

Wie ist es, jetzt in Afghanistan ein Kind zu sein?
Afghanistan ist einer der gefährlichsten Orte der Welt, um ein Kind zu sein. Und das nicht erst seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021. Wie ist es, in dem Land aufzuwachsen? Dieser Beitrag soll helfen, sich ein Stück weit in die Situation der Mädchen und Jungen hineinzufühlen.
7 wichtige Fakten über das Leben der Kinder in Afghanistan
Zunächst ein paar Eckdaten zum Land: Afghanistan ist ein Binnenstaat in Asien. Es grenzt an Pakistan, China, Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan und den Iran. Es gibt einige größere Städte wie die Hauptstadt Kabul, Kandahar, Herat, Mazar-i Sharif oder Kundus. Doch ein Großteil der Menschen lebt auf dem Land, viele von ihnen in sehr schwer zugänglichen, gebirgigen Regionen, wo das Überleben oft mühsam ist. Weithin bekannt ist der Hindukusch, das riesige Gebirge, dessen überwiegender Teil in Afghanistan liegt.
Etwa 40 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten in der Landwirtschaft, knapp 40 Prozent im Dienstleistungssektor. Armut ist verbreitet. 2021 lag Afghanistan auf Platz 6 der ärmsten Länder der Welt. Die politische Situation ist seit längerer Zeit hochgradig instabil. Immer wieder flammt die Gewalt auf. Seit August 2021 sind die Taliban an der Macht.
Die aktuelle Lage in Afghanistan
Die Situation für Kinder und Familien in Afghanistan ist sehr angespannt. Das Land ist weitestgehend von der internationalen Gemeinschaft abgeschnitten. Fast die gesamte Bevölkerung – 97 Prozent – lebt in Armut. Aktuell sind etwa 24,4 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe durch Hilfsorganisationen angewiesen. Das ist eine Zunahme um 25 Prozent seit Anfang 2021.

Ein Junge trägt ein Hilfspaket von UNICEF. Bei dem Erdbeben im Juni 2022 haben er und seine Familie ihr Zuhause verloren. In dem Paket sind Hygieneartikel für die ganze Familie.
© UNICEF/UN0678781/NaftalinIn den vergangenen Monaten erlebte Afghanistan Krankheitsausbrüche von Masern und Cholera, wirtschaftlichen Rückgang und akute Nahrungsunsicherheit. Letztere ist eine Folge des Wirtschaftskollaps und der Dürre. Expert*innen schätzen, dass etwa 20 Millionen Afghan*innen nicht genug zu essen haben. Eine Analyse für März bis Mai 2022 kam zu dem Schluss, dass in der sehr entlegenen Provinz Ghor etwa 20.000 Menschen unter Bedingungen lebten, die einer Hungersnot gleichkommen (IPC Phase 5). Welche Auswirkungen die Ernährungskrise für die Kinder hat, lesen Sie unten.
Neben der Dürre sieht sich Afghanistan mit weiteren Naturkatastrophen konfrontiert. Am 22. Juni 2022 erschütterte ein Erdbeben die Provinzen Paktika und Khost. Schätzungen zufolge sind etwa 70 Prozent der Häuser in den besonders betroffenen Gebieten beschädigt oder zerstört. Viele Familien verloren ihr Zuhause und mussten im Freien schlafen. Wir von UNICEF halfen ihnen unter anderem mit Trinkwasser und Hygieneartikeln wie Seife und Wasserreinigungstabletten.

