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Rakka in Syrien: Kindern steht Trauma ins Gesicht geschrieben

Im syrischen Rakka wird weiter heftig gekämpft. Wir schätzen, dass noch zwischen 20.000 und 50.000 Zivilisten in der Stadt gefangen sind, unter ihnen Tausende Kinder.


von Ninja Charbonneau

Genau wissen wir es nicht, denn wir haben im Moment wegen der Kämpfe keinen Zugang zur Stadt. Aber wir können den Familien, die von dort entkommen konnten und oft unter schwierigsten Verhältnissen in provisorischen Camps in Syrien leben, helfen.

Rakka in Syrien: Bilal floh mit seiner Familie aus Rakka

Bilal (zehn Jahre, Mitte) ist mit seiner Familie zwei Tage zu Fuß aus Rakka geflohen, sie übernachteten in den Bergen. Mitnehmen konnten sie nur Kleidung und ein paar Lebensmittel.

© UNICEF/UN067443/Souleiman

Die Lage der Kinder von Rakka ist weiter verzweifelt. Fran Equiza, der Leiter von UNICEF Syrien, ist gerade in Areesha, einem Lager im Niemandsland, etwa 50 Kilometer von der umkämpften Stadt entfernt. Zwischen 11.000 und 13.000 Menschen suchen hier Zuflucht; die Hälfte davon Kinder.

Die Familien hausen unter extrem harten Bedingungen in notdürftigen Zelten. Besonders die Kinder leiden unter der extremen Hitze bis zu 50 Grad. „Die Menschen sind völlig verzweifelt“, berichtet er im Video. „Wir brauchen Ihre Hilfe, damit wir den Kindern Hoffnung und Zukunft geben können.“

In den letzten Wochen wurden 200.000 Menschen, die Hälfte von ihnen Kinder, aus ihren Häusern im syrischen Gouvernement Rakka vertrieben. Die meisten sind in der Umgebung untergekommen, teilweise in provisorischen Flüchtlingslagern in der Wüste. Unsere Kollegen von UNICEF Syrien sind vor Ort und helfen gemeinsam mit ihren Partnerorganisationen den vertriebenen Familien.

Sie sind dringend auf Unterstützung angewiesen! Schon mit einem kleinen Beitrag z. B. für Wasserreinigungstabletten, Erste-Hilfe-Sets oder Impfstoff können Sie die Arbeit in den Camps unterstützen.

Angst und Verlust in den Augen der Kinder aus Rakka

Rakka in Syrien: Horriya kam nach 3 Tagen auf der Flucht im Camp an

Die zwölfjährige Horriya hat mit ihrer Familie drei Tage für die Flucht aus dem 50 Kilometer entfernten Rakka ins provisorische Camp Ain Issa gebraucht. „Wir haben Flugzeuge und Bomben gehört, aber daran sind wir gewöhnt“, sagt Horriya.

© UNICEF/UN067453/Souleiman

UNICEF-Mitarbeiterin Shushan Mebrahtu hat vor kurzem das Ain Issa Camp besucht. Es liegt ebenfalls nur 50 Kilometer von der Frontlinie in Rakka Stadt entfernt, aber die Flucht dorthin ist langwierig und gefährlich: Heckenschützen schießen auf Bewohner, die die Stadt verlassen möchten, überall können Landminen zur tödlichen Falle werden.

Shushan berichtet: „Das Ain Issa Camp liegt auf einer staubigen Fläche in der Wüste im Nordosten des Bezirks Rakka. Man kann sich kaum härtere Lebensumstände vorstellen. Brütend heiße 45 Grad und wirbelnder Sand machen das Leben für die rund 3.000 Kinder, die hier vorübergehend Zuflucht gefunden haben, fast unerträglich.

Nachdem die Kinder schon wochenlang mit wenig Wasser und Essen unterwegs waren, kommen sie völlig erschöpft und dehydriert hier an. Die traumatischen Erfahrungen, die sie durchgemacht haben, sind deutlich in ihren Gesichtsausdrücken und in ihrem Verhalten sichtbar. Ihre Geschichten sind grauenhaft.“

Einer, der aus Rakka entkommen ist, ist der zehnjährige Hammoude. Noch bei der Erinnerung an die Schrecken der Gewalt kommen ihm Tränen. „Ich wurde aus der Schule vertrieben. Sie haben Kameras aufgestellt, und immer wenn jemand in die Schule gehen wollte, haben sie geschossen.“

Rakka in Syrien: Kinder in der zerstörten Stadt Al-Tabqa

Kinder in der zerstörten Stadt Al-Tabqa im syrischen Governement Rakka.

