© UNICEF/UN0778542/anonymousErdbeben in Syrien und der Türkei: UNICEF-Repräsentatin in Syrien Angela Kearny im Gespräch mit Kindern
Kinder weltweit

"Die Menschen flohen ins Freie, viele noch im Schlafanzug"

"Das Erdbeben war absolut traumatisierend", berichtet die UNICEF-Mitarbeiterin Angela Kearney, die während der schwersten Beben seit 100 Jahren in Aleppo (Syrien) ist. In diesem Beitrag teilen wir ihren Augenzeugenbericht, berichten über den Einsatz von UNICEFs Hilfsgütern und erzählen von einem kleinen Moment, der Hoffnung macht.


von Sandra Redegeld

Erdbeben in Syrien: Augenzeugenbericht einer UNICEF-Mitarbeiterin

Sonntag, 5. Februar 2023

Angela Kearney ist derzeit als UNICEF-Repräsentantin in Syrien. In Aleppo hilft die Neuseeländerin dabei, Hilfsgüterlieferungen in Teilen des Landes zu koordinieren. Die Lage in Syrien ist für Kinder dramatisch – vor allem im Nordwesten Syriens ist die Situation der Familien besonders schlimm. Über vier Millionen Menschen in der Region sind dort nach fast zwölf Jahren Krieg auf humanitäre Hilfe angewiesen. UNICEF unterstützt Partner vor Ort bei der Koordination und Lieferung wichtiger Hilfsgüter.

UNICEF LKW Syrien UN0745352

UNICEF ist seit vielen Jahren in Syrien im Einsatz und liefert wichtige Hilfsgüter in den Bereichen Gesundheit und Ernährung, Bildung, Wasser, Sanitäranlagen und Hygiene. Dieser Transporter erreichte 2022 Nordsyrien und steht symbolisch für UNICEFs Hilfe in Syrien.

© UNICEF/UN0745352/Janji

Montag, 6. Februar 2023

Mehrere Erdbeben der Stärke 7,7 reißen Menschen in Teilen der Türkei und in Syrien aus dem Schlaf. Mitten in der Nacht zerstören die schweren Beben Häuser, Straßen und ganze Dörfer. Tausende Menschen sterben – wie viele es genau sind, ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Klar ist jedoch: Hier ist eine Katastrophe geschehen. Angela Kearney berichtet ihre Eindrücke aus Aleppo wie folgt:

„Das Erdbeben war absolut traumatisierend. Die Menschen flohen ins Freie, viele noch im Schlafanzug. Viele Wasserleitungen sind zerstört. Die Krankenhäuser sind überlastet, Verletzte können nicht richtig behandelt werden. Die Not wächst jeden Tag.“

Bei den Erdbeben in der Türkei und Syrien handelt es sich um die schwerste Naturkatastrophe in der Region seit 100 Jahren. Immer wieder kommt es zu Nachbeben, die Menschen haben große Angst, zum Teil die Nächte auf der Straße verbracht und sorgen sich um ihre Angehörigen.

Bild Angela mit Kindern in Syrien

Dienstag, 7. Februar 2023

Die Zahl der Toten steigt im Stundentakt. Immer wieder werden Tote und Verletzte, aber auch Überlebende aus den Trümmern geborgen. Die Solidarität über die Landesgrenzen ist groß – erste Spendenaktionen werden ins Leben gerufen, um den Menschen in der betroffenen Region zu helfen. Die Tagesschau teilt im Liveblog unsere Befürchtungen, dass mehrere Tausend Kinder durch die Erdbeben zu Tode gekommen sein könnten.

UNICEF-Repräsentantin Angela Kearney berichtet von der Angst und Verzweiflung aller Überlebenden in der Region. Sie sagt, dass die Kinder ohnehin in schwierigen Verhältnissen aufwachsen. Der Krieg habe vieles zerstört – doch sie berichtet auch von Hoffnung:

„Es gibt aber auch Momente, die Mut machen. In einer Schule traf ich eine Lehrerin, die gerade ihre Schwester verloren hatte. Sie war trotzdem dort, um sich um die obdachlosen Familien und Kinder zu kümmern. Kurzfristig konnten wir medizinische Hilfsgüter kaufen und Gesundheitseinrichtungen bereitstellen. Das ist alles dank schneller Spenden möglich.“

Erdbeben in Syrien und der Türkei: Viele Opfer rund um das Epizentrum brauchen dringend Notunterkünfte.

Aus Angst vor weiteren Nachbeben haben sich diese Syrer*innen in einem Kloster in Sicherheit gebracht. In den nordsyrischen Provinzen brauchen große Teile der Bevölkerung jetzt unsere Unterstützung.