Halim (8, links) und sein Freund aus dem Dorf Gayan in der Provinz Paktika haben durch das Erdbeben im Juni 2022 ihr Zuhause verloren. Nun suchen sie Schutz unter notdürftig arrangierten Plastikplanen.
© UNICEF/UN0660498/NazariZwischen Januar und Juni 2022 zählten unsere Mitarbeitenden im Land 56 Angriffe auf Schulen sowie elf Angriffe auf Krankenhäuser. Immer wieder Kinder werden verletzt oder gar getötet. Auch Minen stellen eine große Gefahr für Mädchen und Jungen dar, etwa beim Spielen im Freien oder auf dem Schulweg. Gleichzeitig werden die Rechte von Mädchen und Frauen in Afghanistan immer weiter untergraben. Insbesondere die Entscheidung, Mädchen weiter offiziell keinen Besuch einer weiterführenden Schule zu erlauben, bedeutet einen schweren Rückschlag – für die Mädchen und für die Zukunft des Landes. Auch dazu lesen Sie unten mehr.
Anders als allgemein vermutet, haben UNICEF und seine Partner die Hilfe für Kinder in den vergangenen Monaten stark ausgeweitet, auch in Gebieten, die vor einem Jahr noch unzugänglich waren. Dadurch erreichen wir von UNICEF so viele Mädchen und Jungen mit therapeutischer Zusatznahrung für lebensbedrohlich mangelernährte Kinder, Impfungen, sauberem Trinkwasser sowie Bildungsmaßnahmen wie lange nicht mehr.
Wie ist es, unter diesen Bedingungen ein Kind zu sein? In diesem Beitrag versuchen wir, uns der Antwort auf diese Frage anzunähern. Dazu haben wir sieben Fakten für Sie gesammelt. Doch zuerst:
Wie viele Kinder gibt es in Afghanistan?
In Afghanistan leben etwa 38,9 Millionen Menschen. Rund 42 Prozent davon sind dem United Nations Population Fund zufolge Kinder zwischen 0 und 14 Jahren. 13,1 Millionen afghanische Mädchen und Jungen brauchen humanitäre Nothilfe, fast so viele Kinder wie in ganz Deutschland. Das sind mehr, als es im Sommer 2021 waren.
Wie ist das Leben der Kinder in Afghanistan?
1. Viele Kinder in Afghanistan müssen hungern: Drei Mahlzeiten pro Tag sind die absolute Ausnahme
Für ein Kind in Afghanistan ist es sehr wahrscheinlich, dass es heute nicht satt wird. Und morgen auch nicht, genauso wenig übermorgen. Die politische Unsicherheit, der Niedergang der Wirtschaft sowie die Folgen der Corona-Krise haben vielen Familien ihre Lebensgrundlage genommen. Eltern verloren ihre Arbeit oder werden schlechter oder gar nicht bezahlt. Verschärft wird die Lage durch eine extreme Dürre, Expert*innen zufolge die schlimmste in rund 30 Jahren. Es gibt kaum Wasser, die Ernten fallen ungenügend aus.
Viele haben alle Reserven aufgebraucht und kaum Geld für Lebensmittel. UNICEF-Mitarbeiter Salam Al-Janabi hat in der Provinz Herat mit Familien gesprochen. Er berichtet, dass manche nichts essen außer trockenes altes Brot, das sie in Tee tunken, um es überhaupt schlucken zu können. Unterernährung ist weit verbreitet.

In dem von UNICEF unterstützten Zentrum für therapeutische Ernährung in Herat erhält der 15 Monate alte Javid therapeutische Nahrung und medizinische Versorgung.
© UNICEF/UN0530471/BidelFür Kinder wird der Hunger besonders schnell lebensbedrohlich. UNICEF-Expert*innen schätzen, dass jedes zweite afghanische Kind unter fünf Jahren unterernährt ist. 1,1 Million Kinder sind in Gefahr, lebensbedrohlich mangelernährt zu sein. Sie könnten sterben, wenn ihnen nicht schnell geholfen wird.
Eine Schwierigkeit dabei stellt der drohende Kollaps des Gesundheitssystems dar. In einem funktionierenden System gäbe es ausreichend Kliniken und Ärzt*innen, die Mangelernährung bei Kindern behandeln würden. Doch in Afghanistan braucht es Hilfsorganisationen wie UNICEF, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu sichern. Eines von vielen Problemen derzeit sind auch die steigenden Energiepreise und damit ein drohender Ausfall von Stromgeneratoren in Krankenhäusern und Praxen.
Wir von UNICEF helfen mangelernährten Kindern mit Spezialnahrung wie Erdnusspaste. Durch die Behandlung geht es den meisten Kindern innerhalb von sechs Wochen deutlich besser. Im ersten Halbjahr 2022 haben wir 6,5 Millionen Kinder auf Mangelernährung untersucht und 246.946 schwer mangelernährte Mädchen und Jungen mit lebensrettender Spezialnahrung behandelt. Diese Hilfe wird ergänzt durch das Verteilen von Lebensmitteln, etwa durch das Welternährungsprogramm.

