© UNICEF/UNI371518/CholUNICEF Kampagne gegen Kinderehen
Gut zu wissen

Kinderehen weltweit: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Kinderehen sind weltweit keine Seltenheit. Jährlich werden schätzungsweise zwölf Millionen Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Doch wo und warum gibt es Kinderehen überhaupt und welche Auswirkungen haben frühe Ehen auf Kinder? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.


von Ninja Charbonneau

Sonjida aus Myanmar war 15, als sie unerwartet verheiratet wurde – ein Schock. Ihr Ehemann ist 73. Mehr noch als das Zusammenleben mit einem viel älteren Mann beschäftigt sie allerdings die Frage, was aus ihr wird, wenn ihr Ehemann stirbt.

Der Altersunterschied zwischen Sonjida und ihrem Ehemann ist extrem, aber dass junge Mädchen einen sehr viel älteren Mann heiraten müssen, ist keine Seltenheit. Warum stimmen Eltern einer solchen Hochzeit zu, wie weit verbreitet sind Kinderehen, welche Folgen hat das für die Mädchen und wie kann man Kinderheiraten verhindern?

Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten.

Definition: Was ist eine Kinderehe?

Laut UNICEF ist eine Kinderehe eine formale Eheschließung, bei der mindestens einer der Partner unter 18 Jahre alt ist. Wir finden, dass Minderjährige generell nicht heiraten sollten, weil das ein großer Einschnitt in ihrem Leben ist und sie die Folgen womöglich noch nicht ganz erfassen können. Und selbstverständlich sollten Kinder, Mädchen oder Jungen, auf keinen Fall zu einer Ehe gedrängt und erst recht nicht gezwungen werden.

Kinderehen: Braut mit zwölf Jahren

Meimouna in Mauretanien ist zwölf Jahre alt – und verlobt. Schon als Baby wurde sie einem entfernten, viel älteren Verwandten versprochen. „Ich finde zwölf zu jung zum Heiraten, aber ich habe keine Wahl“, sagt Meimouna. „Wir sind eine sehr arme Familie, Heirat bringt Sicherheit.“

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Zahlen und Trends: Wie viele Kinderehen gibt es weltweit?

Heute leben schätzungsweise 640 Millionen Mädchen und Frauen auf der Welt, die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet wurden. UNICEF schätzt, dass jährlich zwölf Millionen Mädchen eine Kinderehe eingehen. In den vergangenen Jahrzehnten war die Entwicklung positiv und die Zahl der Kinderehen bei Mädchen ist um 15 Prozent gesunken. Große Fortschritte gab es vor allem im südlichen Asien, wo im letzten Jahrzehnt der Anteil von als Kinder verheirateten Mädchen von rund 50 Prozent auf rund 30 Prozent gesunken ist.

Aber die Folgen der Covid-Pandemie könnten dafür sorgen, dass der positive globale Trend umgekehrt wird. Einem Bericht zufolge besteht die Gefahr, dass bis zum Ende des Jahrzehnts zehn Millionen zusätzliche Kinderehen geschlossen werden könnten.

UN0286458

Halima im Tschad wurde mit 14 Jahren verheiratet. Kinderehen sind eine der Hauptursachen für Armut in ihrem Dorf, sagt sie.

© UNICEF/UN0286458/Sang Mooh
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Äthiopien: Zwei zwangsverheiratete Mädchen erzählen ihre Geschichten

Auch andere Krisen können dazu beitragen, dass die Zahl der Kinderehen in einigen Ländern wieder steigt. Denn wenn Not und Armut zunehmen, greifen Familien oft zu verzweifelten Mitteln, um über die Runden zu kommen – dann kann eine Überlebensstrategie sein, dass Kinder arbeiten müssen oder Mädchen sehr jung verheiratetet werden. Zum Beispiel beobachten wir mit Sorge, dass in den von mehreren Dürre-Jahren schwer getroffenen Gebieten am Horn von Afrika Frühehen zunehmen.

Auch in Afghanistan gibt es Berichte, dass in der aktuellen Notsituation mehr Mädchen verheiratet werden. Dazu kommt, dass dort Mädchen der Besuch einer weiterführenden Schule verwehrt wird – und Schule wiederum ist der beste Schutz vor Kinderehen.

