

Kindersterblichkeit in Deutschland & weltweit
Kindersterblichkeit: Warum sterben eigentlich Kinder?
„Mama, warum sterben eigentlich manchmal auch Kinder?“, hat mich mein Sohn gefragt, als er selbst noch im Kindergartenalter war.
Eine berechtigte Frage, denn genau genommen sterben Kinder nicht nur manchmal, sondern tagtäglich tausendfach. Viele von ihnen vor dem fünften Lebensjahr. Und in den meisten Fällen hätte diese unfassbare Tragödie vermieden werden können. Die gute Nachricht: Heute überleben mehr Kinder denn je.

Freude und Leid: Bernadette Best, Mutter in Kamerun, bekam Zwillinge in der 28. Woche. Eines der frühgeborenen Babys starb. Der überlebende Zwilling Sarah wog bei der Geburt nur 1,3 Kilogramm. Mit der Känguru-Methode schenkt Bernadette ihrem Baby, inzwischen 40 Tage alt, Wärme und Nähe.
© UNICEF/ UN0668460/DejonghWas genau bedeuten eigentlich Kindersterblichkeit und Säuglingssterblichkeit? Wie hoch ist die Sterblichkeitsrate von Kindern, welche Länder sind besonders betroffen und was kann man tun, damit jedes Mädchen und jeder Junge eine Chance auf Überleben und eine gesunde Entwicklung hat?
Hier haben wir die wichtigsten Statistiken und Infos zur Kindersterblichkeit für Sie zusammengestellt.
Kindersterblichkeit weltweit
Aktuelle Statistik zur weltweiten Kindersterblichkeit
Jeden Tag sterben im Durchschnitt noch immer schätzungsweise weit über 10.000 Kinder weltweit, bevor sie fünf Jahre alt werden - und zwar tragischerweise aus meist vermeidbaren Gründen. Im Jahr 2021, so die neuesten Schätzungen der Vereinten Nationen, waren das rund fünf Millionen Mädchen und Jungen unter fünf Jahren. Übrigens ist die Kindersterblichkeit bei Jungen etwas höher als bei Mädchen.
Zum Vergleich: In Deutschland leben knapp vier Millionen Kinder unter fünf Jahren - rein rechnerisch sterben also jedes Jahr weltweit mehr Kleinkinder, als in unserem Land leben.
Zusätzlich sterben jährlich rund 2,1 Millionen Kinder und junge Menschen zwischen fünf und 24 Jahren. So lautet die aktuelle Schätzung der Vereinten Nationen, die sich auf die neuesten verfügbaren Daten stützt und sich auf das Jahr 2021 bezieht. Es sind Schätzungen, mit denen man etwas vorsichtig sein muss, weil es in vielen Ländern keine genauen aktuellen Statistiken oder Erhebungen gibt. Federführend für die Schätzungen zur Kindersterblichkeit sind unsere Kolleg*innen vom Kinderhilfswerk UNICEF zusammen mit Expert*innen der Weltgesundheitsorganisation WHO, der Weltbank-Gruppe und der Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen.

Noch winzig klein ist die Hand von Mateen, die Mutter Shaneen festhält. Seit 29 Tagen wird das Frühchen im Brutkasten einer neu eingerichteten Station für Neugeborene im Irak versorgt und hat dadurch gute Überlebenschancen.
© UNICEF/ UN0648634/NjiokiktjienDefinition Kindersterblichkeit und Kindersterblichkeitsrate
Mit Kindersterblichkeit ist meist die Unter-5-Kindersterblichkeit gemeint. Das ist die geschätzte Zahl der Kinder weltweit, die lebend geboren wurden, aber versterben, bevor sie fünf Jahre alt sind. Die Kindersterblichkeitsrate bezeichnet die Wahrscheinlichkeit für Kinder unter fünf Jahren zu sterben, und zwar gerechnet pro 1.000 Lebendgeburten.
Die traurige Wahrheit ist, dass für viele Kinder das Leben endet, bevor es richtig begonnen hat.
Viele Babys werden nie krabbeln oder laufen lernen, erste Zähnchen bekommen oder ihren ersten Geburtstag feiern. Als Säuglingssterblichkeit (englisch: infant mortality) bezeichnet man alle Todesfälle von Kindern unter einem Jahr.
Die Neugeborenensterblichkeit (neonatal mortality) ist die jährliche Anzahl der Todesfälle von Kindern innerhalb des ersten Lebensmonats, also während der ersten 28 Lebenstage nach der Geburt. 2021 haben 2,3 Millionen Neugeborene diese besonders kritische Phase nicht überlebt. Es ist also so, dass fast die Hälfte der Kinder, die vor ihrem fünften Geburtstag sterben, nicht einmal den ersten Monat überleben. Das zeigt, dass die Phase rund um die Geburt besonders kritisch ist.
Während es gute Fortschritte dabei gibt, die Überlebens-Chancen von älteren Kindern zu verbessern, kommt der Kampf für das Überleben von Babys nur langsam voran. Dadurch nimmt unter den Kindern, die viel zu früh ihr Leben verlieren, der Anteil der Babys zu.

