© UNICEF/UNI514856/Le DuFlüchtlinge im Sudan
Kinder weltweit

Kindheit auf der Flucht: Geschichten aus dem Sudan

Infolge des Krieges, der im vergangenen Jahr im Sudan ausgebrochen war, hat sich das Land zum Schauplatz der weltweit größten Vertreibungskrise für Kinder entwickelt. Etwa vier Millionen Kinder wurden aus ihrer Heimat vertrieben, so viele wie nirgendwo anders auf der Welt. Hier erzählen wir ihre Geschichten.


von Stefanie Hack

Der Sudan gilt als eine der größten vergessenen Krisen. Seitdem im April 2023 Kämpfe zwischen Regierungstruppen und paramilitärischen Milizen ausgebrochen waren, herrscht ein Krieg, der sich inzwischen auf die Hälfte der Bundesstaaten des Sudan ausgeweitet hat.

Nirgendwo anders auf der Welt sind so viele Kinder vertrieben wie im Sudan: Rund vier Millionen Kinder mussten aus ihrer Heimat fliehen. Insgesamt sind über acht Millionen Menschen vertrieben. Fast zwei Millionen Menschen sind in Nachbarländer wie Tschad, Ägypten oder den Südsudan geflohen.

Flüchtlinge im Sudan

Millionen Kinder wurden aufgrund des Krieges im Sudan vertrieben.

© UNICEF/UNI492302/Mohamdeen

Die humanitäre Lage im Land ist besorgniserregend: Etwa 13,6 Millionen Jungen und Mädchen sind dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen, das sind fast so viele Kinder wie in ganz Deutschland leben. Der Konflikt verschärft besonders die Hungersituation: In der Erntesaison von Oktober bis Februar wurde die höchste jemals verzeichnete Hungerstufe im Sudan gemessen. Nun droht eine Hungersnot. 3,5 Millionen Kinder sind mangelernährt und über 700.000 von ihnen so schwer, dass ihr Leben gefährdet ist. Der Sudan weist damit eine der höchsten Raten an Mangelernährung bei Kindern auf.

Flucht setzt Kinder Gefahren aus

Bereits vor dem Ausbruch der aktuellen Kämpfe lebten Millionen Menschen im Sudan als Binnenvertriebene in Camps für Geflüchtete oder in Notunterkünften. Nun hat sich Situation noch einmal verschärft.

Viele Kinder im Sudan mussten nach dem Ausbruch des Krieges Hals über Kopf und unter gefährlichen Bedingungen ihr Zuhause verlassen. Oft wurden sie dabei von ihren Familien getrennt oder haben gesehen, wie Angehörige starben.

Auf ihrer Flucht und in der Fremde können ihre Rechte immer wieder verletzt werden. Kinder auf der Flucht sind einem erhöhten Risiko durch Menschenhandel, Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch ausgesetzt. Viele Kinder mit Fluchterfahrungen sind zudem stark traumatisiert.

In den Flüchtlingscamps, in denen sie Zuflucht finden, sind sie zwar zunächst sicher. Viele Camps sind jedoch inzwischen überfüllt und die Hygienebedingungen sind schlecht, wodurch sich Krankheiten, wie zum Beispiel Cholera, leichter ausbreiten und das Leben der Kinder gefährden.

Geschichten von der Flucht: Wenn Kinder alles zurücklassen müssen

Unsere Kolleg*innen haben Kinder aus dem Sudan getroffen, die aus ihrem Zuhause fliehen mussten und ihre bewegenden Geschichten geteilt haben.

Muayad (13 Jahre alt): Wird er seinen Bruder wiedersehen?

Muayad ist schon zum zweiten Mal auf der Flucht. Nach dem Ausbruch der Kämpfe in der Hauptstadt Khartum, wo er mit seiner Familie lebte, ist er zunächst in die Stadt Wad Madani geflohen. Khartum war mit am stärksten von den Kämpfen betroffen.

Flüchtlinge im Sudan

Der 13-jährige Muayad musste bereits zweimal fliehen.