Ein Helfer des Welternährungsprogramms transportiert Lebensmittel für eine Familie. Immer mehr Menschen in Afghanistan sind auf diese Unterstützung angewiesen.
© UNICEF/UN0530584/Bidel2. Schule? Nicht für ältere Mädchen in Afghanistan
Es war eine herbe Enttäuschung für die Mädchen in Afghanistan: Ende März 2022 entschieden die Taliban, dass Mädchen ab der siebten bis zur zwölften Klasse nicht zur Schule gehen dürfen. Zuvor hatten sie angekündigt, ihnen den Schulbesuch zu erlauben. Doch diese Ankündigung wurde nicht wahr. Für die Schülerinnen platzten Träume – von einer besseren, selbstbestimmten Zukunft.
Es ist ein Beispiel für die Verletzung der Kinderrechte in Afghanistan. "Mit dieser Entscheidung wird einer ganzen Generation von heranwachsenden Mädchen das Recht auf Bildung verweigert und die Möglichkeit verwehrt, die Fähigkeiten zu entwickeln, die sie brauchen, um ihre Zukunft aufzubauen", sagt UNICEF Exekutivdirektorin Catherine Russell. Und weiter: "Ich fordere die de-facto-Machthaber auf, ihrem Bekenntnis zur Bildung von Mädchen ohne weitere Verzögerungen nachzukommen."

