Uganda: Ein Junge wäscht sich seine Hände unter Wassertank.
Uganda: Ein Junge wäscht sich seine Hände unter Wassertank.
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Humanitäre Hilfe – was ist das eigentlich?

2021 war eine Rekordzahl von Menschen - 235 Millionen - auf humanitäre Hilfe angewiesen, für 2022 wird ein Anstieg auf 274 Millionen erwartet. In Krisen, bei Naturkatastrophen oder Kriegen sind es Kinder, die am meisten leiden und besonders anfällig für Krankheiten, Mangelernährung und Gewalt sind. UNICEF leistet weltweit humanitäre Hilfe. Doch was steckt eigentlich hinter dem Begriff der humanitären Hilfe?


von Stefanie Hack

Für das Jahr 2022 rief UNICEF in seinem Nothilfeaufruf "Humanitarian Action for Children" (in englischer Sprache) zur Unterstützung der humanitären Hilfe für 327 Millionen Menschen in 145 Ländern auf. Davon sind über 177 Millionen Kinder. Dies ist der größte humanitäre Appell in der Geschichte von UNICEF.

Naturkatastrophen in Folge des Klimawandels, Instabilität sowie Kriege und Konflikte sind die Hauptursache dafür, dass humanitäre Hilfe immer wichtiger wird. Zum internationalen Tag der humanitären Hilfe wollen wir einen Blick darauf werfen, was humanitäre Hilfe eigentlich ist, wie sie sich von Entwicklungszusammenarbeit unterscheidet, in welchen Bereichen und wie UNICEF humanitäre Hilfe leistet und welche Erfolge für Kinder verzeichnet werden konnten.

Info

Die UN-Generalversammlung hat den Tag der humanitären Hilfe 2008 ausgerufen, um alle humanitären Helfer*innen zu ehren, die sich für die Förderung humanitärer Zwecke eingesetzt haben. Anlass war ein Bombenanschlag in Bagdad am 19. August 2003, bei dem 22 Mitarbeitende der Vereinten Nationen ums Leben kamen.

Das Motto des Tages der humanitären Hilfe 2022, #ItTakesAVillage, will auf die gemeinsame Anstrengung von Helfer*innen aufmerksam machen, die notwendig ist, um tagtäglich lebensrettende Hilfe zu leisten.

Was bedeutet humanitäre Hilfe?

Das Ziel humanitärer Hilfe ist es, Leben zu retten, Leiden zu lindern, die Menschenwürde zu wahren und die Rechte der betroffenen Menschen zu schützen, wo immer sie sich in einer akuten Notsituation befinden, die sie nicht aus eigener Kraft bewältigen können. Humanitäre Not entsteht zum Beispiel durch bewaffnete Konflikte, Naturkatastrophen oder Notfälle im Bereich der öffentlichen Gesundheit.

Humanitäre Hilfe orientiert sich an vier Kernprinzipien:

Menschlichkeit

Menschliches Leid muss verhindert werden, wo immer es auftritt. Alle Mädchen, Jungen, Frauen und Männer jeden Alters müssen menschenwürdig behandelt werden und jedes gefährdete Kind unterstützt und geschützt werden.

Unparteilichkeit

Hilfe wird auf der Grundlage von Bedürftigkeit und ohne Diskriminierung aufgrund von Nationalität, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Sprache, Behinderung, religiöser Überzeugung, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, politischer oder sonstiger Überzeugungen geleistet.

Neutralität

Es darf keine Beteiligung an Kontroversen politischer, rassistischer, religiöser oder ideologischer Art stattfinden oder Partei ergriffen werden.

Unabhängigkeit

Humanitäre Ziele sind unabhängig von politischen, militärischen und wirtschaftlichen oder sonstigen Zielen. Der einzige legitime Zweck der humanitären Hilfe ist es, Leben zu retten und Leiden zu lindern.

Äthiopien: Ein kleiner Junge auf dem Arm seiner Mutter lächelt einen Mann an.

In ihrer täglichen Arbeit orientieren sich die UNICEF Helfer*innen an den humanitären Prinzipien und den Kernverpflichtungen für Kinder von UNICEF (Core Commitments for Children in Humanitarian Action).

