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Projektreise nach Kambodscha: Tag 3


von Ursula Grass

Am Stadtrand – erste Besuche in einer Schule und den Armenvierteln von Phnom Penh


Gut ausgeruht erwachte ich heute morgen und war sofort hellwach und gespannt, was uns heute erwarten würde. Der erste Projektbesuch sollte in der Kdei Chas Primary school am Stadtrand von Phnom Penh stattfinden. Durch den morgendlichen Verkehr brachten uns die UNICEF-Fahrzeuge sicher zur Schule. Dieses Projekt interessierte mich als Lehrerin natürlich besonders!

Die Grundschule wird von 492 Kinder besucht, welche von 15 Lehrern in zehn Klassen unterrichtet werden. Bis vor kurzem verfügte die Schule über keine Toiletten und als Wasserquelle war nur eine kleine Wasserleitung vorhanden, die in einem Riesenkübel endete. Häufige Krankheiten der Schülerinnen und Schüler waren die Folge.

Ursula Grass beim Besuch der Kdei Chas Schule in Phnom Penh. © UNICEF Deutschland

Ursula Grass beim Besuch der Kdei Chas Schule in Phnom Penh.

© UNICEF Deutschland

Die Bremer Organisation BORDA, unterstützt von UNICEF, hat mittlerweile fünf Toiletten errichtet. Leider sind bereits drei wieder kaputt, aber man ist zuversichtlich, dass die Reparaturen bald stattfinden werden. Die Kinder haben nun die Möglichkeit, Toiletten für Mädchen und Jungen zu benutzen. Das UNICEF-Programm „Wash“ wird dort in vollem Umfang umgesetzt. Die Kinder lernen, wie wichtig das Händewaschen ist und mit Begeisterung führen sie dies auch vor. Ihr Wissen tragen sie in die Familien – ein tolles Beispiel, wie Aufklärungsarbeit funktioniert.

Ich war erstaunt, wie ruhig die Kinder sich in den Pausen verhalten. Viele sitzen auf dem Boden in der Bibliothek und lesen in Büchern. Andere spielen und sind sehr neugierig, als ich ihnen ein UNICEF-Wassertatoo auf die Hand klebe. Zum Abschied singen sie uns ein Lied über richtiges Händewaschen: “erst die linke Hand, dann die rechte Hand…”. Ich bin überglücklich, als „Kollege Schulleiter“ mir ein kambodschanisches Schulbuch schenkt, welches ich natürlich meinen Schülern zuhause zeigen werde.

UNICEF-Büro in Phnom Penh

Danach gingt es weiter zum UNICEF-Büro. Rana Flowers, die Leiterin, stellt uns gemeinsam mit ihren Abteilungsleitern das Länderprogramm vor. Vier wichtige Eckpfeiler prägen die Arbeit im Land: Kinderschutz, Erziehung, Kinderrechte und „Wash“.

Ich bin tief beeindruckt über das Engagement der Mitarbeiter, bei denen man das Herz und die Leidenschaft zur Verbesserung der Situation der benachteiligten Kinder im Land deutlich spürt. Obwohl sich in Kambodscha in den letzten zehn Jahren viel verbessert hat, muss man hier doch genauer hinschauen. Während in der Gegend um Phnom Penh viele Kinder relativ gut versorgt sind, sieht es in den ländlichen Gegenden ganz anders aus. Im Nordosten Kambodschas gehen 60 Prozent der Kinder nicht in die Schule. Dies liegt daran, dass es keine Lehrer gibt, die sie in der dortigen Sprache unterrichten können. UNICEF hat nun ein Programm entwickelt, mit welchem Lehrer aus der Region ausgebildet werden können.

Es ist faszinierend zu sehen, wie UNICEF die Situation breitflächig im Land analysiert und Ziele daraus ableitet. Besonders beeindruckend finde ich jedoch die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Ministerien. Um die Situation in einem Land nachhaltig ändern zu können, ist es unabdinglich, dass das Land selbst die Verantwortung dafür übernimmt. Dies ist ein Schwerpunkt der UNICEF-Arbeit und auch der besondere Unterschied zu den NGOs im Land.

Besuch in den Armenvierteln

Mein Herz ist besonders voll von den Eindrücken aus dem Besuch in den Armenvierteln am Stadtrand von Phnom Penh, wo es am Nachmittag hin ging. Schon aus der Ferne sehen wir eine Ansammlung von Baracken und Wellblechhütten, welche umgeben von unendlich viel Müll sind. Durch von Unrat bedeckte Gassen geht es zum Ziel unseres Besuchs: „Health“, das Gesundheitsprogramm. Eine Schar Mütter mit Babys und Kleinkindern wartet auf Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen der Kinder.