Diese Mädchen lernen in einem Klassenzimmer in Herat. Grundschülerinnen und Grundschüler sind landesweit in die Schule zurückgekehrt, ältere Schülerinnen nur in einigen Provinzen.
© UNICEF/UN0518459/BidelSchon vor dem Machtwechsel gingen in Afghanistan vier Millionen Kinder nicht zur Schule, drei von fünf von ihnen Mädchen. Nun steigt die Zahl weiter. Insgesamt sind mehr als eine Million Mädchen in der Sekundarstufe von der Entscheidung betroffen. Die Lage unterscheidet sich dabei von Region zu Region. Fest steht: Eltern und den Mädchen in Afghanistan ist es unglaublich wichtig, lernen zu können.
In vielen Gemeinden gibt es Bemühungen, die Schulen offen zu halten und das Lernen für Mädchen zu ermöglichen. UNICEF unterstützt diese Bemühungen. Zum Beispiel drucken und verteilen wir 38 Millionen Schulbücher, errichten Toiletten in Schulen, bilden rund 1.200 Lehrerinnen aus und weiten gemeindebasierte Schulen aus, von aktuell 10.000 auf 17.000 bis Ende 2022. Gleichzeitig suchen wir nach alternativen Wegen, beispielsweise indem wir kleinere Bildungsinitiativen unterstützen oder den Unterricht über digitale Formate, das Radio oder das Fernsehen fördern. Auch die Initiative "Let us Learn" fördert die Bildung der Kinder in Afghanistan.
3. Jedes dritte afghanische Mädchen wird vor seinem 18. Geburtstag verheiratet
Rubaba (18) erzählt: "Ich mache mir Sorgen. Seit ich 15 bin, werben Männer um mich und wollen mich heiraten. Ich habe meine Familie angefleht, dass ich erst meine Ausbildung zu Ende machen darf. Doch ich habe Angst, dass ich doch früher heiraten muss."
Ich wünschte, ich wäre mein Bruder, denn dann müsste ich nicht ständig zittern, wenn es an der Tür klopft. Ich habe Panik, dass dort jemand steht, der um meine Hand anhält.
Leider sind Rubabas Sorgen nicht unbegründet. Eines von drei Mädchen in Afghanistan wird verheiratet, bevor es 18 Jahre alt wird – obwohl Kinderheirat in Afghanistan illegal ist. Unsere Expert*innen fürchten, dass die Zahl der Kinderehen sogar steigen könnte. Die extrem angespannte wirtschaftliche Lage treibt Familien immer tiefer in die Armut und zwingt sie, verzweifelte Entscheidungen zu treffen, wie etwa ihre Kinder zur Arbeit zu schicken oder sie früh zu verheiraten. Unsere Kolleg*innen vor Ort hören Berichte, dass Familien ihre Töchter im Tausch gegen eine Mitgift weggeben.
Eine Kinderehe hat oft lebenslange Auswirkungen für die Mädchen. Ein Großteil der Betroffenen schließt die Schule nicht ab. Sie haben ein höheres Risiko, häusliche Gewalt, Diskriminierung und Missbrauch zu erleben, was häufig auch ihre mentale Gesundheit beeinträchtigt. Die aktuelle Krise und ihre Unsicherheiten in Bezug auf die Rechte der Frauen erhöhen die Risiken für geschlechtsspezifische Gewalt.
Wir von UNICEF nutzen unseren Einfluss auf allen Ebenen, um uns für Kinderrechte und somit auch für die Rechte von Mädchen einzusetzen und Zwangsverheiratungen zu verhindern. Dabei hilft uns, dass wir seit über 70 Jahren in Afghanistan aktiv sind und ein starkes Netz von Partnern und Kontakten haben. Wir unterstützen arme Familien auch finanziell, um die Kinder vor Kinderheirat, aber auch vor Hunger und Kinderarbeit zu schützen. Und Babys, ob von jungen, früh verheirateten Müttern oder von älteren, helfen wir bei einem guten Start ins Leben.
4. Polio (Kinderlähmung) ist in Afghanistan eine reale Gefahr
Wussten Sie, dass der Wildtyp des Polio-Erregers nur noch in zwei Ländern auf der Welt endemisch ist? Eines davon ist Afghanistan, das andere Pakistan.
Polio ist auch unter dem Namen Kinderlähmung bekannt. Die Krankheit wird durch ein Virus ausgelöst und ist hoch ansteckend. Es kann zu einer Lähmung der Arme, Beine und der Atmung und damit im schlimmsten Fall zum Tod kommen. Eine Impfung bietet einen guten Schutz. Allerdings haben 46 Prozent der afghanischen Kinder zwischen zwölf und 23 Monaten ihre Grundimpfungen noch nicht erhalten, zu denen auch Impfungen gegen Polio gehören würde.

Geimpft! Der zwei Jahre alte Abbas hat soeben seine Impfung gegen Polio und zusätzlich eine Dosis Vitamin A erhalten. Die Gesundheitshelferin markiert seinen Finger als Zeichen dafür, dass er geimpft wurde.
© UNICEF/UN0648270/BidelZwischen Mai 2021 und April 2022 haben wir von UNICEF in mehreren Kampagnen zwischen 6,3 und 9,8 Millionen Kinder im Alter von unter fünf Jahren gegen Polio geimpft. Mobile Teams gingen von Tür zu Tür, um möglichst viele Kinder zu erreichen und zu schützen. Unter anderem impften die Helfer*innen auch Mädchen und Jungen in Regionen, die für humanitäre Nothilfe seit einigen Jahren nicht zugänglich waren sowie Kinder, die oft die Grenze zu Pakistan überqueren und dadurch einem besonderen Risiko ausgesetzt sind.
5. Trinkwasser aus dem Hahn holen? Für viele Kinder in Afghanistan noch keine Option
Wenn ein Kind in Deutschland Durst hat oder sich die Hände waschen möchte, dreht es einfach den Hahn auf. Für Kinder in Afghanistan sieht die Situation anders aus.
Viele Mädchen und Jungen in Afghanistan nehmen morgens einen oder zwei Kanister mit und machen sich auf den Weg, Trinkwasser zu holen. Oft laufen sie mehrere Kilometer.