Kinderehen: Mehr Mädchen in Afghanistan betroffen

Farhana (5) in Afghanistan sollte als Kinderbraut weggegeben werden, weil der Vater sich verschuldet hatte und die Schulden nicht zurückzahlen konnte. Mit Hilfe des Schutzkomitees des Dorfes wurde die Heirat vorläufig verhindert – aber die Not der Familie bleibt groß.

© UNICEF/UN0597101/Bidel

Gibt es Kinderehen auch bei Jungen?

Auch Jungen sind von Kinderehen betroffen, wenn auch fünf Mal seltener als Mädchen.

Die Ursachen und die Folgen können für Mädchen und für Jungen sehr unterschiedlich sein, aber dennoch ist es für beide eine Verletzung ihrer Rechte. Auch Jungen können durch eine frühe Ehe in eine Erwachsenen-Rolle gedrängt werden, für die sie noch nicht bereit sind.

Kinderehen: Jugendliche führen einen Sketch auf, um vor Kinderehen zu warnen.

Jugendliche in Nepal führen einen Sketch auf, um vor Kinderehen zu warnen.

© UNICEF/UN0302727/Panday

Gegen den Willen: Wie häufig ist Zwangsheirat von Kindern?

Die Kinderehe ist eine Form der Zwangsheirat, wenn ein oder beide Partner nicht ihre volle und freie Zustimmung zum Ausdruck gebracht haben. Doch ob die Eheschließung eines Kindes eine Zwangsheirat oder eine Liebesheirat war, ob die künftige Braut und der Bräutigam gefragt wurden oder ob die Familie Druck ausgeübt hat, darüber geben die Statistiken keine Auskunft. Mit Sicherheit ist auch der soziale Druck, der vor allem auf Mädchen lastet, sehr hoch.

Aber unabhängig davon, ob Zwang ausgeübt wurde oder eine Heirat freiwillig war: Sie verstößt gegen die Kinderrechte von Mädchen und Jungen und hat weitreichende Folgen für ihre Entwicklung. Daher hat sich die internationale Staatengemeinschaft im Rahmen der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) vorgenommen, die Praxis von Kinderehen bis 2030 zu beenden.

Kinderehen: Zwangsehen im Jemen

Asma’a (15) im Jemen sollte zwangsverheiratet werden. Glücklicherweise konnte sie ihre Eltern doch noch überzeugen, dass sie zuerst die Schule beenden kann.

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Verbreitung: Wo gibt es die meisten Frühehen?

Am weitesten verbreitet sind Kinderehen in Subsahara-Afrika und im südlichen Asien. In West- und Zentralafrika waren 37 Prozent der jungen Frauen bereits vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet – 12 Prozent waren sogar jünger als 15 Jahre. Im östlichen und südlichen Afrika lag der Anteil der Frühehen bei 32 Prozent der Mädchen, im südlichen Asien bei 28 Prozent in Lateinamerika/ Karibik bei 21 Prozent, und in Osteuropa und Zentralasien bei zehn Prozent. Auch im Mittleren Osten und Nordafrika sind Frühehen weiterhin verbreitet, allerdings gibt es dazu aktuell keine regionale Statistik (Stand Februar 2023).

Sierra Leone: Die fünfzehnjährige Amina mit ihrem Ehemann Lamine.

Amina (15, Name geändert) mit ihrem Ehemann Lamine in Sierra Leone. Das Paar hat ein sechs Monate altes Baby.

© UNICEF/UNI202463/Kassaye

Wenn man sich einzelne Länder ansieht, gibt es prozentual die meisten Kinderbräute in Niger (76 Prozent), in der Zentralafrikanischen Republik (61 Prozent), im Tschad (61 Prozent), in Mosambik (53 Prozent), Bangladesch (51 Prozent), Burkina Faso (52), Mali (54), Südsudan ( 52 Prozent), Guinea (47 Prozent). Aber auch in anderen Ländern wie Afghanistan (28 Prozent), Brasilien (26 Prozent), Kuba (29 Prozent), Irak (28 Prozent) oder Jemen (30 Prozent) ist der Anteil der jungen Frauen, die bereits vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet waren, hoch.

Kinderehen bei Jungen sind in einer Reihe von Ländern in Subsahara-Afrika, Lateinamerika und Karibik, Südasien sowie Ost-Asien und der Pazifik-Region verbreitet. Am häufigsten heiraten minderjährige Jungen aktuellen Schätzungen zufolge (Stand Februar 2023) in Belize (22 Prozent), Surinam (20 Prozent), Nicaragua (19 Prozent) und der Zentralafrikanischen Republik (17 Prozent).