© UNICEF/UN0539225/Leul Kinfu

Anknüpfend an die globalen humanitären Prinzipien und weitere globale humanitäre Normen und Standards hat UNICEF 1998 die Kernverpflichtungen für Kinder bei humanitären Maßnahmen "Core Commitments for Children in Humanitarian Action" (in englischer Sprache) formuliert. Diese legen Verpflichtungen und Maßstäbe fest, anhand derer UNICEF für die Reichweite, Qualität und Gerechtigkeit seiner humanitären Maßnahmen und seines Engagements Verantwortung übernimmt.

Darüber hinaus dienen die Verpflichtungen allen Beteiligten als Leitfaden zur Achtung der Rechte von Kindern in humanitären Situationen. Sie orientieren sich an der UN-Kinderrechtskonvention und gelten in allen Ländern, Gebieten und Regionen und für alle Kinder, die von humanitären Krisen betroffen sind. Bei ihrem täglichen Einsatz für Kinder sind 2021 über 140 Helfer*innen ums Leben gekommen.

Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit

UNICEF hat ein duales Mandat: Wir leisten sowohl akute humanitäre Nothilfe als auch mittel- und langfristige Entwicklungszusammenarbeit. Entwicklungszusammenarbeit zielt auf die langfristige und nachhaltige Verbesserung von wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und politischen Verhältnissen ab. Außerdem soll Krisen und gewalttätigen Konflikten vorgebeugt werden. Durch ein globales Netzwerk ist UNICEF in der Regel vor, während und nach Krisen und Katastrophen in den Ländern tätig.

UNICEF unterstützt mit humanitären Maßnahmen unabhängig von der Art der Krise: bei plötzlich auftretenden oder langanhaltenden Notsituationen, Naturkatastrophen, Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, komplexen Notlagen, bewaffneten Konflikten oder Kriegen. Die humanitäre Arbeit von UNICEF zielt auch darauf ab, sich mit zugrundliegenden Risiken und Ursachen der Anfälligkeit für Katastrophen und Konflikte zu befassen, um zum Beispiel die Widerstandsfähigkeit gefährdeter Gemeinschaften zu stärken.

UNICEF setzt sich für eine wirksame Verknüpfung seiner humanitären Maßnahmen mit der Entwicklungszusammenarbeit ein. Ein Beispiel dafür ist die Sanierung und Verbesserung von Wasser-und Abwassersystemen, die gefährdeten Haushalten sowohl in der unmittelbaren Krisensituation als auch längerfristig dient.

Bereiche humanitärer Hilfe

Die humanitäre Hilfe umfasst Bereiche wie Ernährung, Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH), Gesundheit, Kinderschutz und Bildung. 2005 wurde der sogenannte Cluster-Ansatz eingeführt. Mithilfe dieses Ansatzes soll die Nothilfe durch eine bessere Vorhersehbarkeit sowie eine stärkere Partnerschaft und Koordination in der Zusammenarbeit humanitärer Organisationen verbessert werden. UNICEF hat die Leitung der Cluster Ernährung, WASH und Co-Leitung für Bildung übernommen.

Beispiel Ernährung

Humanitäre Krisen sind häufig durch einen eingeschränkten Zugang zu nahrhaften, sicheren und erschwinglichen Lebensmitteln gekennzeichnet. Am stärksten sind Kinder, Jugendliche und Frauen von den Folgen betroffen. Insbesondere schwere akute Mangelernährung und andere Formen akuter Mangelernährung stellen in Notsituationen eine unmittelbare Bedrohung für das Leben der Kinder dar. Gleichzeitig sind auch körperliche Unterentwicklung und der Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen weit verbreitet, was verheerende Auswirkungen auf das körperliche Wachstum und das kognitive Potenzial der Kinder hat, die noch lange nach der Krise anhalten.

Jemen: Ein Kind wird mit Erdnusspaste gefüttert.

Ebtihal (7 Monate alt) aus dem Jemen wird mit hoch wirksamer Erdnusspaste gefüttert. UNICEF versorgt mangelernährte Kinder mit Medikamenten und therapeutischer Zusatznahrung.