Im Vertriebenenlager in Herat haben nur die wenigsten Unterkünfte einen Wasseranschluss. Diese Kinder holen mit Kanistern Trinkwasser für ihre Familien.
© UNICEF/UN0509168/BidelMeine Kinder mussten die weite Strecke bis ins Nachbardorf laufen, um Wasser zu holen. Nun brauchen wir nur den Hahn aufdrehen, um uns ein Glas sauberes, sicheres Trinkwasser aufzufüllen. Ich danke UNICEF und seinen Partnern, die uns geholfen haben, das Wasser ins Haus zu bringen.
Die Dürre hat den Wassermangel im Land weiter verschärft. Acht von zehn Menschen trinken verschmutztes Wasser. Dabei ist sicheres Trinkwasser – ebenso wie eine Toilette und die Möglichkeit, sich zu waschen – essentiell für die Gesundheit von Kindern.
Wir von UNICEF sind im Einsatz, damit Familien sicheres Trinkwasser bekommen – ob über einen fest installierten Zugang, Wasser-Trucks oder mithilfe von Wasserreinigungstabletten. Im ersten Halbjahr 2022 haben wir über drei Millionen Afghan*innen mit einer ausreichenden Menge Wasser zum Trinken, Kochen und für die persönliche Hygiene versorgt. Diese Arbeit muss weitergehen!

Hier gibt es schon Trinkwasser aus dem Hahn: Am Regionalkrankenhaus in Herat haben wir von UNICEF eine Wasserstation aufgestellt.
© UNICEF/UN0530465/Bidel6. Afghanische Kinder erleben eiskalte Winter
Wussten Sie, dass es im Winter in Afghanistan bis zu -25 °C kalt wird? Vor allem im Norden sind die afghanischen Winter sehr kalt. Und die Kälte kann sich über viele Wochen halten.
Auch Anfang 2022 hatte der Winter das Land im Griff. Es fiel Schnee und die Temperaturen lagen nachts oft weit unter dem Gefrierpunkt. Das ist insbesondere für Kinder auf der Flucht und in armen Familien eine große Gefahr, wie UNICEF Deutschland-Geschäftsführer Christian Schneider bei einer Afghanistan-Reise Anfang 2022 erlebte.

Bild 1 von 3 | Rahima ist vier Jahre alt und steht vor ihrem Haus in der Provinz Nuristan in Afghanistan. Mit ihrer Hand wärmt sie ihre kalte Nase.
© UNICEF/UN0574453/Fazel
Bild 2 von 3 | In diesem Dorf in Nuristan lebt Rahima. Die Provinz liegt an der Südseite des Hindukusch. Im Winter fallen die Temperaturen hier typischerweise für mehrere Wochen unter den Gefrierpunkt.
© UNICEF/UN0574466/Fazel
Bild 3 von 3 | Als dieses Foto im Januar 2022 in Herat aufgenommen wird, liegt dort kein Schnee. Dennoch ist es sehr kalt. Sediqa (8) und ihre Schwestern wärmen sich am Feuer der Kochstelle. Sie leben mit ihrer Familie in einem Zeltlager für Vertriebene.
© UNICEF/UN0574508/BidelSchon im Sommer ist es schlimm, wenn Kinder auf der Straße oder in Zelten übernachten müssen. Doch im Winter wird es dort zusätzlich eiskalt. Und auch wer ein Zuhause hat, ist oft nur wenig besser dran. Viele Familien sind infolge der politischen Instabilität und der dadurch verursachten Wirtschaftskrise mittlerweile so arm, dass sie kein Geld für eine Heizung oder für warme Kleidung haben. Viele Kinder werden krank. Auch die Gefahr, dass Kinder erfrieren, ist real.
Die Kinder brauchen im Winter dringend wärmende Kleidung und Schuhe, Decken – und vor allem eine feste, warme Unterkunft. Wir von UNICEF verteilen mit Unterstützung der Spenderinnen und Spender aus Deutschland Decken und Winterkleidung an die Familien. Wir geben auch Bargeld aus, damit die Menschen sich das Nötigste zum Überleben kaufen können.

