© UNICEF/UN0618975/PashkinaUkraine-Krieg: Eine Mutter kämmt ihrer Tochter in der U-Bahn von Charkiw die Haare
Kinder weltweit

Ein Monat im Untergrund

Spielen, lernen, leben in der U-Bahn: Wie freiwillige Helfer*innen Kinder unterstützen, die in der ukrainischen Stadt Charkiw unter der Erde Zuflucht vor dem Krieg suchen. 


von Esther Addo

Liudmyla Voloshenko, 41, kämmt die Haare ihrer zehnjährigen Tochter Sonia in einem der Waggons, die in den U-Bahn-Stationen von Charkiw das Zuhause für Tausende Menschen geworden sind.

"Heute sind meine Mutter und ich nach Hause gegangen, um uns die Haare zu waschen und einige Dinge zu holen", erzählt Sonia und lehnt sich zurück in die Arme ihrer Mutter. "Das war beängstigend."

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine am 24. Februar sind die U-Bahn-Stationen in Charkiw zu einem der sicheren Orte für Tausende von Menschen geworden, die vor den Kämpfen in den Straßen ihrer Stadt Zuflucht suchen.

Spielen, lernen, leben in der U-Bahn

Krieg in der Ukraine: Kinder spielen in der U-Bahnstation von Charkiw

Sonia, 10, probt für ein Theaterstück, das sie geschrieben hat. Es entstand im Rahmen eines Kurses, den freiwillige Helfer*innen mit Unterstützung von UNICEF in der U-Bahn von Charkiw anbieten.

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Ukraine-Krieg: Fragen und Antworten zur Situation der Kinder und zum UNICEF-Einsatz

Überall in der Ukraine zahlen Kinder wie Sonia täglich den hohen Preis für den Krieg – mit ihrer Gesundheit, ihrer Sicherheit, ihrer Bildung. "Es ist sehr hart für uns, mit unseren Kindern hier unten auszuharren", erzählt Lidumyla. "Sie wollen rausgehen, Roller oder Fahrrad fahren. Sie wollen in die Schule gehen und ihre Freunde treffen."

Wegen des Krieges gehen die Kinder in Charkiw nicht zur Schule. Stattdessen haben von UNICEF unterstützte freiwillige Helfer*innen Kinderbereiche in den U-Bahnhöfen eingerichtet, wo Lehrkräfte und Psycholog*innen täglich mit den Kindern zusammenkommen.

Ukraine-Krieg: Kinder spielen in der U-Bahn von Charkiw

Die freiwillige Helferin Yuliia Kruhlaia, 41, macht mit den Kindern in der U-Bahn in Charkiw Übungen zum Warmwerden.

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Yuliia Kruhla, 41, ist eine der Freiwilligen. Vor dem Krieg war sie von Beruf Floristin und davor hat sie zehn Jahre lang als Lehrerin gearbeitet.

"Durch den Stress schlafen die Kinder schlecht, manche sind aggressiv und haben zum Teil psychische Störungen", berichtet Yuliia. "Um ihren Gefühlszustand ein wenig zu verbessern, machen wir ein paar Sport- und Atemübungen. Wir lenken sie so vom Krieg ab."

Ein Theaterstück, das sie mit den Kindern in den letzten Tagen eingeübt hat, wird endlich aufgeführt. "In dem Stück geht es um zwei Planeten – einen guten und einen bösen", erklärt Sonia, die hier unten zur Regisseurin und Drehbuchautorin geworden ist. "Und der böse Planet greift den guten Planeten an."

UNICEF hilft den Kindern, die in der U-Bahn ausharren

UNICEF hat die Freiwilligen mit Material ausgestattet, unter anderem mit Heften, Schreibwaren, Ton und Farben.

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So hilft UNICEF Kindern aus der Ukraine: 7 hoffnungsvolle Geschichten

"Es leben derzeit ungefähr 1.500 Kinder in 29 U-Bahnhöfen – von Kleinkindern bis zu 15-jährigen Jugendlichen", berichtet Maryna Ladyzhenska, 48. Sie koordiniert die Aktivitäten für die Kinder in den U-Bahnhöfen. "UNICEF hat das Geld bereitgestellt, um die Spielbereiche für die Kinder auszustatten und Schreibwaren und Spielzeug zu besorgen."

Maryna erzählt, dass einige Kinder die U-Bahnhöfe seit Wochen nicht verlassen haben. Viele haben Angst rauszugehen. "Das Hauptproblem ist der Mangel an sozialen Kontakten und die fehlende Schule", sagt Maryna.

Krieg in der Ukraine: Ein Junge im Unterricht in der Metro von Charkiw

Vadym, 14, macht sich während des Matheunterrichts an einem Gleis der U-Bahn in Charkiw Stichpunkte.