Schwangere Frauen nehmen in einem Perinatal-Zentrum in der Ukraine an einer Informationsveranstaltung teil. Das Krankenhaus in Schytomyr wurde im März 2022 von einer Bombe getroffen. Viele Babys wurden seit Beginn des Ukraine-Krieges im Schutzbunker geboren.
© UNICEF/ UN0740588/FilippovTotgeburten: Wenn Babys nie gelebt haben
Bei der Kindersterblichkeitsrate werden nur Lebendgeburten berücksichtigt. Es kommt aber leider auch vor, dass es bei der Schwangerschaft oder Geburt Komplikationen gibt und Babys tot zur Welt kommen, ohne je einen Atemzug gemacht zu haben. Auch das ist für die Mütter und die Väter ein schwerer Schicksalsschlag.
2021 gab es nach Schätzung der Vereinten Nationen weltweit rund 1,9 Millionen Totgeburten – durchschnittlich kamen also pro Minute 200 Babys tot zur Welt.
Um diese Tragödien zu verhindern, sind gute Betreuung während der Schwangerschaft und Geburt essenziell.

Als Teil der Schwangerschaftsvorsorge misst Hebamme Juana Saquíc in Guatemala den Bauchumfang ihrer schwangeren Patientin Sonia de Ella.
© UNICEF/ UN0731284/IzquierdoTrend: Weltweite Kindersterblichkeit auf einem Tiefstand
Die gute Nachricht ist, wie oben schon angedeutet, dass heute deutlich mehr Kinder überleben als noch vor einigen Jahren. Die Kindersterblichkeit hat sich seit 1990 mehr als halbiert, von 12,5 Millionen Kindern unter fünf (1990) auf rund fünf Millionen Kinder unter fünf (2021). Damit ist die Sterblichkeit von Kleinkindern auf einem Tiefstand. Die Unter-5-Sterblichkeitsrate ist von 93 (1990) auf 38 (2021) gesunken.
Auch in vielen ärmeren Entwicklungsländern ist es gelungen, die Kindersterblichkeitsrate sehr deutlich zu senken: Durchschnittlich ist die Rate in Subsahara-Afrika von 181 (1990) auf 74 (2021) und in Südasien von 127 auf 36 gesunken.
Dazu beigetragen haben bessere Gesundheitssysteme, bessere Nahrung, Trinkwasser- und Sanitärversorgung und ebenso einfache wie wirksame und kostengünstige vorbeugende Maßnahmen, zum Beispiel Moskitonetze zum Schutz vor Malaria und Impfungen zum Schutz vor vermeidbaren gefährlichen Krankheiten wie Polio, Tetanus oder Masern.

Die Schwestern Kadidia (7), Fatoumata (6), Fanta (4) und Baba (3) in Mali hatten Masern und konnten dank der schnellen Hilfe im Gesundheitszentrum geheilt werden.
© UNICEF/UN0299499/Keïta
Parallel zur Sterblichkeitsrate bei Kindern ging auch die Müttersterblichkeit zuletzt weltweit zurück. Zwischen 2000 und 2017 ist sie um 38 Prozent gesunken (das ist zur Zeit die aktuellste vorliegende Schätzung). Vor allem in Zentral- und Südasien gab es große Fortschritte, wo die Müttersterblichkeit in diesem Zeitraum um 60 Prozent verringert werden konnte.
Kindersterblichkeit: Welche Länder sind am stärksten betroffen?
Die Überlebens-Chancen von Kindern sind sehr ungleich und hängen stark davon ab, in welcher Weltregion ein Kind geboren wird. Zusammen genommen ereignen sich über 80 Prozent aller Todesfälle von Kleinkindern in Subsahara-Afrika (56 Prozent) und Südasien (26 Prozent).
Statistisch gesehen stehen die Überlebens-Chancen für ein Kind in Subsahara-Afrika am schlechtesten. Von 1.000 Kindern, die lebend geboren werden (so genannte Lebendgeburten), sterben im weltweiten Durchschnitt 38 Mädchen und Jungen vor ihrem fünften Geburtstag, aber 74 von 1.000 Kindern in Subsahara-Afrika.
Zum Vergleich: In Deutschland sind es rund vier von 1.000 Kindern.
Alle Länder, die eine Kindersterblichkeitsrate von über 100 haben – wo also durchschnittlich mehr als jedes zehnte Kind stirbt – liegen in Subsahara-Afrika. Dazu gehören Niger, Nigeria, Sierra Leone, Somalia, Tschad und die Zentralafrikanische Republik. In absoluten Zahlen gerechnet sterben - wegen der Bevölkerungsgröße - die meisten Kleinkinder in Nigeria, Indien, Pakistan, Demokratische Republik Kongo und Äthiopien.

