesen – das sind etwa 80% der jemenitischen Bevölkerung. Über die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Der Jemen ist einer der gefährlichsten Orte der Welt für Kinder: über 2.500 Kinder sind seit Beginn des Konflikts an den Folgen der brutalen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen, 4.800 wurden verletzt. Das enorme menschliche Leid hat dazu geführt, dass bereits im Jahr 2018 die Lage im Jemen von dem UN-Generalsekretär António Guterres als die „schlimmste humanitäre Krise weltweit“ bezeichnet wurde.

Zu den Merkmalen der humanitären Situation im Jemen gehören Hunger, Mangelernährung und Wasserknappheit. Rund 7 Millionen Kinder haben nicht genug zu essen und stehen am Rand einer Hungersnot. Darunter leiden 2 Millionen an akuter Mangelernährung, für 400.000 der Kinder unter 5 Jahren ist der Hunger lebensbedrohlich – sie schweben jeden Tag zwischen Leben und Tod. Das Gesundheitssystem, das vom Konflikt besonders hart getroffen wurde, kann keine lebensrettende Behandlung für alle Leidenden ermöglichen - nur die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen im Jemen ist noch funktionsfähig und auch diese Einrichtungen können nur eingeschränkt arbeiten, weil Personal, Ausstattung und Medikamente fehlen.

Mangelernährung ist lebensbedrohlich © UNICEF Yemen/2018/Obadi

Laut UNICEF-Angaben sterben jedes Jahr 30.000 Kinder an direkten und indirekten Folgen der Mangelernährung.

© UNICEF Yemen/2018/Obadi

Millionen Jemeniten sind auf die Wasserlieferungen von Hilfsorganisationen angewiesen, weil sie sich dieses – neben anderen existenziellen Lebensmitteln, aufgrund der wirtschaftlichen Krise und des damit einhergehenden massiven Währungsverfalls, nicht mehr leisten können. Viele Jemeniten haben im Zuge des Kriegs ihren Job verloren, sodass sie keine Einnahmequelle – und damit keine Sicherheit für sich und ihre Familien haben.

Die öffentlichen Dienste des Landes, darunter beispielsweise die Wasserversorgung, aber auch die Müllentsorgung, sind komplett kollabiert. Fast 18 Millionen Menschen, davon die Hälfte Kinder, haben heute keinen Zugang zu sauberem Wasser, sanitären Anlagen und ausreichender Hygiene. Im April 2017 kam es aufgrund solcher Zustände zu der schlimmsten Cholera-Epedemie der Menschheitsgeschichte. Seitdem wurden bis einschließlich Ende September 2018 mehr als 1,2 Millionen Verdachtsfälle auf Cholera oder lebensgefährlichen Durchfall gemeldet. Mindestens 2.500 Menschen sind bereits gestorben, unter ihnen auch viele Kinder.

Auch das Bildungssystem – und damit die Zukunft einer ganzen Generation, ist vom Konflikt schwer betroffen. Mindestens 2 Millionen Mädchen und Jungen können nicht zur Schule gehen, über 2.500 Schulgebäude wurden zerstört oder werden militärisch genutzt. Die meisten Lehrerinnen und Lehrer haben seit langer Zeit kein Gehalt mehr bekommen, viele von ihnen unterrichten aber mit großer Hingabe und Engagement weiter. Statt zur Schule zu gehen, wird vielen Kindern die Kindheit gestohlen – so werden Tausende von Jungen als Kindersoldaten rekrutiert, zwei Drittel der jemenitischen Mädchen werden vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet.

Zerstörte Schulen © UNICEF Yemen/2016/Al-Sabri

Früher Klassenzimmer, heute Trümmer – die Spuren des Kriegs sind überall zu finden.

© UNICEF Yemen/2016/Al-Sabri

So hilft UNICEF im Jemen

Um nach diesen erschütternden Zahlen die Hoffnung nicht zu verlieren, ist es wichtig sich vor Augen zu führen, dass mit großem Engagement und großzügigen Spenden Fortschritte für Kinder möglich sind! UNICEF lässt die Kinder nicht im Stich und ist weiterhin an deren Seite. Hunderttausende hungernde Kinder erhalten lebensrettende Nährstoffe wie die kalorienreiche Erdnusspaste und Spezialmilch. Allein zwischen Januar und Oktober 2018 hat UNICEF 230.000 schwer mangelernährte Kinder unter fünf Jahren mit therapeutischer Spezialnahrung versorgt. Als ein weiterer Erfolg ist es UNICEF zusammen mit der Weltbank im selben Jahr gelungen, ein Hilfsprogramm für 1,5 Millionen Familien in extremer Armut zu starten.

Außerdem unterstützt UNICEF zusammen mit der Weltbank die sogenannten mobilen Kliniken – Teams aus einem oder mehreren Ärzten und Pflegern, die mit einem Auto von Ort zu Ort fahren und somit sicherstellen, dass auch Kinder, deren Familien sich den Aufenthalt oder sogar die Fahrt zum Krankenhaus nicht leisten können, versorgt werden und medizinische Hilfe bekommen. Somit werden Kinderleben gerettet – wie das von Monira.

Mobile Kliniken © UNICEF Yemen/2018/Ahmed

Dank der mobilen Kliniken werden auch Kinder in schwer erreichbaren Gebieten mit medizinischer Behandlung versorgt.

© UNICEF Yemen/2018/Ahmed

Auch für die Bekämpfung von Krankheiten hat UNICEF weitreichende Hilfsmaßnahmen eingeführt. Dazu gehören die Versorgung mit Medikamenten wie Durchfalltabletten, Cholerabetten und Beratung, vor allem aber die Impfkampagnen gegen Cholera, Polio und Masern, die UNICEF in Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen und lokalen Behörden durchführt. Weiterhin errichtet UNICEF sanitäre Anlagen, unterstützt bei der Reparatur von Leitungen und Pumpen und baut Brunnen für die nachhaltige Versorgung mit sauberem Wasser. Spezielle Hilfsartikel helfen des Weiteren dabei, schmutziges Wasser trinkbar zu machen – allen voran sind das Wasserreinigungstabletten. Somit ist es gelungen, die Cholera-Epidemie einzudämmen und die Fälle zu reduzieren. Außerdem konnte UNICEF im Oktober 2018 mit anderen Partnern eine Feuerpause aushandeln, damit Hunderttausende Menschen gegen Cholera geimpft werden konnten.

Impfungen sind lebenswichtig © UNICEF/UN0240850/Saeed

Jedes Jahr werden Hunderttausende Kinder gegen gefährliche Krankheiten geimpft.

© UNICEF/UN0240850/Saeed

Weil Bildung zu den wichtigsten Kinderrechten gehört und der Schlüssel für eine bessere Zukunft ist, repariert UNICEF Schulen, schafft neue Lernräume und bildet Lehrer aus. Für viele traumatisierte Kinder bietet UNICEF außerdem Spiel-, Gesprächs- und Betreuungsangebote an.

Doch die Not ist überwältigend – die Hilfsmittel reichen nicht für alle betroffenen Kinder aus. Deshalb wenden wir uns am heutigen fünften Jahrestag des Jemenkriegs an Sie: Unterstützen Sie bitte weiter die UNICEF-Projekte im Jemen! In einer Notsituation machen auch die kleinen Spenden einen großen Unterschied. Vielen Dank!

Ina Georgieva