© UNICEF/Syria 2017/Delil Souleiman

Auch die achtjährige Dua’a floh mit ihrer Familie, nachdem ihr Haus in den Kämpfen zerstört wurde. Einer von Dua’as Brüdern wird vermisst. „Sie haben meinen Bruder mitgenommen. Er ist älter als ich. Sie haben ihn mitgenommen und wir wissen bis heute nicht, wo er ist. Er hat mich geliebt, ich habe die ganze Zeit mit ihm gespielt“, erzählt das Mädchen. „Aber jetzt wissen wir nicht, was aus ihm geworden ist.“

Hammoude und Dua’a gehen in einen der sechs „Kinderfreundlichen Orte“, die UNICEF im Ain Issa Camp unterstützt – Zelte, in denen sie bei traditionellen Spielen mitmachen, malen und singen können. Zwei geschulte Betreuer kümmern sich um die Kinder. „Wir lieben [die Betreuerin] Miss Bushra“, sagt Dua‘a. „Als wir noch in Rakka waren, durften wir gar nichts. Hier bekommen wir Kleidung und Spielsachen. Wir bekommen alles, was wir brauchen. Und sie bringen uns Sachen bei“, fügt sie lächelnd hinzu.

Im „Kinderfreundlichen Ort“ können syrischen Kinder wieder lachen

Im „Kinderfreundlichen Ort“ haben Kinder wie Dua’a die Chance, wieder Kind zu sein. Es werden psychosoziale Aktivitäten angeboten, damit die Kinder Unterstützung beim Umgang mit den erlebten Traumata bekommen. Durch Spiele und etwas Unterricht werden sie wieder an das Lernen und etwas Normalität herangeführt.

Rakka in Syrien: Ein Kinderfreundlicher Ort für die Kinder aus Rakka

Kinder aus Rakka verlassen einen „Kinderfreundlichen Ort“ im Ain Issa Camp in Syrien. Durch Spielangebote und Aktivitäten mit geschulten Betreuern bekommen sie wieder Boden unter den Füßen.

© UNICEF/UN070718/Souleiman

UNICEF-Mitarbeiterin Shushan Mebrahtu erzählt: „Trotz allem, was sie gesehen und durchgemacht haben in Rakka haben mir alle Kinder gesagt, dass sie so schnell wie möglich wieder zur Schule gehen wollen.“ Bildung für ihre Kinder hat jetzt, wo sie erst einmal in Sicherheit sind, auch für die Eltern höchste Priorität.

„Die Angst und den Verlust, den ich in den Augen von Hammoude, Dua’a und vielen anderen Kindern im Ain Issa Camp gesehen habe, war herzzerreißend“, sagt Shushan Mebrahtu. „Aber als ich ihre Stimmen und ihr Lachen gehört habe und ihnen beim Spielen und Singen zugesehen habe, hatte ich den Eindruck, dass es auch Hoffnung gibt. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für diese Kinder.“

Info
  • Täglich bringen Tanklastwagen 450.000 Liter Trinkwasser in die Camps Karama und Mabrouka im Norden Syriens.
  • Wir haben 300 Latrinen und 148 Duschen in den Camps installiert.
  • Hygiene-Sets für 40.000 Binnenflüchtlinge in Karama, Mabrouka und Ain Issa wurden bereits verteilt. Sie enthalten zum Beispiel Seife, Shampoo, Waschmittel, Windeln, Zahnbürsten und Binden.
  • 2.500 Kinder haben Kleiderpakete bekommen.
  • Rund 1.250 Kinder und Mütter haben psychosoziale Hilfe erhalten, damit sie mit ihren traumatischen Erlebnissen besser umgehen können.

Wir rechnen damit, dass in den nächsten Wochen die Kämpfe in Rakka und Umgebung noch heftiger werden und zahlreiche weitere Familien fliehen müssen. Wir werden deshalb unsere Hilfe in dem Gebiet aufstocken – und auch die Hilfe in anderen Regionen Syriens geht weiter.

Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit für Kinder in Syrien mit einer Spende – vielen Dank!

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Autor*in Ninja Charbonneau