Diese Familie hat von UNICEF mehrere Decken und einen Wassereimer bekommen. Nun tragen sie sie zurück zu ihrer Unterkunft. Die Familie ist vor Gefechten, der Dürre und der aussichtslosen wirtschaftlichen Lage geflohen und sucht nun Schutz in Herat.
© UNICEF/UN0574507/Bidel7. Die meisten Kinder in Afghanistan haben niemals Frieden erlebt
Konflikt, Gewalt und Gefechte sind Teil des Lebens in Afghanistan – seit mehr als zwanzig Jahren. In einigen Regionen des Landes gab es ruhigere, friedlichere Perioden, in anderen nicht.
Immer wieder werden auch Kinder bei Gefechten verletzt oder kommen ums Leben. Zwischen Januar und Juni 2022 wurden 288 Kinder getötet. Zahlreiche weitere Mädchen und Jungen wurden traumatisiert. Habiba (11) erzählt, wie sie die Kämpfe erlebt hat:
An einem Tag waren die Gefechte so heftig, dass mein Vater uns in den Keller geschickt hat. Dort haben wir uns versteckt. Ich habe mich am Kleid meiner Mutter festgehalten und zu ihr gesagt: Halt mir die Ohren zu!, damit ich die Explosionen nicht mehr hören konnte.

Erlebnisse wie die von Habiba können Kinder traumatisieren. Dies kann ihre mentale und körperliche Gesundheit und ihr Wohlbefinden ihr Leben lang negativ beeinflussen. Habiba und ihre Familie flohen schließlich von Zuhause und kamen in einem Vertriebenenlager unter. Dort gibt es auch ein Kinderzentrum von UNICEF. Hier haben Habiba und die anderen Kinder einen Ort, um zu spielen und die Erlebnisse zu verarbeiten.

Habiba und ihre Freundinnen spielen am liebsten draußen.
© UNICEF/UN0484305/UNICEF AfghanistanKindheit in Afghanistan: Murtaza zeigt Ihnen, wie er lebt
Nach all diesen Fakten möchten wir noch dieses Video mit Ihnen teilen: Der elfjährige Murtaza nimmt Sie mit in sein Dorf in einer abgelegenen Bergregion und zeigt Ihnen, wie er und seine Familie dort leben (Video in englischer Sprache).
Wie kann man Kindern in Afghanistan aktuell helfen?
Die Mädchen und Jungen in Afghanistan brauchen uns in der aktuellen Lage mehr denn je. Die gute Nachricht ist: Trotz Unsicherheit, Ungewissheit und Wirtschaftskrise ist Hilfe für die ärmsten Kinder möglich. UNICEF und seine Partner haben die Hilfe in den vergangenen Monaten enorm ausgeweitet, auch in Gebieten, die vor einem Jahr noch unzugänglich waren. Mehr als 500 Mitarbeitende an 13 Standorten sind tagtäglich im Einsatz, um die Hilfe für Kinder zu ermöglichen.
Vor allem angesichts der verbreiteten Armut und der sich verschärfenden Hungerkrise, aber auch mit Blick auf den Schutz der Kinderrechte muss diese Hilfe weitergehen. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Helfen Sie den Kindern mit Ihrer Spende zum Beispiel für eines der Hilfsgüter, die aktuell besonders benötigt werden. Jeder Beitrag hilft. Vielen Dank!
Diese Hilfsgüter werden jetzt in Afghanistan gebraucht

Laura Sandgathe ist Online-Redakteurin und Chefin vom Dienst. Sie bloggt über die UNICEF-Arbeit weltweit - über Kinder, Helfer*innen und die Projekte, in denen sie einander treffen.