In einigen Ländern sind die Fortschritte zwar besonders groß, aber die Zahl der Kinderehen bleibt auf hohem Niveau: So werden in Äthiopien 40 Prozent der Mädchen unter 18 verheiratet – ein Rückgang von 60 Prozent vor zehn Jahren. In Indien ging der Anteil von 50 Prozent auf 27 Prozent zurück. Wegen der großen Gesamtbevölkerung sind jedoch Millionen von jungen Frauen betroffen: Jede dritte Kinderbraut lebt in Indien.


Ursachen: Warum gibt es Kinderehen?

Viele Faktoren führen dazu, dass Mädchen – und Jungen – als Minderjährige verheiratet werden. Dazu gehören zum Beispiel Armut, soziale Normen und Rollenbilder, die Annahme, dass Mädchen durch eine Heirat besser geschützt sind, fehlende Bildungsmöglichkeiten für Mädchen, religiöse Bräuche und nicht ausreichende Gesetze.

Welche große Rolle vor allem Armut spielt, zeigt sich auch daran, dass es innerhalb eines Landes große Unterschiede zwischen den wohlhabenderen und den ärmeren Familien geben kann. Vom Rückgang der Kinderehen in den letzten Jahren haben Mädchen aus ärmeren Familien nicht profitiert.

So sehen sich arme Familien oft gezwungen, ihre Töchter möglichst früh zu verheiraten, damit sie versorgt sind. Die Not in Konflikt- und Krisenregionen und auf der Flucht führt oftmals dazu, dass die Zahl der frühen Verheiratungen von Mädchen stark ansteigt. Aus Afghanistan etwa, wo immer mehr Familien in die Armut rutschen, erreichen uns Berichte, dass Babys schon im Alter von nur 20 Tagen für eine zukünftige Ehe versprochen werden. Die Familien können dann eine Mitgift aushandeln, von der sie eine Weile leben können.

Jordanien: Die 17-jährige Aya spielt mit ihrer kleinen Tochter.

Aya (17) ist aus Syrien nach Jordanien geflüchtet und hat bereits eine zehn Monate alte Tochter. Bei jeder dritten Ehe von Syrern in Jordanien ist ein Ehepartner, meist die Frau, noch unter 18.

© UNICEF/UN0287630/Herwig

Nicht zu unterschätzen ist der soziale Druck in einer Gemeinschaft, in der Mädchen üblicherweise jung heiraten. Außerdem fehlt häufig das Wissen oder Bewusstsein, dass eine frühe Heirat für das Mädchen schädlich sein kann.

Die Beispiele zeigen, dass es keine leichte Aufgabe ist, die Praxis von Kinderehen vollständig zu beenden – es ist vielmehr ein langer Prozess.

Kinderehen: UNICEF überzeugt Väter, ihre Töchter nicht früh zu verheiraten

Hansatou (Mitte) in Niger sollte als Kind heiraten. Ein Vertreter der Regionalbehörde, unterstützt von UNICEF, spricht mit dem Vater. „Ich fragte ihren Vater: Willst du, dass deine Tochter schlecht behandelt wird? Willst du, dass sie bei einer Schwangerschaft oder Geburt stirbt? Natürlich wollte er das nicht. Niemand möchte das für sein Kind.“

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Kinderehen und Religion: Welche Rolle spielen religiöse Gründe bei der frühen Verheiratung?

Religiöse Traditionen sind einer von vielen Gründen, Mädchen früh zu verheiraten, aber nicht die Hauptursache. Häufig gibt es das Vorurteil, dass Kinderehen hauptsächlich ein Problem in islamischen Gemeinschaften sind. Richtig ist, dass es Kinderehen weltweit gibt, quer durch verschiedene Länder, Religionen, Kulturen und ethnische Gruppen.

Religiöse Würdenträger können aber einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, Kinder vor Frühehen zu schützen. Wirksame Programme zum Schutz vor Kinderehen beziehen deshalb religiöse Autoritäten ebenso wie andere einflussreiche Personen und möglichst ganze Gemeinschaften in die Arbeit mit ein, um langfristig einen Wandel zu erreichen.

Folgen: Welche Auswirkungen haben frühe Ehen auf Kinder?