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Vadym, 14, erzählt, dass seine Schule von einer Granate getroffen wurde, die alle Fenster zerstörte. Jetzt lebt er mit seiner Mutter in einem U-Bahnhof. "Manchmal ist es kalt hier", sagt er traurig. "Aber insgesamt ist es mehr oder weniger ok."

"Der Unterricht hier ist nicht so wie in der Schule mit 30 Kindern in einer Klasse – damals gab es immer Kinder, die dem Unterricht folgen konnten und andere, die nicht mitkamen. Hier wird uns alles persönlich erklärt und man hat keine Angst, Fragen zu stellen."

Lehrkräfte, Psycholog*innen und Sport- und Tanzlehrer*innen – sie alle bringen ihre persönlichen Erfahrungen mit und teilen diese mit den Kindern.

"All diese Menschen waren schon vorher im formellen oder informellen Bildungssektor tätig – und nun arbeiten sie hier als Freiwillige mit Kindern und Jugendlichen", erzählt Maryna stolz.

Ukraine-Krieg: Eine Helferin hängt Bilder in der U-Bahn in Charkiw auf

Bild 1 von 2 | Eine freiwillige Helferin dekoriert die Treppe einer U-Bahnstation mit Bildern, die Kinder in einem Kunstkurs gemalt haben.

© UNICEF/UN0618978/Pashkina
Krieg in der Ukraine: Ein Stofftier in der Metro von Charkiw

Bild 2 von 2 | Spielzeug in dem Fenster eines Waggons der U-Bahn von Charkiw. Hier suchen rund 1.500 Kinder Schutz vor den Angriffen.

© UNICEF/UN0618972/Pashkina

Für Kinder wie Sonia machen diese Unterrichtsstunden einen enormen Unterschied. Aber das Wichtigste, was sie verloren haben, können sie natürlich nicht ersetzen – ihr Zuhause.

"Wir haben nun zwei Stunden am Tag – Mathe oder Ukrainisch und Musik", berichtet Sonia. "Ich habe hier viele Freunde gefunden. Aber ich träume davon, dass ich zurück nach Hause gehe und alles wieder in Ordnung ist."

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Ukraine-Krieg: So können Sie mit UNICEF helfen

Der Krieg hat verheerende Auswirkungen auf Millionen Menschen in der Ukraine. Insbesondere Kinder und ohnehin schon benachteiligte Gruppen leiden darunter am meisten. Bisher mussten 4,3 Millionen Kinder ihr Zuhause verlassen und Millionen benötigen dringend Sicherheit und Schutz.

Während die Angriffe zunehmen und die Situation sich zuspitzt, stärkt UNICEF die Zivilgesellschaft und Jugendorganisationen vor Ort, um die seelische Situation der Kinder zu verbessern, die vom Krieg betroffen sind.

Krieg in der Ukraine: Eine Frau steht in der U-Bahn von Charkiw

Kateryna Kasimova, 39, Mutter von Vadym, 14, vergleicht das Leben in der U-Bahnstation mit dem Leben in einer Wohngemeinschaft: Man muss sich arrangieren und einen gemeinsamen Nenner finden.

© UNICEF/UN0618973/Pashkina

Bisher haben 4.500 Kinder und Jugendliche an den Aktivitäten in den U-Bahnhöfen von Charkiw teilgenommen. Gemeinsam mit Partnerorganisationen plant UNICEF rund 500 Freiwillige, Erzieher*innen und Psycholog*innen einzustellen, die die Kinder und Jugendlichen auf der Flucht unterstützen.

Ukraine-Krieg: Kinder lernen in der U-Bahn von Charkiw

Kinder in der U-Bahn von Charkiw nutzen für den Unterricht Hefte und Schreibwaren, die UNICEF zur Verfügung gestellt hat.

© UNICEF/UN0618976/Pashkina

"Unser Ziel ist es, nicht nur die Grundbedürfnisse wie Wasser, Nahrung und Sanitäranlagen zu stillen, sondern den Kindern Bildungsmöglichkeiten und psychosoziale Unterstützung zu ermöglichen", sagt die UNICEF-Mitarbeiterin Liliya Lyubomudrova. "Es ist besonders für die Kinder und Jugendlichen enorm wichtig, Strategien zu entwickeln, mit den traumatischen Erfahrungen umzugehen. Dies ist ein Marathon und Resilienz ist der Schlüssel zum Überleben während und nach dem Krieg."

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Esther Addo arbeitet für UNICEF in der Programmkommunikation
Autor*in Esther Addo

Esther Addo arbeitet im Team Programmkommunikation und schreibt über die UNICEF-Arbeit weltweit.