Bericht im UN-Sicherheitsrat: Kinder im Krieg
Was Kindern in Kriegen und Bürgerkriegen geschieht, ist kaum aussprechbar. Aber wir dürfen es der Welt nicht vorenthalten. So wie die Nachricht, die ich heute Morgen von UNICEF im Südsudan erhielt:
„Allein im Mai wurden in der Provinz Unity State 129 Kinder ermordet. Überlebende berichten, wie Jungen kastriert wurden und verbluteten. Achtjährige Mädchen wurden vergewaltigt und getötet; man band Kinder aneinander und schnitt ihnen die Kehle durch. Andere wurden in brennende Häuser geworfen.“
UN-Bericht zu Kinderrechtsverletzungen
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat vergangene Woche dem Sicherheitsrat einen „Report des Schreckens und der Schande“ vorgelegt. Heute berät das wichtigste politische Gremium der UN darüber. Nicht nur im Südsudan, auch im Nahen Osten und der Zentralafrikanischen Republik wird die Menschlichkeit mit Füßen getreten. Gruppen, wie der „IS“ in Syrien und im Irak oder Boko Haram in Nigeria kennen keine Gnade – setzen Terror gegen Kinder bewusst ein.
Der UN-Report beschreibt 23 Konfliktsituationen mit 59 unterschiedlichen Konfliktparteien, die nachweislich schwere Kriegsverbrechen an Kindern begehen. Die meisten – 51 davon – sind so genannte nicht-staatliche Akteure, also Milizen und Rebellengruppen.
Kinder: Opfer und Täter
Kinder und Jugendliche sind dabei nicht nur Opfer. Sie werden in vielen aktuellen Konflikten von zynischen Erwachsenen auch zu Tätern gemacht. Im Südsudan sind allein 13.000 Kindersoldaten im Einsatz. Sie schleppen Lasten, kundschaften als Spione Dörfer und Städte aus, kontrollieren Checkpoints und werden bei Überfällen eingesetzt. Sie müssen die Leben anderer zerstören – und zerstören auch ihr eigenes.
Der Grund: Oft haben sie selbst erleben müssen, wie ihre Dörfer überfallen und Angehörige getötet wurden. Manche Kinder wollen sich rächen. Andere fühlen sich stark, wenn sie eine Waffe in die Hand bekommen. Viele schließen sich bewaffneten Gruppen an, weil sie sonst niemanden haben, der ihnen Sicherheit und etwas zu essen gibt.
Weil sie keine Uniformen tragen, sind sie für die Milizen hilfreich, denn sie fallen in der Bevölkerung nicht auf. Hinzu kommt, dass ihnen das, was sie tun, manchmal nicht bewusst ist – ihr moralischer Kompass ist noch nicht fertig.
Eine entsetzliche Entwicklung ist es, dass immer mehr Kinder bei Selbstmordanschlägen beteiligt sind. Am 9. Februar 2014 hat sich zum Beispiel in Afghanistan ein 14-jähriger Junge in der Nähe eines Polizeistützpunktes im Distrikt Sharan in die Luft gesprengt und zahlreiche Zivilisten und Polizisten getötet.
Was bringt es, solchen Schrecken aufzulisten? Auch wenn es schwerfällt – wir dürfen nicht wegsehen. Denn diese Grausamkeiten zu verdrängen bedeutet auch, den Tätern freie Hand zu lassen. Für die meisten Milizen und Armeen ist es alles andere als angenehm, wenn ihnen auf höchster politischer Ebene schwere Menschenrechtsverletzungen öffentlich vorgeworfen werden. Insofern ist die Liste der Vereinten Nationen ein Instrument, um politischen Druck auf sie auszuüben.
Parallel führen die UN immer auch Verhandlungen mit den meisten dieser Gruppen. Nach vielen Jahren zeichnen sich dabei durchaus Fortschritte ab. So haben zum Beispiel Konfliktparteien in Afghanistan, im Kongo, Myanmar, Somalia, Südsudan und im Jemen Aktionspläne unterzeichnet und versprochen, keine Kindersoldaten mehr einzusetzen. Klar, ist aber, dass solche Versprechen nur so viel wert sind, wie sie auch überprüft werden können.
Hilfe für Kindersoldaten
Im Südsudan hat UNICEF Anfang des Jahres nach langen Gesprächen mit der so genannten Cobra Fraktion, angeführt von einem David Yau Yau, die Zusage erhalten, dass 3.000 Kindersoldaten nach und nach freigelassen wurden. In den vergangenen Monaten sind tatsächlich mehrere Hundert von ihnen freigekommen. Auch in der Zentralafrikanischen Republik wurden im Mai 300 Kinder freigelassen – manche gerade zwölf Jahre alt.
UNICEF hält – oft über Mittelsmänner – den Kontakt zu den Führungsfiguren der Konfliktparteien. Dies ist möglich, weil diese oft humanitäre Hilfe in den von ihnen kontrollierten Gebieten akzeptieren. Dabei versucht UNICEF dann, mit den Akteuren zu sprechen und sie dazu zu bewegen, zum Beispiel keine Minderjährigen zu rekrutieren.
Ganz wichtig ist auch, dass UNICEF in den Krisengebieten versucht, Verbrechen an Kindern zu dokumentieren. Im Krieg stirbt bekanntlich als erstes die Wahrheit. Im letzten Jahr habe ich im Nordirak erlebt, wie Helfer zu den vertriebenen Familien gingen und sie genauestens befragt haben, was ihnen die IS-Kämpfer angetan haben. Dies gibt ihnen ein Stück Würde zurück. Und die Dokumentation ist Grundlage dafür, dass wir heute damit konfrontiert werden. Im Namen der Menschlichkeit.