Eine Kinderehe beeinträchtigt häufig die Entwicklung eines Mädchens. Sie kann zu früher Schwangerschaft und damit zu einem Gesundheitsrisiko führen: Teenager-Mütter sterben häufiger an Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt als reifere Frauen. In einigen Ländern werden Mädchen einer Genitalverstümmelung unterzogen, damit sie als "heiratsfähig" angesehen werden - mit gravierenden lebenslangen Folgen für ihre körperliche und psychische Gesundheit.

Verheiratete Mädchen werden oft aus ihrem bisherigen sozialen Umfeld herausgerissen und sind zu Hause isoliert. Junge Ehefrauen sind einem höheren Risiko von häuslicher Gewalt ausgesetzt.

Uganda: Die 14-jährige Miria mit ihrem zweijährigen Sohn.

Miria Nanjiya in Uganda wurde mit zwölf Jahren schwanger und war gezwungen, von der Schule zu gehen und zu heiraten. Sie wurde aus ihrer gewalttätigen Ehe befreit, als sie eine von UNICEF unterstützte Notruf-Hotline anrief – ihren zweijährigen Sohn erzieht sie alleine.

© UNICEF/UN0203604/Nakibuuka

Eine frühe Heirat bedeutet oft das abrupte Ende der Kindheit – die junge Ehefrau geht nicht mehr zur Schule und trägt stattdessen die Verantwortung für einen Haushalt. Ihre späteren Arbeits- und Erwerbsmöglichkeiten sind eingeschränkt.

Die Nachteile können sich auch in die nächste Generation fortsetzen, denn Kinder von zu jungen Müttern haben schlechtere Überlebens- und Bildungschancen.

Wie oben schon erwähnt sind die Folgen auch für Jungen groß, wenn auch die körperlichen und sozialen Folgen kaum vergleichbar sind. Aber auch Jungen werden zu jung in eine Erwachsenen-Rolle gedrängt, der sie nicht gewachsen sind. Sie müssen unter Umständen plötzlich eine Familie versorgen, was auch ihre Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten einschränkt.

Aus all diesen Gründen setzen wir uns für ein Ende von Kinderehen ein.

Kinderehen in Deutschland: Wie häufig kommen sie bei uns vor?

Laut Medienberichten lebten Mitte 2016 knapp 1.500 verheiratete Minderjährige in Deutschland. Unter ihnen waren vor allem Minderjährige aus Syrien, Afghanistan, Irak und mehreren EU-Mitgliedsstaaten. Im Dezember 2019 waren nur noch 162 verheiratete Minderjährige registriert.

Diese merkliche Verminderung der Anzahl ist vor allem auf eine Gesetzesänderung in Deutschland zurückzuführen: Im Juli 2017 passte Deutschland das Mindestheiratsalter an internationale Standards an. Während in Deutschland Eheschließungen mit Zustimmung eines Familiengerichts bereits ab 16 Jahren erlaubt waren, ist dies nun erst ab 18 Jahren möglich.

Wenn eine Ehe im Ausland geschlossen wurde, ist sie nach deutschem Recht immer unwirksam, wenn einer der Ehepartner zum Zeitpunkt der Eheschließung unter 16 Jahre alt war. Bei Eheschließungen im Ausland im Alter zwischen 16 und 18 Jahren wird die Entscheidung, ob die Ehe aufgehoben wird, erst nach einer Anhörung beim Familiengericht getroffen.

Während UNICEF Deutschland die Erhöhung des Mindestheiratsalters begrüßt, muss bei Aufhebungen von Ehen aus kinderrechtlicher Sicht besonders umsichtig gehandelt werden, um Kinder nicht zusätzlichen Risiken auszusetzen: Das Wohl des Kindes muss hierbei Grundlage für jegliche juristische Entscheidung sein. Dabei muss der Einzelfall betrachtet werden. Es kann zum Beispiel sein, dass bei der Annullierung der Ehe die zuvor verheirateten jungen Frauen und Männer die materielle Sicherung durch ihre Ehepartner, Unterhalts- und Erbrechtsansprüche verlieren oder Kinder aus solchen Ehen als nichteheliche Kinder angesehen würden. Daher sollte geprüft werden, was im Einzelfall das Beste für die jeweiligen Betroffenen ist.

