Pressemitteilung

Haiti – ein Jahr nach dem Erdbeben: Der lange Weg aus der Not

Köln

UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder und zum Fortschritt der Hilfe

Ein Jahr nach dem Erdbeben vom 12. Januar 2010 ist die Lage der Kinder in Haiti weiter sehr unsicher. Fast zehn Prozent der vier Millionen Mädchen und Jungen in dem bitterarmen Karibikstaat sind durch die Katastrophe obdachlos geworden und leben noch immer in überfüllten Notlagern. Unzureichende staatliche Strukturen, politische Instabilität und eine schwere Choleraepidemie erschweren die Hilfe und den Wiederaufbau. Diese Fakten hat UNICEF in dem Report „Kinder in Haiti – Ein Jahr danach“ zusammengefasst, der am 7. Januar 2010 zum Jahrestag der Katastrophe veröffentlicht wird.

Mädchen in der Siedlung Fort National. © UNICEF/LeMoyne

Ein Mädchen steht im Türrahmen in ihrem Zuhause. Ihre Siedlung Fort National in der Hauptstadt Port-au-Prince wurde von dem Erdebebn stark zerstört.

© UNICEF/LeMoyne

„Trotz vieler Schwierigkeiten ist Haiti kein hoffnungsloser Fall. Die Haitianer haben in den Monaten nach der Katastrophe eine enorme Kraft bewiesen“, sagte Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland, der das Land bereist hat. „Haiti ist wie ein Patient auf der Intensivstation. Wir können nicht erwarten, dass der schwer Kranke schon jetzt alleine läuft. Die Hilfe muss weitergehen.“

Bereits vor dem Beben hatten nur 19 Prozent der Haitianer Zugang zu sanitären Einrichtungen. Krankheiten, die durch verschmutztes Wasser und mangelnde Hygiene übertragen werden, waren eine große Gefahr für Kinder. Die Katastrophe hat die Situation noch verschärft. Um die Seuchengefahr einzudämmen hat UNICEF gemeinsam mit Partnern 11.300 Latrinenanlagen für 800.000 Menschen installiert und 90.000 Hygienesets an obdachlose Familien verteilt. UNICEF sorgt auch dafür, dass die sanitären Einrichtungen regelmäßig gereinigt werden.

Was bislang erreicht wurde:

In einem seiner größten Nothilfeeinsätze hat UNICEF bislang zusammen mit seinen Partnern hunderttausende Familien mit dem Nötigsten versorgt und wichtige Grundlagen für den langfristigen Wiederaufbau für Kinder gelegt. UNICEF koordiniert die humanitäre Hilfe in den Bereichen Wasserversorgung, Kinderernährung, Bildung und Kinderschutz. Seit dem 12. Januar 2010 wurden mit Hilfe von UNICEF:

  • fast zwei Millionen Kinder gegen die gefährlichsten Kinderkrankheiten geimpft;
  • zeitweise rund 680.000 Menschen täglich mit sauberem Trinkwasser versorgt;
  • 720.000 Kinder mit Schulmaterial ausgestattet und rund 15.000 Lehrer geschult;
  • jeden Tag fast 95.000 Kinder in 369 speziellen Kinderschutzzonen betreut;
  • über 11.000 schwer mangelernährte Kinder in therapeutischen Ernährungszentren behandelt;
  • fast 5.000 unbegleitete Kinder registriert und 1.265 von ihnen wieder mit ihren Eltern oder Angehörigen zusammen gebracht;
  • 72 Cholerazentren mit Zelten und Medikamenten ausgestattet und landesweite Aufklärungskampagnen gestartet.

Die größten Probleme: Cholera, Obdachlosigkeit, strukturelle Armut

Das sichtbarste Zeichen für die anhaltende Not nach dem Erdbeben sind die rund eine Million Menschen, die weiter in überfüllten Notunterkünften leben. Die allermeisten von ihnen waren schon vor der Katastrophe sehr arm und hatten oft keine Arbeit. Jetzt wissen sie nicht, wohin sie gehen sollen. Es fehlt an Platz und an Mitteln, um einfache Häuser zu bauen. Oft sind Eigentumsrechte für Land nicht geklärt. Immer noch behindern große Mengen Schutt den Wiederaufbau. Auch Regierungsstellen und Hilfsorganisationen haben bei dem Erdbeben viele Mitarbeiter verloren.