Der zweieinhalbjährige Shami wurde mit schwerer Lungenentzündung in ein Kinderkrankenhaus in Uganda eingeliefert und wird mit Sauerstoff beatmet. Nicht behandelte Lungenentzündungen können vor allem für Kleinkinder lebensgefährlich sein.
© UN0730053/RutherfordWas sind die häufigsten Todesursachen von Kindern?
Für Babys und Kleinkinder gehören Infektionskrankheiten wie Lungenentzündung, Durchfallerkrankungen und Malaria immer noch zu den häufigsten Todesursachen. Besonders gefährlich sind außerdem Frühgeburten und Komplikationen bei der Geburt, wenn es keine gute und hygienische medizinische Versorgung gibt.

Die Markierung am Finger zeigt, dass dieser Junge in Afghanistan gegen Polio geimpft wurde. Polio (Kinderlähmung) hat dank Impfungen seinen Schrecken verloren. Weil dort zu wenig Kinder geimpft sind, kommt Polio in Afghanistan aber weiter vor.
© UNICEF/UN0339995// Frank Dejongh
Akut mangelernährte Kinder, vor allem schwer akut mangelernährte Kinder, sind besonders gefährdet, weil ihr Körper so geschwächt ist, dass er den Krankheiten nichts entgegensetzen kann. Sehr häufig ist Unterernährung daher für den Tod eines Kindes mitverantwortlich, auch wenn es letztlich an einer Krankheit stirbt.

Die acht Monate alte Faouzia Souleymane in Niger ist unterernährt, hatte außerdem Durchfall und musste sich übergeben. In einem Krankenhaus hat ihre Mutter für sie Medikamente und therapeutische Nahrung bekommen, damit das Baby wieder zu Kräften kommt.
© UNICEF/ UN0688716/DejonghBei älteren Kindern über fünf Jahren spielen Infektionskrankheiten eine geringere Rolle, dafür nehmen Verletzungen und Unfälle – vor allem Verkehrsunfälle oder Ertrinken – sowie Gewalt als Todesursache zu.
Kinder haben ein Recht auf Überleben
Jedes Kind, überall auf der Welt, hat ein Recht auf Überleben und gesundes Aufwachsen. So steht es in der UN-Kinderrechtskonvention, die 2019 ihren 30. Geburtstag feierte.
Mit den sogenannten „Nachhaltigen Entwicklungszielen“ (englisch: Sustainable Development Goals, kurz SDGs) hat sich die Weltgemeinschaft ehrgeizige Ziele gesteckt, damit wir zukünftig in einer gerechteren, besseren Welt friedlich zusammen leben. Dazu gehört auch, dass künftig kein Neugeborenes und kein Kind mehr an vermeidbaren Ursachen sterben soll.

Für ihr Wohlergehen ist gesorgt: Babys auf einer Neugeborenen-Station in der Mongolei.
© UNICEF/UN0155835/ZammitKonkret heißt es im Entwicklungsziel Nummer 3.2, dass bis zum Jahr 2030 die Neugeborenensterblichkeit in jedem Land der Erde auf maximal 12 pro 1.000 Lebendgeburten und die Kindersterblichkeit der Unter-Fünfjährigen auf maximal 25 pro 1.000 Lebendgeburten gesenkt werden soll – besser natürlich noch darunter.
Das Kindersterblichkeits-Ziel wird bereits in vielen Ländern erreicht - aber wenn der aktuelle Trend anhält und der Fortschnitt nicht beschleunigt wird, werden über 50 Länder das Ziel zur Kindersterblichkeit und rund 60 Länder das Ziel zur Neugeborenensterblichkeit verfehlen.
Hier geht es um Kinder, nicht um Statistiken: Wenn alles so weitergeht wie jetzt, werden bis 2030 viele Millionen Kinder unter fünf Jahren ihr Leben verlieren, obwohl es hätte verhindert werden können. Umgekehrt können schätzungsweise zehn Millionen Babys und Kleinkinder gerettet werden, wenn die Entwicklungsziele erreicht werden. Deshalb müssen wir jetzt etwas tun!
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Kindersterblichkeit?
Hier lautet die gute Nachricht: Nach allem, was wir bis jetzt wissen, hat die Corona-Pandemie zum Glück nicht dazu geführt, dass es einen drastischen Anstieg der Kindersterblichkeit durch Covid-19 gab. Offenbar ist das Virus für die Jüngsten in der Bevölkerung weniger gefährlich als für Ältere.
Allerdings sind die indirekten Folgen noch nicht klar abzusehen: Die Covid-Pandemie hat Gesundheitssysteme weltweit extrem belastet. Routine-Impfungen wurden vielfach unterbrochen. Auch Vorsorge-Untersuchungen von Schwangeren, Geburtshilfe und Nachsorge nach der Geburt hat vielfach nicht oder nur eingeschränkt stattgefunden. Außerdem sind durch die Pandemie Millionen von Kindern und ihre Familien zusätzlich in Armut gerutscht - auch das hat Folgen für ihre Gesundheit, Ernährung und damit ihre Überlebens-Chancen.
Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb es für eine Bilanz noch zu früh ist: Durch Lockdowns und Schutzmaßnahmen während der Pandemie wurde die Erhebung von Daten erschwert. Die mittleren und langfristigen Folgen der Covid-19 Pandemie auf das Überleben von Kindern werden wir also vielleicht erst in den nächsten Jahren sehen.