Madagaskar: Vier Mädchen stehen lachend vor einer beschriebenen Schultafel

Rund die Hälfte aller Mädchen der Anosy-Region in Madagaskar wird vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet, jedes dritte Mädchen ist bereits Mutter. Das UNICEF-Programm „Let us Learn“ sorgt dafür, dass Mädchen wie Soanafiny (14, zweite von links) und ihre Freundinnen weiter zur Schule gehen können.

© UNICEF/UN0325666/Ralaivita

Gesetzeslage: Sind Kinderhochzeiten verboten?

In den meisten Ländern gilt man zwar erst ab 18 Jahren als "ehemündig", aber in vielen Ländern gibt es eine Reihe von Ausnahmen, wenn zum Beispiel die Eltern oder ein Gericht zustimmen. Das ist problematisch, da es häufig die Eltern sind, die die Ehe arrangiert haben. In einigen Ländern gibt es außerdem ein unterschiedliches Mindest-Heiratsalter für Mädchen und für Jungen. Wie so oft ist außerdem die Frage, ob auf dem Papier bestehende Gesetze auch wirksam durchgesetzt werden.

In Indien machte kürzlich die Verhaftung von über 2.000 Männern wegen Kinderehen im Bundesstaat Assam Schlagzeilen. Kinderehen sind in Indien illegal, doch diese Razzia kam offenbar überraschend – und wurde nicht von allen begrüßt. Unter anderem beschwerten sich viele der jungen Ehefrauen, die nun plötzlich ohne Ehemann dastanden, der häufig der Hauptversorger der Familie ist.

Lückenhafte Gesetze zum Schutz vor Kinderehen gibt es übrigens nicht nur in Ländern des globalen Südens: In einigen US-Bundesstaaten sind beispielsweise Kinderehen in Ausnahmen erlaubt. In England und Wales trat gerade erst ein Gesetz in Kraft, das Ausnahmen für 16- und 17-Jährige im Fall der elterlichen Zustimmung beendet.

Auch in Deutschland war bis vor kurzem eine Heirat ab 16 möglich, wenn das Familiengericht zustimmte – diese Regelung wurde erst 2017 geändert und auf 18 Jahre erhöht (siehe oben).

Gesetze gegen Kinderehen sind also wichtig, aber nur ein Element von vielen zur nachhaltigen Bekämpfung von Kinderehen. Ganz entscheidend ist die Prävention, also Vorbeugung der Praxis von Kinderehen.

UNICEF Kampagne gegen Kinderehen

Dieses Bild stammt von einer UNICEF-Kampagne im Südsudan zur Beendigung von KInderehen.

© UNICEF/UNI371518/Chol

Kinderehen beenden: Was kann man tun?

Armut, Gender-Ungerechtigkeit sowie fehlende Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten gehören zu den wichtigsten Gründen, weshalb Kinderehen weiterhin geschlossen werden – und das wollen wir ändern!

Uganda: Faida schreibt #no to child marriage an eine Schultafel.

Faida Harriet in Uganda wurde vor einer Zwangsehe bewahrt, als sie 17 war, und geht weiter zur Schule.

© UNICEF/UN0297707/Adriko

Mit den Nachhaltigen Entwicklungszielen haben sich Staaten weltweit zur Beendigung von Kinderehen bis zum Jahr 2030 verpflichtet. Doch es gibt noch viel zu tun. UNICEF setzt sich weltweit zusammen mit seinen lokalen und nationalen Partner*innen, UN- und Nichtregierungsorganisationen und religiösen Autoritäten für Aufklärung und Prävention von Kinderheiraten ein, mit dem Ziel diese Praxis zu beenden. Dazu führt UNICEF unter anderem Aufklärungskampagnen sowie Bildungs- und Empowermentprogramme für Mädchen durch.

Auf Social Media gibt es verschiedene Kampagnen. Zum Beispiel hat UNICEF Mosambik dieses Musikvideo „Ich will fliegen“ veröffentlicht (Achtung, Ohrwurm!):

In Indien haben Anfang 2019 über 300.000 Mädchen und Frauen eine 348 Kilometer lange Menschenkette gebildet, um ein Zeichen für das Ende von Kinderehen zu setzen.

Indien: Über 300.000 Mädchen und Frauen bilden eine Menschenkette.
© UNICEF/UN0276245/Boro

Da Veränderung mit Wissen beginnt, haben UNICEF und Partner einen neuen Monitoring-Mechanismus ins Leben gerufen, um die riesige Datenlücke bei Kinderehen zu verringern.