© UNICEF/UNI492319/Mohamdeen

Zwar war die Grundversorgung in Wad Madani aufgrund der vielen Flüchtlinge auch nicht mehr jederzeit gewährleistet, aber die Stadt galt lange Zeit als sicher und wurde zum Zufluchtsort für etwa 500.000 Menschen. Auch für UNICEF war Wad Madani ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für die Lieferung humanitärer Hilfsgüter.

Im Dezember waren jedoch auch in Wad Madani Kämpfe ausgebrochen und zwangen die Menschen von jetzt auf gleich, ein zweites Mal zu fliehen. Muayad ist mit seiner Familie in einer Sammelunterkunft für Geflüchtete untergekommen.

Als der Junge mit seiner Familie floh, mussten sie seinen Bruder zurücklassen. Er ist nun bei einem anderen Teil der Familie. Muayad vermisst seinen Bruder sehr und weiß nicht, ob oder wann er ihn wiedersehen wird.

Flüchtlinge im Sudan

Muayad spielt mit anderen Kindern in einer Sammelunterkunft für Geflüchtete. Hierher ist er mit seiner Familie gekommen, nachdem sie zum zweiten Mal fliehen mussten.

© UNICEF/UNI492324/Mohamdeen

Kinder wie Muayad haben keinen Ort mehr, den sie ihr Zuhause nennen können. Wie es für ihn weitergeht, weiß er noch nicht. Zunächst wird er mit seiner Familie in dieser Unterkunft bleiben.

Shaimaa (14 Jahre alt): Volleyball hilft ihr, Stress abzubauen

Flüchtlinge im Sudan

Shaimaa vermisst ihr Zuhause und die Schule.

© UNICEF/UNI502670/Ahmed Elfatih Mohamdeen

Wie Muayad kommt auch Shaimaa aus Khartum und ist nach dem Ausbruch der Kämpfe mit ihrer Familie in die Stadt Kusti geflohen.

Shaimaa vermisst ihr Zuhause und wünscht sich, wieder zurückzukehren und zur Schule gehen zu können. Ein Schulbesuch ist momentan jedoch nicht möglich, weil die meisten Schulen im Land aufgrund des Konflikts geschlossen sind und zum Teil als Notunterkünfte für Flüchtlinge genutzt werden. Das verschärft die bereits bestehende Lernkrise im Land. Derzeit können fast 19 Millionen Mädchen und Jungen nicht zur Schule gehen.

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Sudan: Wie Kunst Kindern hilft, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten

In Kusti hat UNICEF einen kinderfreundlichen Ort errichtet, der unter anderem als Lernzentrum dient. Der Ort wird Makanna genannt, das aus dem Arabischen übersetzt unser Raum bedeutet. Jeden Tag kommt Shaimaa mit Hunderten anderen Kindern dorthin. Sie können lernen, spielen und erhalten psychologische Hilfe.

UNI502679

In einem Zelt des von UNICEF eingerichteten kinderfreundlichen Ortes kann Shaimaa gemeinsam mit anderen Kindern digital lernen.

© UNICEF/UNI502679/Mohamdeen

Im Makanna fühlt sich Shaimaa wohl und sicher. Gemeinsam mit anderen lernt sie dort ganz einfach digital. Dazu hat UNICEF Tablets bereitgestellt, mithilfe derer die Kinder angeleitet lernen können.

Draußen vor dem Makanna können die Jungen und Mädchen auf einem großen Platz Fußball oder Volleyball spielen. Spiel und Sport helfen dabei, Stress abzubauen und traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. Shaimaa hat hier ihre Leidenschaft für Volleyball entdeckt.

An dem kinderfreundlichen Ort in Kusti stellt UNICEF auch sauberes Wasser und eine mobile Gesundheitsklinik für Kinder und ihre Familien bereit. In der mobilen Klinik werden zum Beispiel Impfungen durchgeführt und Medikamente verteilt. Drüber hinaus klären Mitarbeitende über die richtige Handhygiene als Schutz vor Krankheiten auf.