Die Mutter gibt ihrem Kind Spezialmilch für mangelernährte Kinder. © UNICEF/LeMoyne

Die Mutter gibt ihrem Kind Spezialmilch für mangelernährte Kinder.

© UNICEF/LeMoyne

Die Choleraepidemie hat den desolaten Zustand des staatlichen Gesundheitssystems offenbart. Ohne ausreichende Ausstattung, notwendiges Wissen über Hygiene und geeignetes Personal konnte sich die Krankheit landesweit dramatisch ausbreiten. Die meisten Opfer forderte die Epidemie bisher in den ärmsten ländlichen Gebieten. UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation gehen davon aus, dass die Cholera
noch lange nicht gestoppt ist. Denn die Bevölkerung hat keine Widerstandskraft gegen den Erreger. Die hygienischen Verhältnisse sind vielerorts sehr schlecht. Und viele Menschen wissen nicht, wie sie sich schützen können.

Armut und Ungleichheit sind im ganzen Land so groß, dass Verzweiflung und Wut
sich jederzeit Bahn brechen können. Schon vor der Katastrophe waren die Überlebenschancen der ärmsten Kinder um die Hälfte schlechter als derjenigen aus dem kleinen wohlhabenderen Fünftel der Bevölkerung. Vier von zehn Kindern hatten keinen Zugang zu einfachen Latrinen, nur jedes zweite Kind ging überhaupt zur Schule. Ausbeutung, Kinderhandel, Missbrauch und Gewalt waren verbreitet; schätzungsweise 1,2 Millionen Kinder galten schon damals als besonders gefährdet. Hinzu kommt politische Instabilität. Regierungsstellen sind überlastet und funktionieren nicht. Das behindert die Umsetzung des mit der internationalen Gemeinschaft ausgehandelten Wiederaufbauplans. Die Unruhen in Zusammenhang mit den Wahlen verschärfen die Situation noch.

Was noch zu leisten ist:

Ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben ist Haiti in einer entscheidenden Phase. Der Übergang von der akuten Nothilfe zu langfristigen Wiederaufbaumaßnahmen muss jetzt bewältigt werden. Über die unmittelbar durch das Erdbeben verursachten Notlagen hinaus müssen die tiefer liegenden Probleme in Haiti angegangen werden. So setzt UNICEF alles daran, die Kapazität der Regierungsstellen, lokalen Verwaltungen und Institutionen bei der Bewältigung der enormen Herausforderungen für Kinder zu stärken.

Die wichtigsten Ziele von UNICEF und seiner Partner in 2011 sind:

  • 1. Humanitäre Hilfe für die besonders bedrohten Kinder aufrechterhalten.
  • 2.Voraussetzungen schaffen, damit die Obdachlosen nach und nach in feste Wohnungen ziehen können.
  • 3. Gerade die ärmsten Kinder und ihre Familien vor der Choleraepidemie schützen.
  • 4. Prävention von Krisen und neuen Katastrophen zum Beispiel durch Stürme, Überschwemmungen oder Epidemien verbessern.
Der Junge wohnt mit seiner Familie im Notlager im Camp Espoir außerhalb von Port-au-Prince. © UNICEF/LeMoyne

Der Junge wohnt mit seiner Familie im Notlager im Camp Espoir außerhalb von Port-au-Prince.

© UNICEF/LeMoyne

Um eine bessere Zukunft für Haitis Kinder zu ermöglichen, sind dringend weiter finanzielle Mittel nötig. UNICEF bitte deshalb weiter um Spenden:

Spendenkonto 300.000 bei der Bank für Sozialwirtschaft
BLZ 370 205 00
Stichwort: Haiti

Sendefähiges TV- Material und Fotos stellen wir gern zur Verfügung.
Bei Rückfragen und Interviewwünschen wenden Sie sich bitte an die UNICEF-Pressestelle.