Stoppt Kinderehen: Mädchen kämpfen für ihre Rechte

Nicht mit mir! Das sagen viele Mädchen rund um die Welt und wehren sich gegen ihre Verheiratung. Ich möchte Ihnen einige starke junge Frauen vorstellen – und zeigen, wie sie einer Zwangsehe entkommen konnten.

Äthiopien: Die 14-jährige Anifa strahlt in die Kamera

Bild 1 von 6 | Ihre Eltern hatten für Anifa (14) in Äthiopien eine Ehe arrangiert. Die Teilnahme an einem Gender Club gab ihr das Selbstbewusstsein, sich dagegen zu wehren: Sie bat einen Lehrer um Hilfe. Mit ihm zusammen konnte sie ihre Eltern überzeugen, die Hochzeit abzusagen. Wenn sie mit der Schule fertig ist, möchte Anifa Medizin studieren.

© UNICEF/UN0278286/Mersha
Uganda: Irene schaut bestärkt in die Zukunft.

Bild 2 von 6 | Irene in Uganda hat Schreckliches erlebt: Als sie 15 war, wurde sie von einem 25-Jährigen vergewaltigt. Zu allem Unglück wollte man sie zwingen, ihren Peiniger zu heiraten, um die vermeintliche Schande gutzumachen. Durch eine Kampagne gegen Kinderehen wurde sie vor der Zwangsehe bewahrt. Sie machte eine Ausbildung als Friseurin und besitzt einen eigenen kleinen Haarsalon.

© UNICEF/UN0297700/Adriko
Indien: Die 18-jährige Kiran lächelt selbstbewusst in die Kamera.

Bild 3 von 6 | Kiran, 18, in Indien ist eine intelligente junge Frau und setzt sich in ihrer Gemeinschaft für die Rechte von Mädchen und für Bildung ein. Letztes Jahr rettete sie eine Freundin vor der Ehe, indem sie den Fall bei den Behörden anzeigte. Kiran möchte Anwältin werden und dabei helfen, die Hürden zu überwinden, denen Mädchen begegnen.

© UNICEF/UN0276237/Boro
Indien: Die 16-jährige Maina steht vor einem UNICEF-Plakat.

Bild 4 von 6 | Maina, 16, wehrte sich erfolgreich gegen eine Ehe, die ihre Eltern in Indien für sie arrangiert hatten. Sie bekam Hilfe durch eine von UNICEF unterstützte Telefon-Hotline für Mädchen. Maina geht jetzt weiter zur Schule und ist bereit für die Prüfungen zum Abschluss der zehnten Klasse.

© UNICEF/UN0276216/Boro
Malawi: Neria in ihrer Schule mit drei Frauen der Müttergruppe

Bild 5 von 6 | Neria (16) in Malawi war erst 13, als ihre Eltern sie gegen ihren Willen mit einem älteren Mann verheiraten wollten. Neria weigerte sich und bat die Müttergruppe an ihrer Schule um Hilfe. Die schaltete den Chief des Dorfes und die Polizei ein. Neria hat sich mit ihren Eltern versöhnt, geht weiter zur Schule und möchte Krankenschwester werden.

© UNICEF/DT2016-51453/Ninja Charbonneau
Bangladesch: Shampa sitzt im Schneidersitz auf dem Boden ihres Zimmers.

Bild 6 von 6 | Shampa, 16, in Bangladesch will Bankerin werden. Beinahe wäre ihr Traum geplatzt, als ihr Vater einen Unfall hatte und nicht mehr arbeiten konnte. Da das Geld so knapp war, wollte die Familie Shampa mit 15 verheiraten, dann wäre eine Person weniger zu versorgen gewesen. Doch Shampa wehrte sich erfolgreich: Sie nahm Kontakt mit einer Jugendgruppe auf, und kurze Zeit später kamen sieben junge Aktivisten zu ihren Eltern und überzeugten sie, dass Kinderehen illegal sind und große Risiken mit sich bringen.

© UNICEF/UN016313/Gilbertson VII

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Ninja Charbonneau
Autor*in Ninja Charbonneau

Ninja Charbonneau ist Pressesprecherin und schreibt im Blog über Hintergründe zu aktuellen Themen.