Pressemitteilung

Ausbeutung von Kindern stoppen!

Köln

UNICEF zum Welttag gegen Kinderarbeit

Jeden Tag schuften überall auf der Welt Millionen von Kindern. Sie arbeiten auf Feldern, putzen Schuhe oder sind Dienstmädchen. Auch als Soldaten oder Prostituierte werden Minderjährige missbraucht. Trotzdem kann Kinderarbeit nicht einfach verboten werden, erklärt Rudi Tarneden, Sprecher von UNICEF Deutschland.

Rudi Tarneden, Pressesprecher von UNICEF Deutschland (© UNICEF/Pascale Delafragoniere)

Rudi Tarneden, Pressesprecher von UNICEF Deutschland, in Port au Prince, Haiti.

© UNICEF/Pascale Delafragoniere

Warum kann man Kinderarbeit nicht generell verbieten?

Tarneden: Weil man damit nicht die Ursachen von Kinderarbeit bekämpft. Handelsverbote oder Boykotte haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass Kinder noch schlechtere Jobs annehmen mussten. Letztendlich wurden also die Kinder bestraft. Klare Schutzgesetze sind wichtig. Alleine reichen sie aber nicht aus.

Wie geht UNICEF dagegen vor?

Tarneden: UNICEF setzt auf verschiedenen Ebenen an. Zum einen müssen die gefährlichsten Formen der Kinderarbeit wie Prostitution oder Kinderhandel mit allen rechtlichen und polizeilichen Mitteln so schnell wie möglich gestoppt werden.

Zum anderen setzt sich UNICEF aber auch für bessere Arbeitsgesetze und Bildungsmöglichkeiten für benachteiligte Kinder ein. Es geht darum, Ausbeutung vorzubeugen. Dabei ist entscheidend, flexibel vorzugehen und die tiefer liegenden Ursachen zu bekämpfen: Armut, Diskriminierung, Unwissenheit.
In den vergangenen Jahren ist Kinderarbeit weltweit leicht zurückgegangen. Laut ILO bei jüngeren Kindern etwa um 10 Prozent. Es arbeiten zum Beispiel weniger Kinder in der Teppichindustrie in Nepal.

Gibt es eine genaue Definition von Kinderarbeit?

Tarneden: Nicht jede Form von Arbeit ist für Heranwachsende schädlich. Viele Kinder wollen auf dem Feld oder im elterlichen Betrieb mithelfen und können dabei auch einiges lernen. Für UNICEF ist entscheidend: Wie alt ist ein Kind, was genau muss es machen und wie kann sich die Arbeit auf seine Gesundheit und Entwicklung auswirken?

Welche internationalen Absprachen gibt es?

Tarneden: Nach der UN-Konvention über die Rechte des Kindes hat jedes Kind Anspruch darauf, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt zu werden. Kinder dürfen auch nicht Arbeiten verrichten, die gefährlich sind oder die sie in ihrer Entwicklung schädigen. Ein wichtiger Punkt ist, dass Kinder zur Schule gehen müssen. Das ist ein Grundrecht und steht in der UN-Kinderrechtskonvention. Diese Konvention haben praktisch alle Staaten unterzeichnet. Eine weitere wichtige Vereinbarung ist eine der Internationalen Arbeitsorganisation ILO gegen die schlimmsten Formen der Kinderarbeit wie Zwangsarbeit, Prostitution, Drogenhandel und der Missbrauch von Kindern als Soldaten.

Wo gibt es Kinderarbeit?

Tarneden: Überall auf der Welt. Nach UNICEF-Schätzungen müssen etwa 150 Millionen Kinder im Alter zwischen 5 und 14 Jahren arbeiten. Die meisten leben in Afrika. Dort schuftet etwa jedes dritte Kind. In Asien arbeiten ungefähr 13 Prozent der Kinder. Aber auch in den Industrieländern gibt es Kinder, die wirtschaftlich tätig sind. Sie tragen zum Beispiel Zeitungen aus, übernehmen Botendienste oder Erntearbeiten. Und auch hier müssen Kinder immer häufiger geschützt werden, weil sie im Leistungssport oder bei Film- und Fernsehproduktionen hart arbeiten.