Aufklärung durch Ehrenamtliche. © UNICEF Deutschland

Bild 1 von 4 | Aufklärung durch Ehrenamtliche: Eine UNICEF-Mitarbeiterin zeigt einer schwangeren Frau Bilder über gesunde Geburt und notwendige Hygiene.

© UNICEF Deutschland
Eine Mutter wartet auf die Impfung für ihr Kind © UNICEF Deutschland

Bild 2 von 4 | Gesundheitsstation in den Armenvierteln von Phnom Penh: Eine Mutter wartet auf die Impfung für ihr Kind.

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Zugang zu den Armenvierteln von Phnom Penh. © UNICEF Deutschland

Bild 3 von 4 | Über Kanalrohre finden die Teilnehmer der UNICEF-Reisegruppe Zugang zu den Armenvierteln von Phnom Penh.

© UNICEF Deutschland
Vorsorgeuntersuchung von Kleinkindern. © UNICEF Deutschland

Bild 4 von 4 | In einer improvisierten Waage werden die Kleinkinder bei den Vorsorgeuntersuchungen gewogen. Die Ergebnisse werden in einem "Kinderpass" festgehalten.

© UNICEF Deutschland

An einer Waage hängt ein Waschkorb, in welchem die Kleinen gewogen werden. Die Ergebnisse werden in einem „Kinderpass“ festgehalten. Die Mütter werden hier durch eine Krankenschwester über Hygiene und Gesundheit aufgeklärt. Es ist nicht einfach, alle Mütter zu erreichen. Viele kommen erst beim zweiten oder dritten Kind, um die Ratschläge zu befolgen. Da Helga heute das Protokoll schreibt, beschäftigt sie sich besonders intensiv mit einer Mutter und ist betroffen von ihrem Schicksal.

Noch ganz bewegt von den vielen Eindrücken geht es weiter, nun in die allerübelste Gegend. Über ein Abwasserrohr balancieren wir über einen stinkenden Kanal, welcher von Unrat nur so wimmelt. Woher der Geruch kommt ist klar: es gibt hier keine Toiletten! Wir besuchen eine 41-jährige Kambodschanerin, welche hochschwanger ist. Der Verschlag (anders kann man es nicht nennen), in welchem sie wohnt, ist mit einer roten Zahl gekennzeichnet. Die 1030 Menschen, die hier unter unzumutbaren Bedingungen leben, wurden 2007 aus Phnom Penh wegen Landbedarfs zwangsausgesiedelt. Da nicht jeder eine Urkunde über den Besitz des dortigen Landstücks war, wurde deren Häuser mit roten Zahlen markiert, denn diese sollen nun wiederum ausgewiesen werden.

Die Hochschwangere wird betreut von einer ehrenamtlich arbeitenden jungen Frau. In einem Ordner zeigt sie ihr Bilder über gesunde Geburt und notwendige Hygiene. Die werdende Mutter hätte das Kind schon vor zwei Wochen gebären sollen und trotz dieser entsetzlichen Umstände ist sie voller Vorfreude auf ihr Baby. Es wird ihr einziges Kind sein, denn sie hatte schon drei Fehlgeburten. Die Geburt in einem Krankenhaus kostet 100 US Dollar, wenn es Komplikationen gibt, steigt der Preis. Sie wird es wohl nicht bezahlen können.

Ich bin tief betroffen und weiß nicht, wie ich die Eindrücke verarbeiten soll. Auch wenn es hier durch das Programm „Health“ Unterstützung in einigen Bereichen gibt, frage ich mich, welche Perspektive diese Menschen und vor allem die Kinder haben.

Es gibt heute aber auch eine gute Nachricht: Sandras Koffer ist im Hotel angekommen!

Reisetagebuch

Lesen Sie hier alle Berichte der UNICEF-Ehrenamtlichen von ihrer Reise nach Kambodscha:

Reisevorbereitung: “Auf, auf nach Kambodscha”

Tag 1: Gedanken zur Reise am Frankfurter Flughafen

Tag 2: Ankunft in Phnom Penh

Tag 3: Am Stadtrand

Tag 4: Besuch der Sokung Provinz

Tag 5: Arsenverseuchtes Wasser und gute Tipps für Mütter

Tag 6: Besuch im Provinzkrankenhaus in Kampong Thom

Tag 7: Schulprojekte und „Wasser wirkt“ in Keo Por

Haben Sie auch Interesse, ehrenamtlich bei UNICEF mitzuwirken?
Machen Sie es den anderen Reisenden und mir nach und informieren Sie sich in unserer Rubrik Engagement für UNICEF über die zahlreichen Möglichkeiten.

Ursula Grass, UNICEF-Gruppe Karlsruhe. © UNICEF Deutschland
Autor*in Ursula Grass

Ursula Grass ist Leiterin der UNICEF-Gruppe in Karlsruhe und bloggt von der Projektreise der Ehrenamtlichen aus Kambodscha.