© UNICEF/UN0670771/Gabreez

Was tut UNICEF?

UNICEF begegnet Ernährungskrisen unmittelbar als auch mittel- und langfristig. Hier einige Beispiele:

  • UNICEF versorgt mangelernährte Kinder in Notsituationen mit therapeutischer Nahrung (ready-to-use therapeutic food, RUTF), Spezialmilch oder eiweißreichen Keksen. Ausgebildete Gesundheitshelfer*innen kontrollieren das Wachstum der Mädchen und Jungen, um den Erfolg der Hilfe zu überprüfen.
  • Mütter werden über gesunde Ernährung aufgeklärt und erfahren, was Kinder für eine gute Entwicklung brauchen. Freiwillige Helfer*innen erklären den Müttern, wie sie stillen, die richtige Beikost geben oder nahrhaftes Gemüse anbauen können.
  • Regierungen werden von UNICEF auch schon bei der Vorbereitung auf Ernährungsnotfälle unterstüzt, indem Risiken identifiziert und die Reaktionsfähigkeit gestärkt werden.
  • UNICEF stärkt die globalen und nationalen Ernährungsinformationssysteme, um sich auf humanitäre Krisen vorzubereiten und darauf zu reagieren, und hilft den Ländern, Daten zu sammeln und zu nutzen, um Entscheidungen zu treffen.


Beispiel WASH

Die Folgen von unsauberem Wasser, mangelhaften sanitären Einrichtungen und unzureichender Hygiene können für Kinder tödlich sein. Wasser- und Abwassersysteme sind vor allem in Zeiten von Konflikten oft anfällig für Angriffe. Ohne Trinkwasser oder angemessene sanitäre Einrichtungen und Hygienemaßnahmen sind Kinder – insbesondere diejenigen, die bereits an Unterernährung und einem geschwächten Immunsystem leiden – noch anfälliger für Krankheiten. Über 700 Kinder unter 5 Jahren sterben jeden Tag an Durchfallerkrankungen, weil es an geeigneten WASH-Diensten mangelt.

Afghanistan: Ein Mädchen wäscht sich ihre Hände an einem Wassertank.

In einer informellen Siedlung für Binnenvertriebene in Kabul, Afghanistan, hat UNICEF ein neues Wassersystem gebaut, das kostenlosen Zugang zu sauberem, sicherem Wasser bietet.

© UNICEF/UN0605175/Houser


Was tut UNICEF?

Auch im Bereich Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene setzt UNICEF kurz- und langfristige Maßnahmen um:

  • UNICEF installiert Wassertanks und Pumpen, bereitet Leitungswasser auf, repariert kaputte Wasserversorgungs- und Abwassersysteme, bohrt Brunnen und baut Toiletten und Waschräume.
  • Helfer*innen stellen wichtige Hygieneartikel, wie zum Beispiel Seife, Waschmittel oder Zahnpasta zur Verfügung und informieren und klären über Hygiene auf.
Erste Hilfe Kit Humanitäre Hilfe
  • Vor Ort werden Flaschen mit einem wasserreinigenden Mittel verteilt, das Keime im Wasser abtötet. So sorgt UNICEF für sauberes Trinkwasser, damit sich Kinder nicht mit gefährlichen Krankheiten anstecken.
  • UNICEF arbeitet daran, den WASH-Sektor insgesamt zu stärken. Beispielsweise durch den Einsatz für bezahlbare Infrastruktur oder durch öffentlich-private Partnerschaften, die Gemeinden stärken, damit sie schneller auf Krisen reagieren können.

Sehen Sie in der Bildergalerie weitere Beispiele humanitärer Hilfe von UNICEF:

Uganda: Kinder sitzen mit Schulmaterial in einem Mehrzweckzelt und lernen.

Bild 1 von 3 | Schüler*innen der Bulembia Primary School im Distrikt Kasese, Uganda, besuchen den Unterricht in einem von UNICEF errichteten Mehrzweckzelt. Bei einer Überschwemmung wurden ihre Klassenzimmer weggespült. So ist der Zugang zu Bildung auch in Notsituationen gewährleistet.