Was sind die häufigsten Formen der Kinderarbeit?

Tarneden: Die meisten sind in der Landwirtschaft tätig – zum Beispiel auf Tee- und Baumwollplantagen. Viele Kinder arbeiten aber auch als Straßenverkäufer, Dienstboten, Schuhputzer, Zuarbeiter in Hinterhofwerkstätten, oder Müllsammler. Manchmal werden sie sogar als Drogenkuriere eingesetzt. Die meisten Kinder sind nicht angestellt, sie arbeiten ohne Vertrag und ohne feste Regeln.

In Bangladesch habe ich zum Beispiel einmal Kinder getroffen, die in einer Reismühle gearbeitet haben. Die Sonne brannte auf unsere Köpfe. Und diese Kinder mussten bei 40 Grad den Reis trocknen und mahlen. In einem dunklen Verschlag hockte ein vielleicht zehn Jahre alter Junge. Er sortierte Körner aus. Seine Haut war vom Staub zerfressen - sein Blick leer. Er hat noch nie eine Schule besucht. Seine Familie schuftete von früh morgens bis Sonnenuntergang für 20 Dollar im Monat. Und davon mussten sie gleich wieder die Hälfte abgeben, damit sie in den rohen Baracken mit sechs-sieben Menschen schlafen durften.

Diese Kinder tauchen in keiner Statistik auf. Oft sind sie nicht mal bei der Geburt registriert worden und niemand weiß wie alt sie sind.

Welche Folgen hat das für die Kinder?

Das hängt von der Art der Arbeit ab. Kinder die schwere Lasten heben müssen oder in gebückter Stellung arbeiten, bekommen Wachstumsprobleme. Auf Feldern atmen sie Chemikalien und Düngemittel ein. Sie kriegen Probleme mit der Haut und Atemwegserkrankungen. Außerdem verletzen sie sich oft. Ganz hart ist das Schicksal von Millionen Dienstmädchen in privaten Haushalten. Sie müssen rund um die Uhr schuften, werden häufig schlecht behandelt, oft sogar missbraucht. In Asien gibt es bis heute auch noch Schuldknechtschaft. Die Kinder werden von ihren verzweifelten Eltern verpfändet und müssen deren Schulden abarbeiten - oft ein Leben lang.

Warum gibt es Kinderarbeit?

Tarneden: Der Hauptgrund ist sicherlich, dass die Familien sehr arm sind. Für die Ausbeuter sind Kinder billige Arbeitskräfte. Sie wehren sich nicht und man kann sie jederzeit wieder weg schicken.

Ein weiterer Grund ist die AIDS-Epidemie – vor allem in Afrika. 15 Millionen Kinder haben ihre Eltern verloren. Die älteren müssen dann die jüngeren Geschwister großziehen und Geld verdienen.

Ein anderer Grund ist, dass gute Schulen oft sehr weit weg sind und Geld kosten. Aber auch wenn sie kostenlos sind, können sich viele Familien Schuluniformen und Lernmaterial nicht leisten. Eltern, die selbst ihr Leben lang ausgebeutet wurden, wissen oft nicht, wie wichtig Bildung ist, verstehen nicht, warum sie ihre Kinder zur Schule schicken sollen.

Was können wir Deutsche gegen Kinderarbeit tun?

Tarneden: Die Botschaft ist: Nicht jedes Schnäppchen muss sein. Bei jedem Einkauf, kann man heute zwischen vielen Produkten wählen, bei denen die Importeure sich sehr bemühen, Kinderarbeit auszuschließen – z.B. bei Rosen, Teppichen, Bananen, Kaffee oder Fußbällen und noch viel mehr. Der faire Handel wächst – das ist ein gutes Signal. Es wäre viel gewonnen, wenn jeder Konsument in den Läden aktiv danach fragt.