© UNICEF/UN0778263/Beshare/AFP

Mittwoch, 8. Februar 2023

Die Zahl der Toten steigt am späten Nachmittag auf mehr als 11.000. UNICEF ist in Teilen Syriens im Einsatz und arbeitet mit Hochdruck daran, Hilfsmaßnahmen anzuschieben. Die Grundversorgung der Kinder in den nächsten Wochen und Monaten muss sichergestellt werden. Wir von UNICEF sind dafür seit Jahren in Syrien im Einsatz, das infolge des Bürgerkriegs und der Corona-Pandemie unter einem wirtschaftlichen Niedergang und großer Armut leidet.

„Die Menschen erleben eine Tragödie in der Tragödie mitten im Winter in einem Land, in dem seit Jahren Krieg herrscht. Die Kinder brauchen Sicherheit, Nahrung, Schutz, sauberes Wasser und medizinische Hilfe. Der Bedarf an Hilfe ist überwältigend.“

Angela Kearney besucht Krankenhäuser, die mit Hochdruck an der Versorgung der Verletzten arbeitet. UNICEF kann durch Spenden medizinische Ausstattungen liefern und so wichtige Nothilfe leisten.

„Die Krankenhäuser, die ich besucht habe, waren völlig überlastet. Verletzungen, Knochenbrüche, Schnittwunden und noch viel mehr. Menschen kommen zu den Krankenhäusern, weil sie verzweifelt und traumatisiert sind. Es ist eine sehr schwere Zeit.“

Helfer in Syrien UN0778454
© UNICEF/UN0778454/Suleiman

Da Straßen zerstört und weggerissen wurden, gestaltet sich die Lieferung von Hilfsgütern nach Syrien herausfordernd. Wir von UNICEF sind seit Jahren gemeinsam mit Partnern in Teilen Syriens tätig. Jetzt verteilen wir Hilfsgüter wie Erste-Hilfe-Sets, Hygiene-Kits und warme Decken an die bedürftigen Kinder und Familien. UNICEF hat außerdem Hilfsgüter für Operationssäle sowie hochproteinreiche Kekse zur Behandlung mangelernährter Kinder beschafft. Diese sollen nun so schnell wie möglich zu den Menschen gebracht werden. Wir erwarten, dass der Bedarf an Hilfe in den kommenden Tagen noch steigen wird.

Donnerstag, 9. Februar 2023

Im Chaos nach Naturkatastrophen wie dieser passiert es immer wieder, dass Kinder von ihren Eltern und Angehörigen getrennt werden und nun unbegleitet umherirren. Sie sind besonders gefährdet. Wir von UNICEF setzen uns dafür ein, solche Kinder schnell zu identifizieren und sie mit ihren Familien zusammenzuführen. Angela Kearney berichtet von der Nacht, in der sie, wie Tausende weitere Menschen, wegen des Erdbebens aus dem Schlaf gerissen wurde:

„Ich glaube, fast alle Menschen in Aleppo liefen auf die Straße und viele sind nicht mehr in ihre Wohnungen zurückgekehrt, weil sie ein Nachbeben nach dem anderen spürten. Wir haben die Angst in den Gesichtern der Kinder gesehen, die in der Kälte standen und mit ihren Eltern nach Schutzunterkünften suchen.“

Was sie erlebt und gesehen haben, kann für Kinder schwer traumatisierend sein. Kinder haben von heute auf morgen ihre Eltern, ihr Zuhause und ihre sichere Umgebung verloren. Die Lage ist weiterhin unübersichtlich – die Zahl der Toten steigt weiterhin.

Suche Erdbeben Syrien UN0779026

In den Trümmer eines eingestürzten Gebäudes im Stadtteil Al Masharqa in Aleppo, Nordsyrien, fanden am 7. Februar 2023 die Suche nach Toten und die Rettungsarbeiten für mögliche Überlebende, darunter Kinder und Erwachsene, statt.

© UNICEF/UN0779026/anonymous

Erdbeben in Syrien und der Türkei: So können Sie den Kindern helfen

In den verwüsteten Gebieten brauchen Kinder und Familien nach den schwersten Erdbeben seit 100 Jahren dringend medizinische Hilfe, sauberes Wasser, Nahrung, Decken, warme Kleidung und sichere Unterkünfte.

Helfen Sie den Kindern gemeinsam mit uns von UNICEF.

Helfen Sie den Kindern nach den Erdbeben in Syrien und der Türkei mit einer Spende!

Wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Kinder brauchen jetzt unsere Hilfe. UNICEF ist vor Ort. Bitte unterstützen Sie die Nothilfe mit Ihrer Geldspende. Vielen Dank!

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Mitarbeiter Porträt UNICEF: Sandra Redegeld
Autor*in Sandra Redegeld

Sandra Redegeld ist Print- und Online-Redakteurin und bloggt über die UNICEF-Arbeit weltweit.