Kinder lehnen an einer Leiter vor ihrem Haus in Armenien. Die Corona-Pandemie, aber auch Wirtschaftskrisen und gestiegene Preise können indirekte Folgen für die Kindersterblichkeit haben.
© UNICEF/ UN0424178/AvagyanAuswirkungen von Dürre, Hunger und Kriegen
Nicht nur die Corona-Pandemie, auch andere Krisen und Konflikte - zum Beispiel die schwere Dürre am Horn von Afrika, Wirtschaftskrisen oder der Ukraine-Krieg und dadurch gestiegene Preise für Lebensmittel - haben Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder. Wie genau sich diese Krisen auf die Kindersterblichkeit auswirken, ist sehr schwer zu messen. Aber klar ist: Wenn sauberes Trinkwasser und ausreichende, gesunde Nahrungsmittel sowie Medikamente fehlen, sind die Kleinsten und Schwächsten in großer Gefahr.
In Konfliktländern oder Ländern, die als "fragil" eingestuft werden, ist die Kindersterblichkeit durchschnittlich drei Mal so hoch wie in anderen Ländern.
Was man tun kann gegen Kindersterblichkeit – und für das Überleben
Und was kann man tun, um Kinder zu retten und ihr Überleben und Wohlergehen zu sichern? Wie erwähnt, es wurde schon viel erreicht. Wir wissen also, was hilft, und können auf den Erfolgen aufbauen.
Eigentlich ist es ganz einfach.
Kinder brauchen einen guten Schutz, von Anfang an – und das heißt schon vor der Geburt. Wenn Mädchen und Frauen vor ungewollten oder zu frühen Schwangerschaften geschützt sind und wenn sie bei einer Schwangerschaft gesund, gut ernährt sind und von erfahrenen Helferinnen und Helfern betreut werden, sind das die besten Voraussetzungen für ihr späteres Kind.

Jahan (18) hat ihr erstes Baby in einem von UNICEF unterstützten Gesundheitszentrum im Flüchtlingscamp für geflüchtete Rohingya in Bangladesch bekommen.
© UNICEF/ UN0541828/SatuGesundheitssysteme müssen so ausgestaltet sein, dass jede Geburt unter sicheren und hygienischen Umständen stattfindet und das nötige Personal, medizinische Ausstattung und Medikamente zur Verfügung stehen.
Jedes Kind sollte selbstverständlich sauberes Trinkwasser, sanitäre Anlagen, ausreichend gesunde Nahrungsmittel sowie umfassenden Impfschutz haben und mit den nötigen Medikamenten behandelt werden, wenn es einmal krank ist. Kein Kind sollte je Hunger leiden müssen.
All dies ist heute wichtiger denn je.
Wir alle können etwas tun, um einen Beitrag zur Senkung der Kindersterblichkeitsrate zu leisten. Wenn es unser Kind, unser Enkel oder das Kind von Freunden oder Nachbarn wäre, würden wir doch auch nicht zögern zu helfen, oder?

Vielen Dank für Ihre Hilfe!
© UNICEF/UN0276439/Almahbashi* Dieser Beitrag erschien zuerst im September 2013. Wir aktualisieren ihn laufend für Sie mit den neuesten Zahlen.

Ninja Charbonneau ist Pressesprecherin und schreibt im Blog über Hintergründe zu aktuellen Themen.