© UNICEF/UN0588263/Wamala
Haiti: Menschen sitzen in einem Zelt auf Liegen.

Bild 2 von 3 | Nach dem Erdbeben in Haiti im August 2021 stellte UNICEF große Zelte auf und errichtete eine provisorische Krankenstation. Verletzte Kinder wurden mit Medikamenten und Verbandszeug versorgt. Nach Naturkatastrophen sorgt UNICEF für die medizinische Versorgung betroffener Kinder.

© UNICEF/UN0503650/Rouzier
Ukraine: Kind und Mutter spielen mit einem Ball in einem Zelt.

Bild 3 von 3 | Die vierjährige Liza spielt im Mutter-Kind-Zelt im Blue Dot Center in Isaccea, Rumänien. Die von UNICEF in den Nachbarländern der Ukraine eingerichteten Blue Dots sind wichtige Schutzorte und Anlaufstellen für Kinder und Familien auf der Flucht. Kinderschutz ist eine der wichtigsten Aufgaben in der humanitären Hilfe von UNICEF.

© UNICEF/UN0627871/Holerga


Erfolge der humanitären Hilfe 2021 und Prioritäten für die Zukunft

Auch und gerade weil die globalen Herausforderungen zunehmen, setzen sich unsere Kolleg*innen jeden Tag weltweit für Kinder und die Gemeinden, in denen sie leben, ein. 2021 reagierte UNICEF in 153 Ländern auf 483 neue oder anhaltende Krisen. Die Stärke von UNICEF ist die jahrzehntelange Erfahrung in der humanitären Hilfe und auf ein großes Netzwerk an Partnern in allen Ländern zurückgreifen zu können. Dadurch ist es UNICEF möglich, Hilfe so schnell und effektiv wie möglich umzusetzen.

So konnte auch 2021 vielen Kindern geholfen werden:

  • 5 Mio
    Kinder

    wurden wegen schwerer akuter Mangelernährung behandelt

  • 22 Mio
    Kinder

    wurden gegen Masern geimpft

  • 32,6 Mio
    Kinder

    erhielten Zugang zu Bildung


Angesichts der weiter wachsenden Not an humanitärer Hilfe ist jedoch ein radikaler Wandel erforderlich.

In seinem Nothilfeaufruf hat UNICEF vier Prioritäten formuliert:

1. Es braucht eine rechtzeitige, vorhersehbare und flexible Finanzierung, um das Leben von Kindern zu retten, ihre Würde zu bewahren und ihre Zukunft zu schützen.


2. Wir müssen uns verstärkt auf die Prävention neuer Katastrophen fokussieren.


3. Wir müssen die sinnvolle Beteiligung von Kindern, jungen Menschen und ihren Gemeinden gewährleisten.


4. Wir müssen uns ständig anpassen, um sicherzustellen, dass wir auf die humanitären Herausforderungen von heute und morgen reagieren können.


Wie kann man humanitäre Hilfe im Ausland unterstützen?

Wenn Sie selbst aktiv werden wollen, finden Sie unter www.unicef.org/careers weiterführende Informationen. Die praktische Arbeit in den Programmen wird ausschließlich von den UNICEF Länderbüros zusammen mit den lokalen Partnern durchgeführt. Die Büros arbeiten dabei zum weitaus größten Teil mit nationalen Mitarbeitenden. Die internationalen Mitarbeiter*innen werden entweder von den jeweiligen Länderbüros direkt oder über UNICEF New York oder UNICEF Genf eingestellt.

Eine Möglichkeit, humanitäre Hilfe direkt zu unterstützen, ist eine Spende. Sie können die humanitäre Hilfe durch eine einmalige Spende unterstützen oder unsere Arbeit für Kinder langfristig und nachhaltig unterstützen, indem Sie UNICEF-Pate oder UNICEF-Patin werden. Wenn Sie den weltweiten Hilfseinsatz für Kinder unterstützen möchten, können Sie das hier direkt tun:

Ihre Spende für die humanitäre Hilfe von UNICEF

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Stefanie Hack (1)
Autor*in Stefanie Hack

Stefanie Hack schreibt im Blog über entwicklungspolitische Themen und die weltweite Arbeit von UNICEF.