Sekunde!
Lesen Sie bitte die folgenden Zahlen einmal laut und deutlich vor: eins, zwei, drei, vier, fünf.
Wahrscheinlich haben Sie dafür nicht länger als fünf Sekunden gebraucht.
In diesen fünf Sekunden ist für ein Kind die Zeit abgelaufen.
Nicht die letzte herbeigebettelte Verlängerung unserer Kinder beim Spiel mit den Freunden. Nicht die letzte erlaubte Fernsehminute. Die Lebenszeit! Sieben Tage die Woche, 24 Stunden lang, stirbt alle fünf Sekunden irgendwo auf der Welt ein Kleinkind unter fünf Jahren.
Die Ursache dieser unheimlichen Todesserie sind keine neuen Epidemien, kein schrecklicher Unfall, keine Naturkatastrophen. Es sind die alten, Tod bringenden „Bekannten“: Infektionen, Krankheiten, Komplikationen, die durch kostengünstige Medikamente und einfache Gesundheitsdienstleistungen verhindert werden können. Nein, verhindert werden müssen: An Lungenentzündungen, vermeidbaren Komplikationen vor und während der Geburt, an Durchfall und Malaria dürfen Kinder auch in den ärmsten Ländern der Welt heute nicht mehr sterben.
Die Kinder könnten leben. Sie leben dann, wenn in flächendeckende Impfversorgung, in verbesserte Hygiene und Wasserversorgung und die grundlegendste Betreuung werdender Mütter und ihrer Neugeborenen investiert wird. Wenn es eine ausgebildete Hebamme in der Nähe gibt.
Und so bizarr es klingt: Hinter dem Skandal dieses millionenfachen Todes von Kindern, den wir nicht hinnehmen dürfen, steckt sogar auch eine gute Nachricht. Wir wissen, wie es geht. Nachweisbar: Weil sich die Weltgemeinschaft in den letzten zwei Jahrzehnten bereits enorm angestrengt hat, sehen wir, wie jedes Jahr mehr Jungen und Mädchen den besonders gefährlichen ersten Lebensmonat überstehen und dann auch ihren fünften Geburtstag erleben. Es sind heute 14.000 (!) Kinder, an jedem einzelnen Tag, die dank dieser Anstrengungen NICHT sterben. Vergleichen Sie hierzu einmal die UNICEF-Zahlen von 1990 mit den aktuellen, die wir heute vorstellen.
Aber das ist ein Fortschritt, der mich unruhig macht. Natürlich ist es gut zu wissen, dass Länder wie Liberia, Laos oder Bangladesch die Kindersterblichkeitsrate in nur zwei Jahrzehnten, also binnen einer Generation, um mehr als zwei Drittel senken konnten. Aber ist es nicht unerträglich zu wissen, dass gleichzeitig in vergessenen Regionen manches aufstrebenden Staates oder in Ländern wie Sierra Leone, Somalia oder dem Tschad eines von fünf Kindern den Start ins Leben nicht überlebt? Ich muss da immer wieder an Bilder lachender Kinder im Kindergarten oder in der Schulklasse denken – und plötzlich fehlt jedes fünfte Kind. Unvorstellbar? Realität. Aber etwas, das wir ändern können.