Malaz Ahmed Ismail (14 Jahre alt): 7 Monate hat sie sich alleine durchgeschlagen

Viele Menschen sind vor den Kämpfen im Sudan auch in Nachbarländer, wie zum Beispiel Richtung Westen in den Tschad, geflohen. Im Tschad halten sich derzeit die meisten sudanesischen Flüchtlinge auf. Die 14-jährige Malaz Ahmed Ismail ist eine von ihnen. Sie hat Zuflucht im Flüchtlingslager Farchana im Osten des Tschad gefunden.

Flüchtlinge im Sudan

Malaz hat sieben Monate alleine in einem Flüchtlingscamp verbracht, bevor sie wieder mit ihrer Mutter zusammengeführt wurde.

© UNICEF/UNI514856/Le Du

"Ich habe mein Zuhause wegen des Krieges verlassen. Als wir flohen, hörten wir Schüsse. Meine Nachbarn wurden getötet", sagt Malaz. Das Mädchen dachte zunächst, dass auch ihre Mutter ums Leben gekommen sei. Die letzten sieben Monate hat sie in dem Flüchtlingscamp im Tschad ohne ihre Mutter verbracht. Malaz war überglücklich, als sie erfuhr, dass ihre Mutter am Leben war. Vor ein paar Wochen konnten Mutter und Tocher zusammengeführt werden und sind nun endlich wieder vereint.

Flüchtlinge im Sudan

Malaz und ihre Mutter sind glücklich, weil sie wieder zusammen sind.

© UNICEF/UNI514859/Le Du

Auch in dem Flüchtlingscamp im Tschad, in dem Malaz untergekommen ist, hat UNICEF einen kinderfreundlichen Ort errichtet. Dieser war für Malaz ein Zufluchtsort. Dort konnte sie gemeinsam mit anderen Kindern malen oder Sport machen.

Wie innerhalb des Sudan errichtet UNICEF auch in Nachbarländern kinderfreundliche Orte und arbeitet daran, noch mehr solcher Orte zu schaffen.

UNICEF steht weiter an der Seite der Kinder

UNICEF ist bereits seit Jahren im Sudan im Einsatz und leistet auch trotz der derzeit großen Herausforderungen weiterhin Hilfe, wo immer es möglich ist.

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Konflikt im Sudan: So hilft UNICEF den Kindern

So liefert UNICEF beispielsweise medizinische Ausrüstung, Medikamente und sauberes Wasser an Krankenhäuser und Gesundheitszentren. Da viele Gesundheitseinrichtungen durch die Kämpfe nicht mehr funktionsfähig sind, ist UNICEF mit mobilen Gesundheits- und Ernährungsteams im Einsatz, um den Zusammenbruch der lebensrettenden Gesundheitsversorgung von Kindern zu verhindern. Schwer mangelernährte Kinder werden mit therapeutischer Zusatznahrung behandelt. Darüber hinaus finden Kampagnen statt, um mangelernährte Kinder zu identifizieren und zu versorgen.

UNICEF leistet Hilfe in Konfliktgebieten sowie in Regionen, in denen besonders viele Familien Zuflucht suchen.

InfoUNICEF-Hilfe im Sudan


2023 konnte UNICEF unter anderem:

- 5,9 Millionen Menschen mit Trinkwasser versorgen

- 6,4 Millionen Menschen medizinisch versorgen

- 313.000 mangelernährte Kinder behandeln

- 783.000 Menschen mit psychosozialen Angeboten erreichen

Die Hilfe geht weiter – UNICEF bleibt an der Seite der Kinder. Die Kinder im Sudan brauchen aber vor allem dringend Frieden, damit mehr humanitäre Hilfe sie erreicht und sie irgendwann in ihr Zuhause zurückkehren können.

Stefanie Hack (1)
Autor*in Stefanie Hack

Stefanie Hack schreibt im Blog über entwicklungspolitische Themen und die weltweite Arbeit von UNICEF.